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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Schönheit für Auge und Ohr: der neue Konzertsaal der Kronberg Academy

Die Eröffnung soll im September mit einem Festival gefeiert werden

Ein Konzertsaal der Superlative für die Kronberg Academy

Von Uwe Kammann

„Das ist aber sehr sportlich“ – Raimund Trenkler, Intendant der Kronberg-Academy, widerspricht dem spontanen Ausruf eines Besuchers der schönsten Baustelle Kronbergs nicht, wenn die pünktliche Fertigstellung in den Blick genommen wird. In der Tat, sportlich sei es. Tatsächlich ist jetzt, Ende Mai/Anfang Juni, rundum das zu sehen, was jeder Laie für ein unentwirrbares Chaos aus Unfertigem hält. Doch Trenkler, der in jeder Faser und jeder Phase umtriebige Gründer dieser mittlerweile weltweit gerühmten Ausbildungsstätte für Streicher (inzwischen auch Pianisten), er wäre nicht Trenkler, wenn er nicht zugleich einen dynamischen Optimismus ausstrahlen würde.

Der Kammermusiksaal der Kronberg Academy; Foto Uwe Kammann

Und so gibt er sich überzeugt, dass aufgrund des starken Engagements aller Beteiligten das so ehrgeizig aussehende Ziel auch erreicht werden könne: nämlich am 24. September das dann nagelneue Casals Forum mit einem fulminanten Auftakt-Konzert (programmatisches Motto „Das Spiel beginnt“) eröffnen zu können. Ein Auftakt, der eine vielfältige Festivalwoche einleiten soll, das alles verbunden mit einem feurigen Versprechen und einer festen Ansage: „Aufbruch“.

Dass es ein strahlender Aufbruch werden wird, in jeder Hinsicht, das leitet Trenkler auch aus den Eindrücken eines ersten Probekonzerts des Akademie-Hausorchesters ab, des Chamber Orchestra of Europe, mit dem die Akustik des neuen Saals geprüft wurde. Das Lob der Musiker – und der strengen Fachohren – sei einhellig ausgefallen, und zwar einhellig begeistert.

Kronberg-Academy-Intendant Raimund Trenker und Künstlerischer Direktor Friedemann Eichhorn; Foto: Uwe Kammann

Dass dieser Test jetzt, Ende Mai, möglich wurde, gleicht natürlich einem kleinen Wunder, wenn man das Baustellen-Rundum sieht. Aber tatsächlich ist das Herzstück des zwischen Victoria-Park und S-Bahnhof gelegenen Casals Forums weitgehend fertig. Und wer zwischen Baufolien, Kabelrollen und Dämmmaterial auf rohen Betonböden in den Saal tritt, der ist sofort gefangen von diesem mit heller Eiche ausgekleideten Raumwunder. Der für knapp 600 Besucher ausgelegte Saal ist in leicht länglicher Form auf die Bühne ausgerichtet, doch schwingen die Ränge in konvex-konkavem Spiel auch um die Musiker herum. Sprich: Es ist weder eine reine Schuhkasten-Strenge, wie sie von Traditionalisten bevorzugt wird, noch eine Weinberg-Anordnung, wie sie seit der Berliner Philharmonie (Baujahr: 1963) vielfach nachgeahmt wurde.

Noch unverblendet: die Deckenkonstruktion am Konzertsaal; Foto: Uwe Kammann

Raimund Trenkler und Friedemann Eichhorn, der künstlerische Leiter der Akademie, sind überzeugt: Der in dieser Form in ganz Europa, wahrscheinlich auch weltweit einzigartige Saal für Kammermusik werde allen Anforderungen perfekt gerecht werden, nicht zuletzt auch, weil er sich über die verstellbaren Holzpaneele über den Rängen jeder Besetzungsgröße anpassen lasse. Ein Solist werde ebenso optimale Klangbedingungen vorfinden wie ein Orchester bis zu einer Größe von 65 Musikern.

Bei der Konzeption und der Planung der Akustik hat man sich auf den holländischen Spezialisten Martijn Vercammen verlassen, der bereits für seine entsprechenden Planungen für die sanierte und renovierte Staatsoper unter den Linden in Berlin und für den vielgelobten Konzertsaal im ebenfalls sanierten Dresdner Kulturpalast viel Beifall bekommen hat. Viele Konzertsäle habe man besucht, so Trenkler, um die akustischen Eigenschaften und Eigenarten zu vergleichen. Zu den Idealen sei die Wigmore Hall in London zu zählen, auch die von Musikern und Experten vielgerühmte Stadthalle in Wuppertal – beides Bauten aus der vorletzten Jahrhundertwende und somit sehr traditionell ausgerichtet.

Sinfonie aus Holz und Glas, in dem sich die Leuchten spiegeln; Foto: Uwe Kammann

Der neue Kronberger Saal weicht mit seinen geschwungenen Linien schon auf den ersten Blick stark von dieser Grundform ab, lässt sofort an den Korpus eines Streichinstrumentes denken. So dass leicht zu verstehen ist, wenn jetzt mit großer Genugtuung der spontane Ausspruch eines Oboisten nach dem Probekonzert zitiert wird: Es sei so, als ob man „mitten in einer Geige sitzt“ und den Klang dann über einen Rundum-Effekt verstärkt höre.

Raimund Trenkler war es wichtig, wie er jetzt betont, dass der Akustiker Vercammen direkt ihm, dem Bauherren, zugeordnet gewesen sei und nicht dem Architekten; so habe er innerhalb der Planungsgemeinschaft einen starken Rückhalt gehabt. Friedemann Eichhorn ergänzt: „Ein Architekt ist ja kein Musiker“. Was natürlich keineswegs die Rolle von Volker Staab schmälert, der diesen schon auf den ersten Blick so einladenden, so augenschmeichlerischen Saal entworfen hat.

Architekt der Kronberg Academy: der renommierte Volker Staab, Foto: Petra Kammann

Der weist übrigens neben der dominierenden Holzauskleidung auch teilumlaufende, gefaltete Glaswände auf, welche das Innen mit dem Außen verbinden: ein weiteres besonderes Merkmal des Gesamtentwurfs. Ein Entwurf, welcher die Jury speziell auch wegen der städtebaulichen Einbindung in das zum Bahnhof stark abfallende Gelände überzeugt hat. Mit dieser Einbettung des derzeit mit rund 60 Millionen Euro veranschlagten Gesamtkomplexes, zu dem auch Unterrichts-, Übungs- und Vorführräume sowie Büros für die Verwaltung der Akademie gehören, ergibt sich ein insgesamt klug rhythmisiertes Bild, das durch Grünanlagen die Umgebung organisch einbezieht.

Es sei, so erklärt Trenkler es auf Nachfrage von FeuilletonFrankfurt, insofern nicht allein der Saal gewesen, der für das Architekturbüro von Volker Staab gesprochen habe. Wie hoch dessen Entwurfsqualität sei, lasse sich schon daran ablesen, dass die auch im Wettbewerb vertretenen so genannten Stararchitekten wie Jean Nouvel (der die neue Pariser Philharmonie entworfen hat) oder Daniel Libeskind dem Berliner Büro Staab Architekten unterlegen waren. Welch’ hervorragendes Niveau dieses Architekturteam hervorbringt, lässt sich übrigens im hiesigen Raum bereits dreifach besichtigen: bei einem Institutsgebäude auf dem Frankfurter Uni-Campus, beim Umbau des Senckenberg-Museums und zuletzt beim Neubau des Jüdischen Museums, für den Volker Staab gerade mit einem bedeutenden Architekturpreis ausgezeichnet wurde.

Blick in den großen Saal der Elbphilharminie in Hamburg; Foto: Petra Kammann

Noch einmal zurück zur Akustik: Was war die Zielvorstellung bei der Planung? Raimund Trenkler beschreibt es so: Es gehe um ein „reiches Klangbild“, in dem sich „Klarheit und Wärme“ vereinten. Was auch heiße: Ein rein analytisches Klangbild habe vermieden werden sollen. Friedemann Eichhorn ergänzt: Wichtig sei auch, von allen Plätzen aus gleichrangig gut hören zu können. Was Trenkler wiederum von der „perfekten Synthese“ mit Blick auf die „Schnittstelle Ästhetik/Akustik“ schwärmen lässt. Sie manifestiere sich im neuen Kronberger Konzertsaal in der gelungenen Verbindung von „Sichtbeziehungen, Atmosphäre und Akustik“.

Aus den begleitenden Erläuterungen ist indirekt auch herauszuhören: Der neue Konzertsaal der Hamburger Elbphilharmonie gehörte sicher nicht zu den Favoriten der Kronberger bei der Besichtigungstournee. In fast allen Kritiken wird er als extrem analytisch, sogar kalt in seinem Klangbild beschrieben. Ebenso verstärkt die vom Akustiker Yasuhisa Toyota entworfene und berechnete Saalverkleidung aus Tausenden von individuell gefrästen Gipsplatten („weiße Wand“) danach den kühlen Eindruck. Und auch der neue, ganz für Kammermusik ausgelegte Pierre-Boulez-Saal in Berlin scheint vor allem Liebhaber einer expressiven Architektur (hier: von Frank O. Gehry) zu begeistern, während die ovale Sitzanordnung auf zwei Ebenen ein gleichartiges Klangerlebnis kaum zulässt, so zumindest besagen es Einschätzungen.

Wird derzeit renoviert: der S-Bahnhof am Casals Forum; Foto: Uwe Kammann 

Wenn das Auftakt-Festivals vom 24. September bis 3. Oktober für das neue Casals Forum mit seinem sehr vielfältigen Musikangebot (Trenkler: „enorme Bandbreite“) vorüber sein wird, dann werden alle Besucher urteilen können, ob hingegen in Kronberg auch in ihren Augen und Ohren eine ideale Synthese von architektonischer Schönheit und betörendem Klang erreicht worden ist. Auf dem Programmheft steht, neutral auf den Ort anspielend: „Hier haben Sie Musik noch nie gehört.“ Anzunehmen ist – nach allem, was die Besichtigung Ende Mai erahnen lässt –, dass es ebenso gut heißen könnte, ohne jede Übertreibung: ‚So schön haben Sie Musik noch nie gehört“.

Für die Kronberg Academy könnte diese hohe Attraktion allerdings auch zum Problem werden, weil die traditionellen Spielorte nicht aufgegeben werden sollen. Neben dem Forum, das unter der Adresse Beethovenplatz 1 firmieren wird, gibt es also weiter Konzerte in der Burg, der Johanneskirche, der Streitkiche, der Zehntscheune und der Stadthalle: lauter traditionelle Orte, denen man die Treue halten werde, so der Intendant.

Einladung an die Musikliebhaber zum Aufbruch; Foto: Uwe Kammann

Auch dies wird man dem Akademie-Ziel des „Brückenschlags“ zurechnen dürfen, ein Begriff, der laut Friedemann Eichhorn auch für die Trias von Ausbildung, Lehre und Interpretation dieser 1993 gegründeten, inzwischen weltweit geschätzten und gefeierten Einrichtung steht. Wobei neben Aufbruch und Brückenschlag eine weitere Eigenschaft gerade auch die Programmarbeit der Akademie auszeichne. Es gebe keine „eingekauften“ Konzerte, die an anderen Orten konzipiert und realisiert worden seien; sondern alle im Rahmen der Akademie stattfindenden Konzerte seien eben dort entwickelt worden und würden „exklusiv vorgetragen“. (Auf das Programm des Auftaktfestivals, dass auch von einer Geigenbau-Messe in der Stadthalle begleitet wird, kommt FeuilletonFrankfurt in einem Extra-Bericht zurück.)

 

Das Kronberg Festival

zur Eröffnung des Casals Forums

24. September bis 3. Oktober 2022

www.kronbergacademy.de

 

 

 

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