home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sasha Waltz in Berlin und Demis Volpi an der Deutschen Oper am Rhein

Neues in Berlin, Bewährtes am Rhein

von Simone Hamm

Sasha Waltz wollte etwas ganz Großes schaffen mit Sym-Phonie MMXX an der Staatsoper Berlin. Georg Friedrich Haas hatte eine Musik komponiert, die den Tänzern vor dem mattgoldenen Hintergrund keinen Raum ließ, so bombastisch war sie. Auch die Choreografin ist nicht wirklich mit dieser Musik zurecht gekommen. Die Tänzer rücken nah zusammen, gehen auseinander, fallen zu Boden, werden weggetragen, erwachen wieder zum Leben. Und das in Endlosschleife. Die Schritte, die Figuren sind  allesamt recht vorhersehbar. Anders als nach ihrer großartigen Choreografie „In C“ läßt Sasha Waltz die Zuschauer ratlos zurück. Aber immerhin: sie hat etwas gewagt! Demis Volpi an Düsseldorfer Oper am Rhein hingegen geht kein Wagnis ein. Er setzt auf Altbewährtes, auf bekannte, erfolgreiche Choreografien.

Szene aus: „One and Others“, Choreographie: Demis Volpi, v.l.n.r.: Nelson López Garlo, Damián Torío, Lara Delfino, Dukin Seo, Pedro Maricato, Tommaso Calcia. FOTO © Bettina Stöß

„Polyphonie“ von Christopher Weeldon ist über zwanzig Jahre alt. Damals tanzte das New York City Ballett zu Klaviermusik von György Ligeti. Die zunächst wie hingetupften Klaviertöne werden immer schneller.

Vier Paare, die Ballerina tanzen auf Spitze. Die Paare sind nicht immer alle auf der Bühne. Es gibt Pas de deux, einmal von zwei Männern. Manchmal stellen die Männer die Frauen schräg auf die Bühne, heben sie wieder hoch. Bisweilen hängen die Ballerinen kopfüber nach unten. So spielen Weeldon und die Tänzer mit der Neoklassik. Das ist nicht leicht zu tanzen. Und man merkt dem Ensemble die Anstrengung an.

Wer aber Beliebtes, oft Getanztes zeigt, muss sich dann auch dem Vergleich mit anderen Kompanien stellen. Die Leichtigkeit der New Yorker Tänzer geht den Düsseldorfern (noch) ab.

Es folgte ein Choreographie des Hausherrn, Demis Volpi: „One and Others“ Er hatte sie 2015 für das Uruguayer Ballet Nacional de Sode entwickelt. Eine Holzskulptur von Louise Bourgeois hatte ihn dazu angeregt, kleine hölzerne, abstrakte Figuren, fein bemalt, abstrahierte Personen. Dazu hat er das erste Streichquartett des griechisch-kanadischen Komponisten Christos Hatzis gewählt. Zu einer Soundcollage aus Violinklängen, Kehlkopfgesängen der kanadischen Inuit und Eisenbahngeräuschen bewegen sich die Tänzer, als seien sie die letzten auf der Welt.

Eine Tänzerin umarmt sich selbst. Die Spitzenschuhe der Tänzerinnen werden zu Perkussionsinstrumenten. Robotergleich kreuzen die Männer die Bühne. Und jeder ist allein. Das ist packend, berührend und es passt sehr gut in die Zeit der vergangenen zwei Jahre, als Umarmungen selten geworden sind. Großartig  sind Dukin Seo und Lara Delfino, die vom Ballet Nacional de Sode gekommen ist. Zu dieser Musik hätte das Stück auch traurig-melancholisch enden können, die Tänzer wären einsam geblieben. Volpi hatte keine Angst davor, kitschig zu werden und verpasste „One and Others“ einen zu schönen Schluß: Tänzer und Ballerina finden zueinander.

Für das das Nederlands Dance Theater hatten Sharon Eyal und Gai Behar 2016 „Salt Womb“ choreografiert. Ori Lichtik hat hämmernde Technomusik dazu komponiert. Die 17 Tänzer bilden einen Haufen, machen fast dieselben Bewegungen und doch ist da immer ein Kopf, eine Hand, die heraus will. Spannend sind diese winzigen Veränderungen. Dann stürmen die Tänzer auseinander, um sich bald wieder ganz eng aneinander zu drücken. Sie wirken wie Skulpturen. Dann wieder springen sie, lassen die Muskeln spielen, spreizen die Beine, werfen die flatternden Hände in die Höhe. Kraftvoll sind sie und doch wirken sie verloren, können eins mit der Gruppe sein und sind doch niemals allein.

Sharon Eyal „Salt Womb”: Ensemble Ballett am Rhein. FOTO © Bettina Stöß

Der Ballettabend „One and Others“ an der Düsseldorfer Oper am Rhein erfüllte jeden Wunsch, den ein Zuschauer haben konnte: für Freunde des klassischen Balletts gab es ein neoklassisches pas de deux zum Träumen, für die Pandemiegeschädigten ein Ballett über die Einsamkeit, in dem sich alles zum Guten wendet und für die Jungen ein energiegeladenes, sportives Stück, aufregend und doch alles andere als pure Freude.

https://www.operamrhein.de

 

Comments are closed.