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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Romantik pur – Clara Schumann-Abend im Holzhausenschlösschen. Ein Vortrag mit Konzertabend

Ein Trio triumphale und liberale

von Petra Kammann

Im Rahmen des von der Frankfurter Bürgerstiftung ins Leben gerufenen Projekts Musikstadt Frankfurt wurde Clara Schumann, die legendäre Pianistin und Ehefrau des Komponisten Robert Schumann, auf besondere Weise im Holzhausenschlösschen geehrt: durch eine kleine biographische Ausstellung und einen Clara Schumann-Abend mit Musik. Dr. Ulrike Kienzle, Leiterin des Projekts, das spätestens im Jahr 2026 in einer gleichnamigen zweibändigen neuen Frankfurter Musikgeschichte münden wird, erläuterte in ihrem Vortrag mit Bildern und Klangbeispielen das vielfältige Wirken Clara Schumanns in der damals nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell aufblühenden Stadt am Main.

Auf der ersten Konzertreise nach Paris machten die junge Clara Wieck und ihr Vater in Weimar Halt, wo sie den betagten Goethe begeisterte;  Foto: Petra Kammann

Man fühlte sich bei der Veranstaltung im Holzhausenhausenschlösschen als Gast persönlich willkommen und gleichzeitig wie in die intime Sphäre eines romantischen Salons miteinbezogen, wo leidenschaftlich Ideen ausgetauscht werden und Menschen heiter und beseelt miteinander verkehren und musizieren. Das Goldene Abendlicht schien durch die offenen Fenster des Holzhausenschlösschens der Frankfurter Bürgerstiftung und brachte die grünen Zweige der alten Bäume im Park zum Schimmern, als die Musik- und Literaturwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle zu ihrem Vortrag anhob, um dem Publikum Clara Schumann, die legendäre Pianistin des 19. Jahrhunderts, nahezubringen.

Schon als sie erst fünf war, hatte ihr Vater, der Leipziger Musikpädagoge und Musikalienhändler Friedrich Wieck, die kleine Klavierspielerin Clara – ihrer Name steht für ihre reine Klarheit – nach der Scheidung der Eltern in seine Obhut genommen. Mit acht spielte sie vor Publikum und improvisierte frei. Und als sie zwölf wurde, nahm der Vater sie mit auf eine Reise nach Paris, die viele Zwischenstationen hatte. So hatten sie 1831 zunächst in Weimar Halt gemacht hatte, wo der betagte und von ihrem Spiel angetane Goethe über sie sagte: „Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen„.

Große Kraft und Energie zeichneten auch später die professionelle und welterfahrene Pianistin aus. Nachdem ihr Mann Robert Schumann wegen seiner psychischen Krankheit in der Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn gelandet war, musste sie gewissermaßen als Alleinerziehende von acht Kindern die Familie ernähren. Ihre Kinderschar hielt sie auch nicht davon ab, in die damaligen europäischen Metropolen zu reisen, um dort erfolgreich Konzerte zu geben, von London, Kopenhagen über Paris und Wien bis nach Sankt Petersburg und Moskau. In Wien wurde sie zur Kammervirtuosin ernannt. Was aber führte sie ausgerechnet nach Frankfurt, in die liberale Handelsstadt, auf die keinerlei Glanz von einem mäzenatischen Fürsten fiel wie in anderen Residenzstädten?

Das Konzert der Dreizehnjährigen im „Roten Haus“ blieb auch von der Kritik nicht unbemerkt; Foto: Petra Kammann

Anders als in den deutschen Residenzstädten gab es in Frankfurt damals zwar bis 1861 noch keinen Konzertsaal, in der aufstrebenden Mainmetropole war man jedoch sehr an Musik interessiert. Hier traten prominente Musiker auf wie zum Beispiel der italienische Violinvirtuose Niccolò Paganini. Und die musikbegeisterten Bürger der Stadt waren daher initiativ geworden und hatten schon 1808 die bis heute existierende Museums-Gesellschaft gegründet, die sich intensiv für Literatur, Vorträge, Kunst und Konzerte einsetzte. Man traf sich dazu in den noblen Hotels der Stadt wie im Saal des „Englischen Hofs“ am Roßmarkt oder im „Roten Haus“ auf der Zeil, wo Clara Wieck bereits 1832 konzertiert hatte.

Die Wege der Schumann-Wiecks sind verschlungen und auf besondere Weise miteinander verbunden. Schon im Mai 1829 hatte der einstige Jurastudent Robert Schumann einen begeisterten Brief über seine Streifzüge durch die Freie Stadt Frankfurt geschrieben. Nur wenige, aber für sein Leben umso entscheidendere Tage hatte er hier verbracht. Als er im darauf folgenden Jahr wiederkehrte und in einem Frankfurter Konzert den berühmten Violinvirtuosen Niccolò Paganini erlebte, hatte ihn das in seinem Entschluss bestärkt, sich endgültig der Musik zu widmen und zu komponieren. Auch seine spätere Frau Clara Wieck, die ihn gegen den Willen ihres Vaters geheiratet und das Recht dazu erstritten hatte, gab in der Stadt am Main schon als Dreizehnjährige im „Roten Haus“ auf der Zeil in einem Konzertsaal mit 900 Plätzen  eine gelungene Kostprobe ihres pianistischen Könnens.

Auch später kehrte sie immer wieder gern hierher zurück – nicht zuletzt des seinerzeit berühmten Orchesters der Museums-Gesellschaft wegen, das dort gerade entstanden war. Auf ihren zahlreichen Konzertreisen hatte sie häufig in der Stadt am Main konzertiert. Fast jährlich hatte sie hier Konzertauftritte – insgesamt 23 waren es von 1854 an, bevor die bedeutendste Pianistin des 19. Jahrhunderts 1878 als Dozentin, d.h. als „Erste Klavierlehrerin“, mit höchst komfortablen Bedingungen wie 2000 Taler Monatsgehalt und vier Monate Urlaub an das frisch gegründete Hoch’sche Konservatorium berufen wurde. Dass sie sich für die blühende Metropole am Main entschied, hatte noch zusätzlich gute Gründe: ihr rastloses Reiseleben sollte ein wenig zur Ruhe kommen, und dass sie besonders gern mit dem berühmten Museums-Orchester zusammenspielte, war eine weitere Attraktion, und nicht zuletzt, dass sie ihre Töchter als ihre „Assistentinnen“ mitnehmen durfte.

Ihr Freund, der Komponist Johannes Brahms, aus dessen Schaffen in der Museums-Gesellschaft später dann auch so manches Konzert gespielt wurde, hatte ihr ebenfalls dazu geraten. So verbrachte sie die letzten 18 Jahre ihres langen und ereignisreichen Lebens bis zu ihrem Tod 1896 in ihrem geräumigen Haus im Frankfurter Westend in der Myliusstraße 32  und bereicherte das Frankfurter Musikleben durch ihr so einfühlsames wie auch hochpräzises Klavierspiel. Sie war eine sowohl geschätzte als auch gefürchtete Klavierpädagogin, deren Schülerinnen ebenfalls Karriere machten.

Begeistert von Kienzles Vortrag überreichte Hausherr Clemens Greve ihr einen Blumenstrauß, auch als Dank für die 24-jährige Zusammenarbeit; Foto: Petra Kammann

In Frankfurt war sie bestens mit den Honoratioren der liberalen Frankfurter Stadtgesellschaft vernetzt, gleich ob mit Mathilde von Rothschild oder mit der Landgräfin Anna von Hessen. Und sie war auch ein beliebtes Porträtmotiv, wie man in der kleinen Ausstellung im Ernst von Grunelius-Saal sehen kann: Adolf von Menzel malte sie lebhaft in einer Konzertszene, während Franz von Lenbach sie als weise und ernste Frau porträtierte mit einer Träne im Auge. Sie hatte auch manches Leid überwinden müssen wie Robert Schumanns psychische Krankheit. Obendrein war ihr Sohn Felix im Alter von 24 Jahren an Tuberkulose gestorben. Der renommierte Fotograf Franz Hanfstengl hatte sie zu ihrem Amtsantritt fotografiert, was in der Urzeit der Fotografie durchaus etwas Besonderes war. Der ungewöhnlichen Persönlichkeit war die Kunst heilig. An Johannes Brahms schrieb sie: „Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Theil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich atme“. Und das strahlt sie auf allen Bildnissen aus, so gar als kleines Mädchen..

Die berühmte Pianistin, Komponistin, Pädagogin und Ehefrau Robert Schumanns hatte zwischen 1878 und 1891 durch ihre außergewöhnliche Persönlichkeit und mit ihrer internationalen Strahlkraft dem Frankfurter Musikleben einfach Glanz verliehen. Als sie nach dort 46 gespielten Konzerte dort 1896 starb, folgte von ihrem Hause aus nach der Trauerfeier eine riesige Trauergemeinde ihrem Sarg bis zum Hauptbahnhof, von wo aus dieser nach Bonn überführt wurde, wo sie auf dem dortigen Hauptfriedhof im Ehrengrab neben Robert Schumann begraben liegt.

Mit der so unterhaltsam wie kenntnisreich von Ulrike Kienzle vorgetragenen biographischen Einordnung war die Vernissage an diesem ungewöhnlichen Abend jedoch noch nicht beendet.

Perfekter musikalischer Dialog zwischen der Clara Schumann-Kennerin und Pianistin Ragna Schirmer und dem jungen Meister-Cellisten Benedict Klöckner; Foto: Petra Kammann

Denn zur Ausübung ihrer Kunst hatte sich für diesen besonderen Vernissage-Abend die Frankfurter Bürgerstiftung etwas Besonderes ausgedacht, dass die Gäste sich auch einen Eindruck vom Konzertwesen zu Clara Schumanns Zeiten machen konnten. Da wurde ein wenig von der Aufführungspraxis des ausgehenden 19. Jahrhunderts vermittelt, wo das Klavier teils noch als Begleitinstrument fungierte. Im Anschluss an den Vortrag, wo auch ein paar simplere musikalische Szenen von Henri Hertz vom Band als Gegenbild zur Könnerschaft der romantischen Komponisten eingespielt wurden, stellte die ausgewiesene Clara Schumann-Kennerin und Pianistin Ragna Schirmer gemeinsam mit dem jungen Meister-Cellisten Benedict Klöckner die musikalischen Höhepunkte des ersten Frankfurter Konzerts der Pianistin nach dem Tod ihres Mannes Robert vor, das Clara Schumann am 28. Oktober 1856 im „Saal des Hofes zu Holland“ gegeben hat, und das so symbolträchtig für die Frankfurter Zeit wurde.

Auf dem Programm standen damals Werke der musikalischen Romantik von Felix Mendelssohn Bartholdy (darunter die Cellosonate D-Dur op. 58) sowie einige Liedtranskriptionen, Joseph Haydn, Frédéric Chopin und der Carnaval op. 9 von Robert Schumann in der von Clara Schumann selbst ausgewählten Fassung der Klavierstücke. Die Pianistin Ragna Schirmer moderierte kenntnisreich das Konzert selbst.

Viel Beifall gab es für die beiden exzellenten Solisten; Foto: Petra Kammann

Mit nahezu  poetischer Schwerelosigkeit, beschwingt und tänzerisch, und mit ebenso großer Innigkeit transformierte der Cellist Benedict Klöckner die Sänger-Stimmen auf seinem wunderbar warm klingenden Cello, was die Gäste unmittelbar mit Felix Mendelssohn „Das Waldschloss“ und dem „Frühlingslied“ , mit „Meine Liebe ist grün wie der Fliederbusch“ verzauberte. Das Zusammenspiel von Piano und Cello in der Sonate für Cello und Klavier op. 58 glich einem gelungenen musikalischen Dialog zweier Musiker.

Dass Clara Schumann eine sehr leidenschaftliche und temperamentvolle Pianistin war, die auch durchaus das Tempo liebte, kam in Ragna Schirmers kraftvollem Spiel von Frédéric Chopins Impromptu Nr. 1 As-Dur op. 29 zum Ausdruck. Sehr amüsant waren dazu ihre Erläuterungen zu einigen Szenen aus Robert Schumanns Carneval op. 9  mit den verschiedenen Facetten des Karnevals und seinen phantastischen Gestalten in der Fassung von Clara Schumann, in deren Mittelpunkt sie Chiarina als karnevaleske Gestalt selbst stellte.

Das Trio Klöckner, Kienzle, Schirmer beim Weggang; Foto: Petra Kammann

Das Ende des Konzerts wurde abgerundet durch eine Zugabe, die von Clara Schumann selbst komponierte Romanze op. 22, auch dies ein symbolisches Werk, das Clara 1853 für den Komponisten Johannes Brahms geschrieben hat, nachdem der zwanzigjährige Brahms zum ersten Mal das Haus der Schumanns in Düsseldorf betrat und Clara Schumann in einer komplizierten künstlerischen Auseinandersetzung mit Robert die Rolle der Muse und Ratgeberin spielte, welche sie für Brahms zeitlebens blieb. Wie so viele ihrer Werke blieben ihre Kompositionen zu Lebzeiten ungedruckt und wurden erst 130 Jahre nach ihrer Entstehung, im Jahre 1983, herausgebracht.

Der Abend im Wasserschlösschen des Frankfurter Holzhauseviertels war rundherum gelungen durch die persönlich gefärbte Atmosphäre und vor allem durch die Programm-Gestaltenden – ein Trio triumphale und liberale -, ganz im Sinne der romantischen Kunsttheorie, die alle Künste miteinander verbindet und auch ein wenig typisch für Frankfurt ist.

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Die Pianistin Ragna Schirmer erfreut sich seit Jahren höchster Anerkennung bei Konzertpublikum und Fachkritik. Sie hat zahlreiche CDs eingespielt und wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Die von ihr selbst moderierten Konzerte folgen stets einer sorgsam zusammengestellten Dramaturgie. Ein Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit ist die Beschäftigung mit Leben und Werk von Clara Wieck-Schumann. 2019 feierte Schirmer die Pianistin und Komponistin mit über 100 Konzerten, bei denen sie nicht nur Clara Schumanns Kompositionen, sondern auch zahlreiche ihrer Konzertprogramme an den originalen Spielorten und teilweise auf historischen Instrumenten wiederaufführte. Für ihr aktuelles Album „Madame Schumann“ (2019) spielte Ragna Schirmer zwei Original-Konzertprogramme Clara Schumanns ein und erhielt dafür großes Lob von der Fachpresse. Während der von Dr. Ulrike Kienzle kuratierten Ausstellung „Robert und Clara Schumann in Frankfurt“ gab sie 2010 zwei Konzerte auf dem originalen Frankfurter Flügel aus Clara Schumanns Wohnung in der Myliusstraße. Neben ihrer Konzerttätigkeit ist Ragna Schirmer – wie Clara Schumann – auch als Pädagogin höchst erfolgreich. Sie gibt Meisterkurse und Seminare. Für ihr kulturpolitisches Engagement lobte sie Jan Brachmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „eine der klügsten, umsichtigsten und tatkräftigsten Künstlerinnen unseres Landes“.

Der 1989 geborene Cellist Benedict Klöckner zählt zu den herausragenden Künstlern seiner Generation; Foto: Petra Kammann

Der 1989 geborene Cellist Benedict Klöckner zählt zu den herausragenden Künstlern seiner Generation, hat bereits mehrere CDs eingespielt und wurde mit zahlreinen Preisen ausgezeichnet. Er studierte unter anderem bei Martin Ostertag, Michael Sanderling sowie im Studiengang der Kronberg Academy Masters. Wichtige Impulse erhielt er zudem von Gidon Kremer, Steven Isserlis und András Schiff. Benedict Klöckner konzertiert weltweit mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten. Sein besonderes Engagement gilt der zeitgenössischen Musik. Er ist Widmungsträger und Uraufführungsinterpret zahlreicher Kompositionen. Seit 2014 ist Benedict Klöckner Künstlerischer Leiter des von ihm gegründeten „Internationalen Musikfestival Koblenz“. Er spielt das Cello „Ex Maurice Gendron“ von Francesco Rugeri (1680), das ihm als großzügige Leihgabe von einer privaten Mäzenin zur Verfügung gestellt wird.

Die kleine Ausstellung zu Clara Schumann im Ernst Max von Grunelius-Saal gibt Einblicke in das Leben und Wirken dieser großartigen Pianistin. Sie ist an Veranstaltungstagen für Veranstaltungsbesucherinnen und -besucher und nach bestätigter Voranmeldung unter von Mo. bis Do. (10-13 Uhr) bis zum 30. September zu sehen.

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