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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Swan Lakes von Gauthier Dance oder was man aus „Schwanensee“ alles machen kann

Eric Gauthier, Leiter der gleichnamigen Tanzkompanie am Stuttgarter Theaterhaus, zeigt Schwanensee im Schauspiel Köln. Doch es ist nicht Tschaikowskis Ballett in der Version von Marius Petipa, die Sage von der in einen Schwan verzauberten Prinzessin Odette, wie sie die großen Ballettkompanien tanzen. Tanz. köln hatte ins Kölner Schauspielhaus eingeladen. Gauthier wiederum hatte vier Choreografen, Cayetano Soto, Marie Chouinard, Marco Goecke und Hofesh Shechter eingeladen, ihre Version des Ballettklassikers zu zeigen: Swan Lakes (im Plural). Ein Beitrag von Simone Hamm

Swan Lakes. Eine Produktion von Theaterhaus Stuttgart, Mit Uraufführungen von Marie Chouinard, Marco Goecke, Hofesh Shechter, Cayetano Soto, Künstlerischer Leiter: Eric Gauthier, Foto: Jeanette Bak

Caetano Sotos Schwäne sind düstere Gestalten. Marie Chouichirard Schwäne sind Frauen, die aufbegehren. Marco Goekes Schwäne flattern unruhig auf und ab. Hofesh Shechter ist wie immer in Feierlaune. Seine Schwäne bringen gute Stimmung.

Cayetano Soto hat in „Untitled for 7 Dancers“ die Verwandlung eines Menschen in ein Tier, eine Frau in einen Schwan in den Fokus gerückt. Im Hintergrund laufen auf einer digitalen Uhr zwanzig Minuten ab. Zwanzig Minuten dauert bei Soto die Verwandlung, die im Originalballett gar nicht zu sehen ist. Zur Techno Musik von Peter Gregson tanzen die Tänzer und Tänzerinnen in dünnen, durchsichtigen Catsuits. Sie tanzen allein. Auch wenn sie sich begegnen, bleibt da Einsamkeit.


Die düstere Variante von Schwanensee; Foto: Janette Bak

Odette in Tschaikowskis Ballett leidet und opfert sich auf. Die Schwäne der kanadischen Choreografin Marie Chouinard sind starke Frauen, die sich wehren. Männer kommen in Chouinards Ballett nicht vor. In „Le Chat du Cyne: le lac. Schwanengesang: der See“ bewegen sich die Tänzerinnen vor einem lodernden Videofeuer.

Ein Text des chilenischen Performance Kollektivs Lasteis ist zu hören: ein zorniger Schrei gegen das Patriarchat, gegen die Richter, die die Femiszide verniedlichen, die Mörder freisprechen, gegen Polizisten, die oft eher Bedrohung als Hilfe sind.  Chilenische Frauen skandieren: „Der Vergewaltiger bist Du!“ Die Tänzerinnen tragen nur einen Spitzenschuh. Das gibt ihnen etwas Verletztes, Verletzliches. In anderen Balletten hat Chouinard sie schon an Krücken tanzen lassen. An diesem Abend wachsen sie über ihre Behinderungen hinaus, werden stolz. Sie sind furios.

Doch Marie Chouinard Frauen sind nicht nur stark, sie haben auch Witz. Ihr rosafarbenes Tütü steht weit ab, wenn sie am Boden liegen, strecken sie selbstbewusst ihren Po in die Luft. Den zweiten Ballettschuh, den, jenen sie nicht am Fuß haben, haben sie sich über die Hand gestülpt. Sie strecken die Hände hoch in die Luft. Der Ballettschuh wird zum Schnabel, die Tänzerinnen unter den blonden Perücken werden zu Schwänen. Und so bewegen sie sich, gekonnt: wie Schwäne. Das ist ungeheuer eindrucksvoll.

Keine klassischen Tütüs, Künstlerische Koordination Kostüme: Gudrun Schretzmeier, Foto: ; Foto: Janette Bak

Jahrelang hat Marco Goecke eine Feder aus einem Schwanensee Ballett in seinem Portemonnaie getragen, Shara Nur, gelber See, hat er sein Ballett genannt. Das ist ein See in der auf einer Insel im Balkaisee. Goecke wollte, in einer Welt, in der alles vermessen ist, einen See finden, den niemand kennt. Wer in den Shara Nur eintaucht, kommt fluoriszierend rosa wieder heraus. Waren bei Chouinard noch Frauen in ihrer straken Weiblichkeit zu sehen, verschwinden bei Goecke die äußerlichen Geschlechtsunterschiede: bei Goecke tragen Männer und Frauen dieselben Kostüme, schwarze Hosen und – in Anklang an den See – rosa Hemden.

Zu melancholischen Songs von Björk und Jesse Callaert, der den Gesang von Goecke aufnahm und verfremdete, geben die Schwäne sich düster. Goecke hat in seinen Choreografien eine ganz eigene unverwechselbare Sprache gefunden. Seine Schwäne flattern, zittern, sind einfach nicht greifbar. Die berührende Szene in dieser stärksten Choreografie des Abends war die, in der sich ein Schwan und eine Schwänin zart berührten, die Hände in den Schritt des jeweils anders legten. Da hörte das nervöse Zucken auf. Liebe und Eros brachten Ruhe.

Der Abend endet mit einem Gute-Laune-Ballett von Hofesh Shechter zum Mitklatschen für die Zuschauer: Swan Cake. Zu lauter Musik, mit E-Gitarren und Trommeln, die Shechter selbst komponiert hat, feiern die Tänzer eine Fete, vielleicht den Geburtstag des Prinzen, der sich in die verzauberte Prinzessin verliebt. Die Schwäne sind ein bunter Vogelschwarm. Die miteinander verwobenen Tänzer bewegen sich voneinander fort, um wieder ein buntes Knäuel zu werden. Nach Düsternis, nach Frauenkampf, nach Verlorensein zeigte Hofesh Schächter Hoffnung. Ein guter Abschluß für einen Tanzabend in diesen Zeiten.

https://www.schauspiel.koeln/

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