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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Fedora“ Melodramma von Umberto Giordano an der Oper Frankfurt

Ein spektakulärer Opern-Krimi

 von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt / Renate Feyerbacher 

Am 3. April wurde „Fedora“ zum ersten Mal in Frankfurt aufgeführt. Es ist eine Übernahme der Produktion der Königlichen Oper Stockholm von Dezember 2016, in der Christof Loy seine unverwechselbaren stringenten Regie-Ideen ausführte. Begeisterung beim Publikum für das gesamte Produktions-Team und frenetischer Beifall für Sängerinnen und Sänger.

Der französische Dramatiker, Mitglied der Académie francaise, Victorien Sardou (1831-1908,) schrieb das Theaterstück „Fedora“, das mit der großen Schauspielerin Sarah Bernhardt als Titelheldin in Paris uraufgeführt worden war. Der 18jährige Umberto Giordano, der am Konservatorium in Neapel studierte, sah Sarah Bernhardt bei einem Gastspiel in Neapel und war fasziniert von dem mitreißenden Geschehen.

Umberto Giordano (1867-1948) bat den Schriftsteller Sardou später um Erlaubnis, das Stück vertonen zu dürfen. Aber Sardou lehnte ab, denn der Komponist war unbekannt. 1893 trat Giordano erneut mit Unterstützung seines Verlegers nach den Uraufführungen seiner Opern  „Mala vita“ und „Regina Diaz“ an Sardou heran und diesmal gab der Schriftsteller seine Zusage, verlangte aber ungeheure Tantiemen. Giordano, der zwischenzeitlich die Schauspielerin Eleonora Duse in der Rolle gesehen hatte, wurde erneut bestärkt, bei Sardou vorstellig zu werden. „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Was für ein Opernstoff! Wenn mir den niemand wegschnappt, werde ich ihn vertonen“. (1885 Zitat Programmheft der Oper Frankfurt)

Beim erneuten Versuch half auch, dass er 1896 mit seiner Oper „Andrea Chénier“ an der Mailänder Scala sensationellen Erfolg hatte. Ein Jahr später gab Sardou unter akzeptablen Bedingungen sein Okay. Arturo Colautti, Journalist, Lyriker und Romancier, schrieb Fedora zu einem spannenden Libretto um. Zwölf Jahre arbeitete Giordano an der Oper, die eine außergewöhnlich-einheitliche Schöpfung von Text und Musik wurde.

Beide Tragödinnen Bernhardt und Duse hatten auch Sardous Theaterstück „La Tosca“ im Repertoire. Es wurde zum Libretto umgeschrieben und von Giacomo Puccini vertont. „Tosca“ gehört zu den fünf weltweit am häufigsten gespielten Opern.

Dominic Betz (Basilio), Jonathan Tetelman (Loris Ipanow), Nadja Stefanoff (Fedora), Nicholas Brownlee (De Siriex) und Bianca Tognocchi (Olga Sukarew) sowie im Hintergrund Ensemble, Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Umberto Giordano ist ein Vertreter der veristischen Oper (Verismo = Realität), die sich Ende des 19. Jahrhunderts in Italien durchsetzte. Die realistische Handlung ist im 1. Akt durch raschen Wechsel von Rede und Gegenrede gekennzeichnet. In Fedora sind es hochgestellte Persönlichkeiten, keine Figuren aus dem niederen sozialen Milieu.

Ort des Geschehens: St.Petersburg im Winter -1.Akt – tiefe russische Klangfarbe

Fürstin Fedora Romazow ist mit Wladimiro, dem Sohn des russischen Polizeichefs verlobt und erwartet ihn. Er wird in den Salon seines Hauses, zu dem sie fuhr, weil er am Vorabend zu ihrer Hochzeit nicht erschienen war, schwerverletzt hereingetragen und stirbt. Sie ahnt nicht, dass er sie nur wegen ihres Geldes heiraten wollte und sie außerdem mit einer anderen betrog. Das erfährt sie erst viel später. Ein politisches Motiv wird ins Spiel gebracht. Sie will Rache und nimmt die Verfolgung und Bestrafung des Täters selbst in die Hand, da sie die Unterstützung durch den Kommissar nicht für effektiv genug hält. Hinweise der Diener deuten auf Graf Loris Ipanow als Täter hin. Er konnte fliehen.

Ort des Geschehens: Paris im Februar -2. Akt – lockere Klangfarbe

Fedora und ihre Kusine Olga, halten sich in Paris auf, denn Graf Loris Ipanow ist nach hier geflohen. Olga gibt sich dem Feierrausch hin, Fedora spielt dagegen nur die lebenslustige russische Aristokratin. In dieses Salonleben lädt sie auch Loris ein, der von ihr fasziniert ist. Er weiß nichts von ihrer Liäson mit Wladimiro. Fedora umgarnt ihn mit ihrer Verliebtheit, um ihm ein Geständnis zu entlocken. Er gesteht den Mord, will aber nach dem Fest, dass durch die Botschaft von einem Attentat auf den Zaren in Moskau, abrupt endet, über sein Motiv reden. Er sei kein Anarchist, sondern habe aus privaten Gründen gehandelt. Er könne beweisen, dass Wladimiro ein Verhältnis mit seiner Frau Wanda gehabt habe. Er habe sie bei einem Liebestreffen überrascht und Wladimiro im Affekt getötet. Die Beiden kommen sich immer näher, aber Fedora verschweigt dennoch ihre wahre Identität. Das Signal der Polizei, um Loris auszuliefern, missachtet sie und verbringt mit Loris die Nacht.

Ort des Geschehens: Schweiz im Sommer – 3. Akt – Schweizer Motive

Es sind glückliche Wochen, die Fedora und Loris in einem Schweizer Dorf verbringen. Im Schlepptau Olga, die von ihrem Pianisten-Freund, der in Wirklichkeit ein Spion ist, verlassen wurde. Fedora erfährt vom ehemaligen Diplomaten Giovanni De Siriex, der ihr Vertrauter ist, dass aufgrund ihres Briefes an die Polizei der Bruder von Loris verhaftet wurde und in einem Gefängnis, das vom Fluss Newa überschwemmt wurde, ertrunken ist und seine Mutter bei der Nachricht an einem Schlaganfall verstarb.

Aus Briefen eines russischen Freundes erfährt Loris davon. Eine russische Spionin, so schreibt der Freund, habe ihn und den Bruder als Anarchisten beschuldigt. Loris muss erkennen, dass Fedora diese Spionin ist und ihre Liebe zu ihm nur geheuchelt war. Obwohl sie ihre Liebe beteuert, muss sie begreifen, dass sie ihr Leben verspielt hat. Sie nimmt Gift.


Jonathan Tetelman (Loris Ipanow) und Nadja Stefanoff (Fedora), Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Beeindruckend wie der Komponist das Geschehen in verschiedenen Klangfarben umsetzt, und Jonathan Tetelman (Loris Ipanow) und Nadja Stefanoff (Fedora) die Charaktere gestaltet.

Fedora ist leidenschaftlich und emotional denkt nicht darüber nach, welche Folgen ihre Handlungen haben. Sie geht sowohl mit sich wie auch mit anderen unsensibel und respektlos um. Als Kriminalistin und Kämpferin ist sie großartig. „Echtes Gefühl hilft ihr bei der Verstellung, und damit erweist sie sich als hervorragende Schauspielerin [..] ehrlich und verlogen gleichzeitig [..] das macht sie brillant, aber auch monströs.“ (Zitiert aus dem Gespräch mit Christof Loy – Programmheft). Sympathie ist ihr nicht abzugewinnen.

Die Gespräche mit den Menschen um sie herum sind zum Teil schroff, kurze rezitative Wechsel.

Sopranistin Nadja Stefanoff, die an der Musikhochschule Dresden studierte und Ensemblemitglied am Staatstheater Mainz ist, singt zum ersten Mal an der Oper Frankfurt. Die Rolle der Fedora, Geliebte, Betrogene, Rächerin und Spionin, interpretiert ihr feiner Sopran sehr differenziert – mal Gefühlsausbruch, Wut, mal zarte Liebesmomente. Immer die Handlung vorantreibend.

Dagegen zweifelnd, leidend, schuldbewusst wurde Loris gesungen von dem in Chile geborenen und in den USA aufgewachsenen Tenor Jonathan Tetelman. Was für eine Stimme, die vor allem in der Arie „Amor ti vieta“ im 2.Akt („Die Liebe verwehrt dir, nicht zu lieben..“) ganz zur Entfaltung kommt. Sie sprengt den Raum, behält aber ihren italienisch-klassischen Glanz.

Jonathan Tetelman am 20.März nach der Oper extra, Foto: Renate Feyerbacher

Der 34-jährige Tetelman ist mittlerweile eine feste Größe in der Opernwelt und wurde von der Deutschen Grammphon unter Vertrag genommen.

Die anderen Partien  werden von Mitgliedern des Ensembles gesungen: der amerikanische Bassbariton Nicholas Brownlee überzeugt mit ausgewogener Stimmtiefe in der Rolle des französischen Diplomaten De Siriex. Gräfin Olga findet in der italienischen Sopranistin Bianca Tognocchi ihre Meisterin auch schauspielrisch. Die mehrfache Preisträgerin, die europaweit auf der Bühne steht, belebt anfangs als feiersüchtiges und Männer anbaggerndes Weibsbild das deprimierende Geschehen.

Olga Sukarew am 20. März nach Oper extra, Foto:Renate Feyerbacher

Bianca Andrew, das langjährige Ensemblemitglied Peter Marsh, Michael McCown, Thomas Faulkner, Anthony Robin Schneider und weitere Sänger tragen die Aufführung.

Wieder bestätigt sich der hohe Fundus des Ensembles an der Oper Frankfurt. Der polnische Pianist Mariusz Klubczuk, Solorepetitor an der Oper, begeistert durch seine Chopin-Einlage während des Festes.

Bereits bei Oper extra hatte Lorenzo Passerini, der erstmals in Frankfurt dirigiert, seine Begeisterung für Umberto Giordanos Oper Fedora, offenbart. Ihn fasziniert die Symbiose von  Musik und Szene. Diese Begeisterung ist zu spüren in der Arbeit mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester. „Es wäre schön, wenn das Frankfurter Publikum am Ende ebenso außer Atem ist wie ich beim ersten Hören.“

Den kleinen Chor hatte Tilman Michael vorzüglich geschult. Das außergewöhnliche Bühnenbild und die Kostüme hatte der weltweit gefragte Herbert Murauer, kreiert. Unterstützt von Lichtmeister Olaf Winter. Murauer arbeitet regelmäßig an der Oper Frankfurt. Mit Regisseur Christof Loy  hat er schon mehrere Projekte realisiert, auch  Fedora in Stockholm.

Brokatstoffwände zieren den großen Salon. Und hinter dem üppigen Goldbilderrahmen zeigt sich hin und wieder ein Festsaal. Im 3. Akt ist es das Liebesnest von Fedora und Loris. Videoszenen (Velourfilm AB) zeigen oft Fedoras Gesicht, das selbst die kleinste Regung dem Zuschauer näher bringt. Vorzüglich die szenische Leitung von Anna Tomson. Unbedingt ansehen.

Weitere Aufführungen des außergewöhnlichen Opernabends am 16.,18., 21.,23.,und 28. April und am 6. und 14. Mai. Da werden Asmik Grigorian die „Beste Sängerin 2019, die als Manon brillierte und im letzten Jahr in Bayreuth eine emanzipierte Senta gab und Giogio Berrugi, die Rollen von Fedora und Loris übernehmen.

 

www.oper-frankfurt.de

 

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