Filmfestival goEast in Wiesbaden
Von Renate Feyerbacher
Endlich ist es wieder soweit. Nun endlich können alle wieder im Kino zusammenkommen. Zum 22. Mal kann das vom Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt (DFF) veranstaltete goEast Filmfestival ohne Corona-Einschränkungen wieder live stattfinden, während es in den letzten beiden Jahren ein Online-Festival gab und im vergangenen Jahr nur anwesende Jurymitglieder live dabei sein konnten. Das mittel- und osteuropäische Filmereignis geht vom 19. April bis zum 25. April 2022. Die Besucher:innen können sich auf 15 Deutschlandpremieren, eine internationale Premiere und fünf Weltpremieren freuen sowie auf drei filmhistorische Sektionen, Vorträge, Filmgespräche und ein neues Begleitprogramm, das unter dem Titel „Cinema Archipelago“ neue Rezeptionsräume für das Kino und audiovisuelle Kunstformen eröffnet
Ankündigung des mittel- und osteuropäischen Film-Festivals; ©goEast
„Unser Publikum, die Jurys und die Filmemacher – goEast ist eine lebendige Gemeinschaft, die von dynamischen Gesprächen und Interaktion lebt, in diesem Jahr freuen wir uns besonders, mit Natalia Libet ein ukrainisches Jurymitglied begrüßen zu können. Die ukrainische Produzentin musste kriegsbedingt ihren Wohnort Kyjiw verlassen und lebt derzeit in Lwiw. Es ist sehr berührend für mich, dass sie trotz des Krieges in ihrem Heimatland zu unserer Jury gehören wird.“, sagte Ellen M. Harrington, Direktorin des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums – DFF in Frankfurt.
Die ukrainische Produzentin Natalia Libet, Foto:©goEast
Bereits im Vorfeld der 22. Veranstaltung war lange diskutiert worden, wie mit der Boykottforderung der ukrainischen Filmemacher:innen in der aktuellen Kriegssituation, russische Filmschaffende auszuladen, umgegangen werden soll. .
Für den 23. April um 18 Uhr hat Heleen Gerritsen, die seit 2017 das goEast-Festival leitet, zur Diskussion in die Caligari FilmBühne nach Wiesbaden eingeladen. Bereits entschieden wurde, dass drei russische Filme, die staatlich gefördert wurden, nicht gezeigt werden.
Es sind die Filme HAUSARREST (Delo, Russland/ Deutschland/ Kanada 2021) von Alexei German Jr. und DONAU (Dunay, Russland 2021) von Lyubov Mulmenko wurden von den Filmschaffenden zurückgezogen. Regisseurin Ekaterina Selenkina nahm ihren Film UMWEGE (Obkhodniye puti, Russland 2021) aus dem Programm. Stellungnahmen der russischen Filmemacher:innen sind auf der goEast-Website nachzulesen. Die zurückgezogenen Filme werden auch nicht ersetzt. In Kriegszeiten sind Lücken im Programm durchaus angemessen. Auch THIS RAIN WILL NEVER STOP von Alina Gorlova wird nicht beim Festival zu sehen sein.
Stattdessen zeigt goEast in der Matinee am Sonntag, 24. April, in der Caligari FilmBühne in Gedenken an den am 2. April 2022 in Mariupol von russischen Soldaten getöteten litauischen Filmemacher Mantas Kvedaravicius (1976-2022) dessen im Jahr 2016 entstandenen Film MARIUPOLIS (Litauen/ Deutschland/ Frankreich/ Ukraine). KvedaraviÄius nähert sich in seinem Dokumentarfilm den Menschen der Stadt an, die versuchen, ein normales Leben zu führen – inmitten von Granateneinschlägen und Krieg.
Der diesjährige Wettbewerb, das Herzstück des Festivals, präsentiert daher nur insgesamt 14 Filme. Die Höhepunkte werden mit insgesamt 21.500 Euro belohnt. Im Einzelnen sind das die mit 10.000 Euro dotierte „Goldene Lilie“, der mit 7.500 Euro dotierte Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden und der neu ausgelobte und mit 4.000 Euro dotierte CEEOL-Preis für den besten Dokumentarfilm. Darüber hinaus vergibt die Internationale Filmkritik FIPRESCI mit einer eigenen Jury zwei Preise.
Knapp 200 Gäste aus der Filmbranche Mittel- und Osteuropas werden zum Festival in Wiesbaden erwartet. Eine besondere Ehre ist der Besuch der 93-jährigen georgischen Regisseurin Lana Gogoberidze, welcher die diesjährige Hommage gewidmet ist. Sie reist mit Tochter und Filmemacherin Salomé Alexi zur weltweit ersten Retrospektive ihrer Arbeiten an und wird sowohl bei Filmgesprächen als auch in einem Werkstattgespräch über ihre 60 Jahre umspannende Schaffenszeit reden.
Den Juryvorsitz der goEast-Jury hat in der 22. Festivalausgabe die serbische Schauspielerin Jasna Duricic, die im bosnischen Kriegsdrama QUO VADIS, AIDA? unter der Regie von Jasmila Zbanic in der Hauptrolle beeindruckte und für ihre Rolle mehrfach ausgezeichnet wurde. Mitglied der Jury ist außerdem die ukrainische Produzentin Natalia Libet. Sie ist bei ESSE Production House and Digital Religion in Kyjiw tätig; ihre Produktionen wurden auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Darunter ANNA, der 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Best Shorts Award ausgezeichnet wurde, und STOP-ZEMLIA, der 2021 bei der Berlinale den Gläsernen Bären für den besten Jugendfilm gewann. Die georgische Regisseurin Salomé Jashi, ein weiteres Jurymitglied, war mit ihren Dokumentarfilmen neben vielen anderen internationalen Festivals auch schon im goEast-Wettbewerb vertreten. Zuletzt lief ihr Film TAMING THE GARDEN in den deutschen Kinos.
Zur Jury gehören darüber hinaus der polnische Journalist, Filmschaffende und Kurator Kornel Miglus und der belarussische Regisseur Aliaksei Paluyan. Miglus ist Filmbeauftragter des Polnischen Instituts in Berlin und leitet seit 2005 das ebenfalls in Berlin ansässige Filmfestival filmPOLSKA. Paluyan studierte in Deutschland und drehte mehrere fiktionale und dokumentarische Kurzfilme. Mit LAKE OF HAPPINESS war er 2020 für den Europäischen Filmpreis nominiert. Sein Dokumentarfilm COURAGE hatte seine Premiere bei der Berlinale 2021 und wurde weltweit auf Festivals gezeigt. Darin porträtiert Paluyan ein zivilgesellschaftlich engagiertes Theaterkollektiv in Belarus, das sich gegen das Regime von Herrscher Lukaschenko auflehnt.
Die Aufzählung der Filmemacher:innen und ihrer Werke zeigt die hohe Qualität des goEast-Festivals. Darunter finden sich illustre Namen der Filmbranche, über die viel zu wenig bekannt ist.
Das komplette Programm steht online unter: www.filmfestival-goeast.de