A Midsummer Night’s Dream – Oper von Benjamin Britten im Bockenheimer Depot Frankfurt
Verwirrungen, emotionales Chaos im Zauberwald, ausgelöst durch die Feenwelt
von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt
Ein idealer Ort ist das Bockenheimer Depot für „A Midsummer Night’s Dream“ in der Inszenierung von Brigitte Fassbaender, die am 11. Mai Premiere hatte. Komponist Benjamin Britten (1913-1976) und sein Lebensgefährte, der Tenor Peter Pears (1910-1986), haben William Shakespeares berühmte fünfaktige Komödie „A Midsummer Night’s Dream“ gekürzt. Dennoch ist das nun dreiaktige Opernlibretto dem Werk des genialen Theaterdichters treu geblieben. Es gibt weder ein elisabethanisches noch ein athenisches Gepräge in diesem Opern-„Sommernachtstraum“. Die Feenwelt, angeführt durch Puck, ist oft harsch gegenüber den Menschen, den Liebespaaren, die sich im Wald aufhalten beziehungsweise sich dort verirren. Puck ist ein Maulheld, der selbst von Angst geprägt ist. Über ihm steht Oberon, der Feenkönig, der ihn triezt und gelegentlich demütigt.
vorne v.l.n.r.: Cameron Shahbazi (Oberon), Statist der Oper Frankfurt (Knabe) und Kateryna Kasper (Tytania) sowie im Hintergrund Kinderchor der Oper Frankfurt inklusive Solist*innen (Elfen)
Mit seiner Frau Feenkönigin Tytania liegt Oberon wegen des indischen Knaben, den er haben will, den sie aber als Pagen behalten möchte, im Streit. Aber es geht um mehr. Es ist ein Machtkampf wie im täglichen Leben der Menschen. Oberon sinnt auf Rache. Durch Puck lässt er seiner Frau den Saft einer Zauberblume ins Auge träufeln, der sie in jedwede Kreatur verliebt macht, die sie beim Erwachen erblickt. Es ist ein Monster.
Vier junge Menschen flohen in den Wald, weil ihnen die geplanten Hochzeiten verwehrt wurden. Oberon gibt Puck den Befehl, Demetrius mit diesem Zaubersaft zu bändigen, damit er seine Gefühle für Helena wieder entdeckt. Aber Puck erwischt den Falschen nämlich Lysander. Bösartig verhalten sich nun die jungen Frauen, die jungen Männer kämpfen miteinander. Hass, Eifersucht, Bösartigkeit sind Folge von Pucks Schlamperei.
vorne v.l.n.r.: Danylo Matviienko (Demetrius), Michael Porter (Lysander), Tamara Gura (Hermia) und Monika Buczkowska (Helena) sowie im Hintergrund Cameron Shahbazi (Oberon; sitzend) und liegend Kateryna Kasper (Tytania) mit Barnaby Rea (Bottom)
Eine dritte Gruppe ist im Wald. Es sind sechs Handwerker, die ein Theaterstück proben, das sie dem Herzogspaar Theseus und Hippolyta zur Hochzeit aufführen wollen. Ausgerechnet der großmäulige Star der Truppe, der Weber Bottom, wird von Puck in das Monster verwandelt, das Tytania erblickt. Oberon genießt seine Rache, ist aber auch bestrebt, den Zauber zu beenden.
Das Herzogpaar lässt mehr oder weniger gelangweilt das Spiel der Handwerker über sich ergehen. Ziemlich dünkelhaft sind die Beiden.
v.l.n.r.: Barnaby Rea (Bottom), Theo Lebow (Snout) und Brian Michael Moore (Flute) sowie im Hintergrund Magnús Baldvinsson (Quince)
Alles war nur ein Traum, ein Spuk. Ein fantasievolles Verwirrspiel, wie es ohne Geister in der Realität der Menschen immer wieder passiert und Kriege provozieren kann.
„Seid ihr sicher, dass wir wach sind?
Denn es kommt mir vor,
Wir schlafen noch, wir träumen. Ist es wahr?“ fragt sich Lysander.
Es gibt keinen Wald, sondern helle fahrbare Elemente mit seltsamer Vegetation (Bühne: Christoph Fischer), über die später geklettert und gesprungen wird. Gewöhnungsbedürftig. Genügend Raum fürs Bühnengeschehen lässt das anfangs schräg gestellte Element über das vor allem Feenkönig Oberon mehrmals zelebrierend schreitet.
Achtzehn kleine Feen treten noch während des Vorspiels auf, dessen Glissando-Töne den verzauberten Wald ankündigen.
Frank Albrecht (Puck; mit Besen) und Kinderchor der Oper Frankfurt inklusive Solist*innen (Elfen)
Puck ist eine Sprechrolle, aus der Frank Albrecht eine schauspielerische Glanzrolle macht. Schwedische Kinderakrobaten inspirierten Britten zu seinem beweglichen, mimisch an die Zirkuswelt erinnernden Puck, den Trompete und kleine Trommel kennzeichnen.
Die vier Personenbereiche unterscheiden sich musikalisch deutlich. Tiefe Blasinstrumente bestimmte der Komponist für die rüpelhaften Handwerker, Celesta für den zwiespältigen Oberon, Harfen, Cembalo, Glockenspiel für die Elfen. Achtzehn Feen dieser Inszenierung, gesungen von Mitgliedern des Kinderchors, einstudiert von Alvaro Corral Matute, sind mit Puck ein starkes Geisterteam.
Die Interpretation des relativ klein besetzten Frankfurter Opern- und Museumsorchesters unter Geoffrey Paterson, der erstmals hier dirigiert, hätte pulsierender sein können. Brittens „Sommernachtstraum“ – Oper, die 1960 im englischen Aldeburgh uraufgeführt wurde, ist beeindruckend und hätte mehr Ausdruck vertragen.
Cameron Shahbazi, der persisch-kanadische Countertenor, gibt sein Debüt an der Oper Frankfurt – ein farbenreicher, geschmeidiger Oberon, mit feinem Stimmvolumen. Die ukrainische Sopranistin Kateryna Kasper, seit vielen Jahren Ensemblemitglied, überzeugt als virtuose Tytania.
Beide zieren grandios-schwarze Haarpracht und ausgefallene Kostüme, die Puck und seinen Elfen entsprechen. Anna-Sophie Lienbacher hat sie sich ausgedacht. Keine Geisterpracht – gut so. Beleuchtungsmeister Jan Hartmann setzte alle ins rechte Licht.
Herausragend sowohl in Spiel und Gesang der britische Bass Barnaby Rea als Bottom, aber auch ausgezeichnet Thomas Faulkner als Theseus, Zanda Svede als Hippolyta, Michel Porter als Lysander, Danylo Matviienko als Demetrius, Monika Buczkowska als Helena Magnús Baldvinsson als Quince und die Handwerker außer Barnaby Rea, Brian Michael Moore, Gabriel Rollinson, Theo Lebow, Jonathan Macker.
Stark und spielfreudig mit dabei die amerikanische Mezzosopranistin Tamara Gura als Hermia, Gewinnerin mehrerer Auszeichnungen. Sie singt zum ersten Mal an der Oper Frankfurt. Ein Gewinn.
Brigitte Fassbaender, bis 1995 eine international gefeierte Mezzosopranistin, ist heute als Regisseurin in vielen Operhäusern aktiv. In Frankfurt begeisterte sie mit „Ariadne auf Naxos“ und „Capriccio“. Diese Strauss Oper wird in der kommenden Spielzeit wieder aufgeführt. Auch im „Sommernachtstraum“ von Benjamin Britten sprüht Brigitte Fassbaender von einfallsreichen Ideen. Die Personenführung ist ausgefeilt. „Emotionales Chaos ist angesagt, und das albtraumhafte Geschehen hinterlässt Nachdenklichkeit, Einsichten und Fragezeichen.“
Das Publikum bedankte sich mit viel Beifall für den witzigen, aber auch nachdenklichen Abend.
Weitere Aufführungen am 18., 20., 23. und 25. Mai.