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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Renate von Köller – Präsidentin 2020 – 2022 des ZC Frankfurt II Rhein-Main

„Wir machen Politik für die Frau!“ – Resümee einer komplizierten Amtszeit

von Petra Kammann

Zum 3. Mal wurde die 69 Jahre alte Renate von Köller zur Präsidentin des Zonta Clubs Frankfurt II Rhein-Main gewählt. Ihre Amtszeit, die Ende Mai ausklingt – ihre Nachfolgerin wird Ursula Brüggemann sein – war geprägt von mehr als zwei Jahren Pandemie und nun auch noch durch den Krieg in der Ukraine. Ihr unerschütterlicher Optimismus, ihr Charme und ihr gutes Vernetztsein aber zeichnen die mit Karsten von Köller verheiratete und bestens organisierte Familien-Managerin und Mutter zweier Söhne und einer Tochter sowie Großmutter dreier Enkelkinder Renate von Köller aus. Nicht nur das. Die Volljuristin ist prädestiniert für eine ehrenamtliche internationale Tätigkeit, denn sie spricht auch fließend Englisch und Französisch. Und so meisterte sie auch die kritische Phase der vergangenen beiden Jahre und konnte trotz vieler Einschränkungen etwas bewegen.

Zonta-Präsidentin Renate von Köller; Foto: Petra Kammann

Mag sein, dass ihr Engagement ein wenig durch ihre schon international angelegte Biographie mitbestimmt war. Von ihrem 5. bis zum 13. Lebensjahr wuchs Renate von Köller nämlich in Paris auf, wo ihr Vater bei der NATO arbeitete. Das ermöglichte dem Kind eine Ausbildung an dem 20 Kilometer westlich von Paris gelegenen Lycée International de Saint-Germain-en-Laye, wo ihr in internationaler Lernumgebung eine anspruchsvolle bi-kulturelle Schulbildung vermittelt wurde. Ihre Schwester lebt heute noch da. Kein Wunder also, dass immer noch Bildung ein erstrebenswertes Ziel für Frauen auf der ganzen Welt für Renate von Köller darstellt! Sie selbst war immer und ist es bis heute wissbegierig und neugierig auf andere Länder, deren Sitten und Gebräuche. Und sie hat einen ausgeprägten Familien- und Gerechtigkeitssinn.

So ist es für sie immer mit Glücksgefühlen verbunden, wenn sie ihren Sohn und dessen Familie, der nach 10 Jahren New York inzwischen in Denver lebt, dort treffen kann. Dabei fühlt sie sich auch gleichzeitig einer Studentengeneration der frühen Siebziger Jahre verbunden, die sie als politisch engagiert erlebt hat. Damals setzte man sich für Menschenrechte, Anti-Kriegs-Bewegungen, für die Gleichberechtigung auf verschiedenen Gebieten und vor allem auch für die Gleichberechtigung  der Frau ein. So studierte die junge engagierte Renate in Frankfurt, Würzburg and Freiburg Jura und absolvierte ihr Staatsexamen in Frankfurt, bevor sie als Gerichts-Reporterin zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung ging. Doch rückte für sie erst zunächst einmal das Familienleben in den Vordergrund. 

Sie selbst war sehr behütet aufgewachsen, zunächst in Frankreich, später dann auch in Bad Homburg, als die Familie wieder nach Deutschland zurückgekehrt war. Als sie selbst Nachwuchs hatte, war es ihr wichtig, dass ihre eigenen Kinder auf „ganz normale“ Frankfurter Schulen mit Kindern aus verschiedenen Ländern und ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft gingen. Die wiederum vermittelten ihr durch ihre Freunde ein anderes Stück Realität, dass es zum Beispiel – auch in unserer Gesellschaft – keineswegs selbstverständlich ist, wenn Kinder, insbesondere Mädchen frei und offen erzogen werden.

Im Falle von Jasmin, einer aus Jordanien stammenden Kindergartenfreundin ihrer 4-jährigen Tochter, musste erst einmal der Vater in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden, damit die Kinder zusammen spielen durften. Zunehmend wurde ihr die Ungerechtigkeit Frauen gegenüber klar, die ihrer Meinung nach nur durch Bildung überwunden werden könne. Erst später, als Zonta eine Veranstaltung mit dem Familienministerium zum Thema „Gefangenschaft in der Familie“  machte, wurde ihr rückwirkend bewusst, dass tatsächlich Jasmins Mutter selbst in Deutschland nie das Haus verlassen durfte. Ein Fall von Advocacy!

Renate von Köllers  Kinder wurden größer und 2004 war es dann soweit und sie trat, animiert durch eine Freundin, dem ZONTA-Club Frankfurt RheinMain II bei, um dort auch ihr Engagement und ihre eigenen Erfahrungen einzubringen, weil  das Programm sie überzeugte, dass nämlich die Mitgliedschaft bei den Zontians Begegnungen und Freundschaft bedeutet und die Mitarbeit bei ihnen dazu beitragen kann, dass man Teil entsprechender Netzwerke wird: Überzeugend war für sie auch, dass die Zontians überkonfessionell und überparteilich sind, keinesfalls deswegen aber unpolitisch. So lautet auch ihr Wahlspruch bis heute: „Wir machen Politik für die Frau!“

Besonders habe sie die Begegnung mit Waris Dirie, Autorin der „Wüstenblume“, der wahren Geschichte eines somalischen Mädchens wachgerüttelt, das als Kind durch die Hölle ging und später als internationales Top-Model Karriere machte. Ein Alptraum! Waris Dirie wurde im Alter von fünf Jahren Opfer eines grausamen Beschneidungsrituals. Mit 13 floh sie vor der Zwangsverheiratung mit einem alten Mann. Ihre Geschichte  wurde erfolgreich verfilmt. Heute kämpft Waris Dirie nach wie vor mit ihrer Desert Flower Foundation für die Rechte der afrikanischen Frauen, vor allem gegen die Genitalverstümmelung, der heute immer noch täglich 600 Mädchen zum Opfer fallen. Unfassbar für Renate von Köller war es, die auf einer Zonta-Veranstaltung erfuhr, dass dieses Ritual noch heute auch bei uns in Deutschland ausgeübt wird. Das empörte sie zutiefst und setzte sich daher für die Aktion „Zonta says no“ ein, dafür, dass mit der Gewalt gegen Frauen Schluss sein muss.

Susanne von Bassewitz, die erste deutsche Präsidentin von Zonta-International, und Renate von Köller 2019 vor dem Kaisersaal im Römer; Foto: Petra Kammann

Schon drei Jahre nach ihrem Eintritt in den Club wurde sie von 2007-2008 zur Vizepräsidentin gewählt, von 2008 bis 2010 dann zur Präsidentin. Dieses Amt nahm sie erneut von 2012-2014 wahr. Nach diesem Biennium war sie dann auch für die Organisation der Zonta International-Festivitäten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums verantwortlich und federführend. Die global agierende NGO berufstätiger Frauen Zonta International wurde nämlich am 8. November 1919 in Buffalo, New York, gegründet. Immerhin war das Frauennetzwerk Zonta 1919 in den USA als eine der ersten weiblichen Service-Organisationen der Welt gegründet worden und ist heute in 63 Ländern über 1.200 Clubs mit rund 29.000 Mitgliedern unterschiedlicher Berufe präsent. So sorgte Renate von Köller etwa dafür, dass die erste deutsche ZONTA-Präsidentin Susanne von Bassewitz 2019 aus Anlass des Jubiläums im Kaisersaal des Frankfurter Römers ihre Festrede halten durfte. 

Inzwischen ist sie im Team EIDS (European Interdistrict Seminar), wo sie sich mit dem Thema „women in finance“ beschäftigt. Ein entsprechendes Seminar, das eigentlich schon 2020 in der Bankenmetropole Frankfurt hätte stattfinden sollen, wurde coronabedingt bereits zweimal verschoben. Nach einem neuen Anlauf wird es nun voraussichtlich Ende April 2023 realisiert werden. Das Thema ist auf jeden Fall gesetzt.

Ja, die Pandemie war schon eine ganz spezielle Herausforderung! Das bedeutete auch einen Mitgliederschwund von 5 wichtigen Personen. In dieser schwierigen Zeit haben sich aber immerhin inzwischen 11 Clubs in Frankfurt und Umgebung zum Zonta Netzwerk RheinMain zusammengeschlossen. Trotzdem ist es Renate von Köller in dieser Zeit der physischen Abwesenheit mit „nachdrücklichem Charme“ gelungen, 10 neue Mitglieder aufzunehmen. Und trotz der komplizierten und ständig sich ändernden Hygienebestimmungen konnten einige Führungen in Ateliers und Ausstellungen wahrgenommen werden, u.a. ein spannender Atelierbesuch bei der Frankfurter Stahlbildhauerin Nele, die in diesen Tagen übrigens 90 Jahre alt wurde und derzeit eine Ausstellung in der renommierten Darmstädter Galerie Netuschil hat.

Atelierbesuch bei Nele im Oktober 2021: Begrüßung durch die Zonta-Präsidentin Renate von Koeller (links) und Einführung in Nele Arbeitsweise von FeuilletonFrankfurt-Herausgeberin Petra Kammann (rechts), Foto: Gözde Ju

Es wurden Preise und Stipendien vergeben wie zum Beispiel die 7. Verleihung des Kunst-Förderpreises „Zonta Art Contemporary“ (abgekürzt „ZAC“) des Zonta Clubs Frankfurt II Rhein-Main im Museum Moderne Kunst (MMK) an Viviana Abelson, ebenso an Stipendiatinnen der Goethe-Universität und der Hochschule für Gestaltung Offenbach oder des JMK Scholarship. Übrigens erhielt in von Köllers Amtszeit 2012 die Frankfurter Künstlerin Anne Imhof den Kunstpreis „ZAC – Zonta Art Contemporary“, die wenige Jahre später auf der Kunstbiennale in Venedig für die Gestaltung des deutschen Pavillons und ihre fünfstündige Performance „Faust“ den „Goldenen Löwen gewann. Ein Beispiel für die professionelle Arbeit der Jury.

Verleihung des ZAC-Preises im MMK an Viviana Abelson, v.r.n.l.: Ursula Brüggemann, Viviana Abelson, Elisabeth Haindl, Susanne Pfeffer, Silke Schuster-Müller

Da die Pandemie Live-Veranstaltungen in den meisten Fällen unmöglich gemacht hatte, gab es Anfang des Jahres 2021 eine Zoom-Konferenz bzw. ein Gespräch über Anne Weber, einer in Frankreich lebenden und französisch schreibenden deutschen Autorin. Sie war mit ihrem Roman „Annette, ein Heldinnenepos“ gerade Deutsche Buchpreisträgerin des Jahres 2020 geworden. Die Geschichte der 98-jährigen Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir wurde inzwischen Stoff für deutsche Bühnen. Hier hatte die Feuilleton-Chefin der FAZ Sandra Kegel zu ihrem ausgezeichneten Buch Stellung in einem Zonta-Zoom-Meeting bezogen.

Preisträgerin des Deutschen Buchpreises 2020: Anne Weber für ihren Roman „Heldinnenepos“; Foto: Petra Kammann

Literatur ist grundsätzlich immer auch ein Thema für die Zontians. So fand etwa in Kooperation mit dem Mädchenbüro Milena eine Veranstaltung mit der Frankfurter Autorin Eva Demski und der Harfenistin Samira Memarzadeh und Lothar Ruske, dem Organisator „Frankfurt liest ein Buch e.V“ im Ratskeller des Römers statt. Dabei ging es um Demskis Roman „Scheintod“, der in Frankfurt spielt, außerdem auch um „Neue Gartengeschichten“, welche die Autorin Eva Demski gerade geschrieben hatte.

Die Frankfurter Autorin Eva Demski; Foto: Frankfurt liest ein Buch

Daneben sind immer wieder Menschenrechtsverletzungen für Renate von Köller ein wichtiges Thema, vor allem am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Für diesen Tag wurde ein Bündnis von mehr als 25 Frankfurter Organisationen, Institutionen und Parteien auf die Beine gestellt. Das Bündnis Frankfurt für Frauenrechte hatte zu einer Beteiligung an einer Menschenkette unter dem Stichwort „Orange the world“ am südlichen Mainufer aufgerufen. Bereits seit 2012 bildet ‚Zonta Says NO‘ das globale Dach von Zonta International für die ‚Orange The World‘ – Aktivitäten zusammen mit weltweit 1.100 Zonta Clubs in 63 Ländern, darunter allein in Deutschland 136 Zonta-Clubs mit rund 4.000 Frauen.

25. November 2020 :“Zonta says no“. Orangefarbene Menschenkette am Mainufer mit Renate von Köller (mit der Tafel) ; Foto: Petra Kammann

In Frankfurt bildeten sie gemeinsam eine eindrucksvolle Menschenkette für Menschenrechte, um ein Zeichen am Main „gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ zu setzen. „Gerade in der Pandemie, die die Gewaltbedrohung für viele Frauen* und Mädchen* noch erhöht, wollen wir nicht still und untätig bleiben. Mit der Menschenkette wollen wir ein starkes Zeichen der Solidarität mit Betroffenen und für die Durchsetzung der fundamentalen Rechte von Frauen* und Mädchen* setzen,“ so Ursula auf der Heide von Frankfurt für Frauenrechte. Weltweit und auch in Frankfurt sind „geschlechtsspezifische Gewalterfahrungen sowie häusliche Gewalt für Frauen und Mädchen Alltag, in jeder sozialen Schicht und jeder Ethnie“, hieß es da.

Anita Djafari (rechts) hier mit der Autorin Ursula Krechel; Foto: Petra Kammann

Role Models 

Natürlich ist es auch immer wieder ein Bedürfnis, vorbildhafte herausragende Frauen im Club vorzustellen. So wurde Anita Djafari, Bücherfrau des Jahres 2016, Übersetzerin und bis vor kurzem die langjährige Geschäftsführerin von Litprom – Gesellschaft  zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e. V. sowie Chefredakteurin der Zeitschrift „LiteraturNachrichten Afrika-Asien-Lateinamerika“, zum Vortrag eingeladen. Sie gab Auskunft über Frauenliteratur in diesen Ländern, in deren Literatur die entscheidenden Fragen nach der Frauenrolle aufgeworfen werden.

Ebenfalls aus der Buchbranche, die sehr von weiblichen Mitarbeiterinnen getragen wird, kam die Vorsteherin des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel, die Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs, zum traditionellen Zonta-Treffpunkt in der „Villa Leonard“. Sie ist übrigens erst die zweite Frau, die das Amt der Vorsteherin in einem mehr als 200 Jahre alten Verband von Verlegern und Buchhändlern tatkräftig und mit vielen innovativen Ideen souverän ausübt.

Börsenvereinsvorsteherin und Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs, Foto: Petra Kammann

Und kürzlich wurde noch eine Zoom-Veranstaltung mit Prof. Dr. Beate Rudolf, der Leiterin des Instituts für Menschenrechte, in Berlin organisiert, und zwar zum Thema: „10 Jahre Istanbul Convention“. Zweifellos ein Fall von „Advocacy“ in der sich üblicherweise auf Englisch austauschenden Community. Die Istanbul Convention richtet sich sowohl gegen Gewalt an Frauen als auch gegen häusliche Gewalt oder die Anti-Trafficking Convention gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution – immerhin sowohl Meilensteine im Kampf gegen gravierende Verletzungen der Menschenrechte als auch in Sache „Bekämpfung von Straffreiheit“. 

Zwar biete die Istanbul-Konvention einen gesetzlichen Rahmen für den Umgang und die Bekämpfung häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Frauen, doch ohne eine praktische Umsetzung bringe keine Theorie alleine etwas. Die konkreten Forderungen des Übereinkommens sehen z.B. die Einrichtung von Vermittlungsstellen für Betroffene von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt vor oder die angemessene Anzahl von Frauenhäusern. Da gibt es für die Zivilgesellschaft noch eine Menge zu tun… 

Dass die Zontians in Landes- und Bundes-Frauenräten vertreten sind, versteht sich fast von selbst. Weniger jedoch als die Tatsache, dass Zonta International im Europa Frauenrat UNwomen bei den United Nations (UN) initiiert hat; das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Und fast alles , was Renate von Köller mit großer Selbstverständlich anpackt und zum Gelingen bringt, klingt bei ihr ganz lapidar. Doch wenn man ihr diese positive Bilanz entlocken will, ist sie schon längst beim nächsten zu bearbeitenden Thema…

 

P.S. Die nächste 65. Internationale Convention findet vom 25. bis 28. Juni 2022 in Hamburg mit dem Thema „Create the difference. Meet the future“ statt, wo sich nach Susanne von Bassewitz die zweite Präsidentin von Zonta International Uta Scholz präsentieren wird.

Und natürlich beteiligen sich die Zontians an der Unterstützung ukrainischer Frauen und Kinder, erstellen Listen mit Wohnungsmöglichkeiten, rufen zu Hilfsspenden auf und unterstützen die in der Ukraine bestehenden Zontaclubs wie den in Lemberg und Uzhgorod mit Spenden. 

zonta.org

zonta-union.de/

 

 

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