York Höllers Oper „Der Meister und Margarita“
Eine Höllenfahrt: Kunterbunt und Tiefschwarz
Inszeniert als aufregendes Spektakel von Valentin Schwarz an der Kölner Oper im Staatenhaus
von Simone Hamm
David Howes, Guido Sterzl, Julian Schulzki, Mine Yücel, Michael Terada, Artjom Korotkov, Sung Jun Cho © Bernd Uhlig Oper Köln
Eine leere Bühne. Ein Kölner Dom aus Pappe. An der Seite lugt das Richterfenster heraus. Ein Loch, aus dem Rauch aufsteigt. York Höllers Oper „Der Meister und Margarita“ im Kölner Staatenhaus beginnt eigentlich eher unspektakulär. Michael Bulgakows großer Roman „Der Meister und Margerita“ durfte erst 26 Jahre nach seinem Tod in Russland erscheinen: 1967. Sein „Meister“ hat ein Buch über Pontius Pilatus geschrieben, über die immerwährende Schuld, die er mit sich herumträgt, obwohl er doch seine Hände in Unschuld gewaschen hat. Das darf nicht sein, in Russland glaubt man nicht an Gott. Sein Buch wird nicht verlegt, der Meister landet in der Irrenanstalt. Seine Geliebte Margarita geht einen Pakt mit dem Teufel ein – denn es gibt ihn: wenn es Gott gibt, so gibt es auch den Teufel. Der Teufel Voland führt sie nicht nur zum Meister, sondern macht dann auch gleich kurzen Prozess mit den gierigen kommunistischen Funktionären. Und der Meister erlöst Pontius Pilatus von seiner Schuld.
York Höller hat nach dieser Vorlage eine Oper komponiert, auch das Libretto geschrieben, die 1989 uraufgeführt wurde, aber seitdem nur viermal auf der Bühne war. Jetzt ist sie an der Kölner Oper zu sehen.
Valentin Schwarz hat sie inszeniert. Der Teufel und sein Gefolge sind schwarze Monster mit klobigen Füßen in Kostümen, die auch den Kopf verhüllen. Dazu gehört auch ein giftgrüner Pudel. Teuflische Gestalten, keine menschlichen. Die Schriftsteller werden bei Schwarz zu bildenden Künstlern mit riesigen bunten Pappköpfen: Dürer mit Locken und einem Kaninchen, Beuys mit Filzhut und Weste, Andy Warhol mit blonder Perücke und der legendären Campbell Suppendose, van Gogh mit roten Haaren und blutigem Messer, Dali mit zerlaufenen Uhr, Picasso mit versetzten Augen. Nur bei Jonathan Messe als knallgelben Rastafari musste man zuerst nachdenken. Denn er hat keine Trainingsjacke an. Alle tragen grellbunte Ganzkörperkostüme und ihre Gemächte sind mehr als imposant.
John Heuzenroeder, Dalia Schaechter, Matthias Hoffmann, Statisterie © Bernd Uhlig, Oper Köln
Mit dem „großen Satansball“ beginnt der zweite Akt. Das ist der Höhepunkt der Oper. Die Musik ist fulminant. Flötenlaute erklingen, als kämen sie geradewegs aus dem finsteren Mittelalter, dazu Zitate aus dem „Faust“ von Berlioz , eine Anspielung auf den Pakt mit dem Teufel. Bässe wummern, E – Gitarren werden gezupft, Jazzrhythmen sind zu hören, Streicher spielen immer schneller und irrer. Percussionisten schlagen auf Congas und Mick Jagger singt „sympathie for the devil“. Immer sind nur Fetzen der Musikanleihen anderer Komponisten zu hören. Dennoch fügt sich alles zu einem grandiosen Gesamtklang. Dazu wird elektronische Musik eingespielt, Zischen, Rauschen.
Und was macht Valentin Schwarz? Er lässt diese suggestive Musik wirken. Da tanzen keine Skelette, keine Teufelsfratzen. Da ist keine Margarita zu sehen, die zwischen den gierigen Höllenbestien steht. Da ist nur eine dunkle Bühne, im Hintergrund gehen hunderte von Birnen, die während des Höllenspektakels immer heller werden. Der Satanstanz spielt sich im Kopf der Zuschauer ab. Und wie! Was für ein großartiger Regieeinfall! Und wie den ganzen Abend über treibt Dirigent André de Ridder das Gürzenich Orchester zu Höchstleistungen.
Alle Sänger, selbst die, die unter Masken singen, sind klar und sicher, gut verständlich. Alle singen phantastisch.
Thor Kristinsson gibt den mächtigen Teufel mit tiefem, dunklen Bass, Adriana Bastidas-Gamboa ist ein kämpferische Margarita im Blumenkleid, Nikolay Borchev ein verzweifelter, scheuer Meister, Oliver Zwarg ein nachdenklicher Pilatus, der sich schon mal die Kölner Domfenster und damit die ganze Kirchengeschichte umhängt, die ohne ihn anders verlaufen wäre.
Valentin Schwarz wird diesem Jahr einen neuen Ring in Bayreuth inszenieren. Nach den vergnüglichen vier Stunden in der Kölner „Meister und Margarita“-Aufführung darf man darauf gespannt sein.
Die scheidende Intendantin Birgit Meyer hat noch einmal ein großes Werk der Moderne auf die Bühne gebracht. Das kölsche Herz jubelt! Die Kostüme könnten glatt im Rosenmontagszug mitgehen.