home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Starke Frauen – Fremde Wesen“… und die Welt des Bernd Rosenheim

Arbeiten der letzten zehn Jahre in einer Ausstellung im Haus der Geschichte Offenbach

von Renate Feyerbacher

„den wehrlosen und den widerstehenden
den schwachen und den tapferen
den verratenen und verkauften
opfern der gewalt“

Wie aktuell ist diese Inschrift des katholisch kritischen Publizisten Walter Dirks doch ist, der unter den Nazis Schreibverbot hatte. Jeder in Offenbach kennt die Skluptur „Flamme“ von Bernd Rosenheim, welche diese Inschrift trägt. Sie steht am Eingang des Rathauses. Das 550 Zentimeter hohe Werk aus Edelstahl ist dem Gedenken an die Opfer der Gewalt gewidmet. Es wurde 1971 aufgrund eines Wettbewerbs geschaffen.

Bernd Rosenheim mit dem Offenbacher Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke bei der Ausstellungderöffnung; Foto: Renate Feyerbacher

Der Offenbacher Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke begrüßte die Gäste zur Ausstellungseröffnung im Haus der Stadtgeschichte mit einer persönlich gehaltenen Laudatio und verlieh Bernd Rosenheim die Offenbacher Rathausmedaille.

Bernd Rosenheim ist 1938 sieben Jahre alt, als er am 10. November seine jüdische Schule total zerstört vorfindet. Das Kind kann es zunächst nicht fassen. Unter falschem Namen gelingt es ihm, den Nazis zu entgehen.

Der Künstler Bernd Rosenheim ist ein Multitalent: vorwiegend ist er auch der heute Neunzigjährige als Bildhauer und Maler aktiv.

2014 schuf er aus Eiche und Edelstahl die „Amazone“. Die Schultern und Arme ihres ansonsten makellosen, aber ungeschützten Körpers sowie ihr Kopf sind gepanzert. Ein undefinierbares, fremdes Wesen aus der Mythologie mit Bezug zur Gegenwart. War das Bernd Rosenheims Intention? Wieso sind die Starken Frauen – fremde Wesen? Die Interpretation wird subjektiv sein.

Bernd Rosenheim und die Skulptur „Amazone“; Foto: Renate Feyerbacher

Vier Finger der linken Hand der Figur sind gekrümmt. Arbeit in einer fremden Werkstatt? Nein, nein, Bernd Rosenheim macht klar, dass er selbst diese schwierige Arbeit in seinem Atelier vornahm. Fotos auf seiner Webseite zeigen ihn bei seinen handwerklichen Arbeiten in seiner Atelier-Werkstatt. Beeindruckend.

Immer wieder hat er sich mythologischen Frauengestalten gewidmet: Medusa, eines seiner häufigen  Motive, zeichnet er mehrfach, bevor er sie plastisch in Form gießt. Sie ist schön, verdreht Männern den Kopf, sie ist sterblich und wird schließlich von Perseus enthauptet. Auch ihr Kopf ist gepanzert. Sie ist mit dem Tod verbunden.

Mehrere Großplastiken stehen im öffentlichen Raum. Zum Beispiel „Phönix“, Skulptur, die früher am Wiesbadener Hauptpostamt stand, begrüßt heute die aus Frankfurt kommenden Autofahrer in Wiesbaden.

In der Ausstellung sind ganz neue Skulpturen. Wie schafft der Künstler das?

Vor Corona arbeitete Bernd Rosenheim auch häufig in seinen Ateliers vor allem in Irland, aber auch in  der Schweiz. Jetzt ist er vor allem im Odenwälder Atelier aktiv.

Behelmte Halbfiguren vor dem Bild „Europa“ Acryl 2011; Foto: Renate Feyerbacher

Besonders plaziert ist die „Stele der Vogelgöttin“ (2021) neben dem Acrylbild „Pavane für eine verstorbene Infantin“ (Hommage an Maurice Ravel). Das Werk ist unverkäuflich.

Hanneke Heinemann, seinerzeit Museumsleiterin des Bernd Rosenheim Museums, das 2008 eröffnet wurde, aber drei Jahre später wegen finanzieller Probleme wieder schließen musste, schildert im Katalog zur Ausstellung „Variationen“ – Arbeiten zu Literatur und Musik 2009 /2010 Bernd Rosenheims Vorgehen beim Übermalen eines Drucks: Der Betrachter könne nicht ahnen, „dass der Kern des Bildentwurfs ein überzeichneter Druck einer Sonnenblumenblüte ist. Die Form des Kragens nimmt ein Blütenblatt auf und erinnert noch in seiner gelben Farbigkeit an den Ursprung. Im neuen Zusammenhang wird sie umgedeutet und nobilitiert als Teil einer edlen Hoftracht die geisterhafte Erscheinung der Prinzessin.“ (S.8)

„Pavane für eine verstorbene Infantin“, daneben „Ikarus“; Foto: Renate Feyerbacher

Eine Vielzahl von Original-Digitalgrafiken von 2004 bis 2021 sind in der Ausstellung im Haus der Offenbacher Stadtgeschichte zu sehen. Interessante Experimente.

Wie schon erwähnt, Bernd Rosenheim ist ein Mehrfachtalent. Nach dem Abitur an der Offenbacher Leibnizschule beginnt er ab 1948 Illustration, Wand- und Glasmalerei, Kunsterziehung, Geschichte, Archäologie und Philosophie an den Hochschulen und Universitäten Offenbach, Frankfurt a.M., Gießen und Kassel zu studieren.

Acht Jahre später geht er als Stipendiat des Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Rom. Danach beginnt sein unermüdliches Reisen nach West- und Südeuropa, Süd- und Ostasien, Mittel- und Südamerika sowie nach Ägypten. Mehrere Fernsehproduktionen ab 1983 sind das Resultat. „Die Welt des Buddha“ (Titel des gleichnamigen Buches), zeigen die dritten Programme der ARD in zehn Folgen. Filmproduktionen über China werden sowohl im Hessischen Rundfunk als auch in der Deutschen Welle ausgestrahlt.

Lyrik begeisterten Künstler. Allerdings habe er während der ‚ungeliebten‘ Schulzeit Balladen von Uhland oder Fontane „verschlimmbessert“, bekennt er heute.

Im Laufe der Jahre hielt er immer wieder seine Gedanken, oft beeinflusst vom Anblick bedeutender weltbewegender Schöpfungen, auf Zetteln fest. Entstanden ist schließlich ein Buch mit Schriftbildern, das einmal Westöstliche Zwiesprachen, Meditationen, Gedanken über die Natur sowie Liebesgedichte enthält.

Bernd Rosenheims „Schriftbilder“ Malerei und Lyrik erschienen 2016 im Nünnerich-Asmus Verlag Mainz.

Malerei und Lyrik:  „Schriftbilder“; Foto: Renate Feyerbacher

Dem Künstler war es ein Anliegen, daraus bei der Eröffnung zu lesen. „Selbstbefragung“ hat er seine lyrischen Gedanken genannt:

Nimmst Du nicht wahr
Den Schatz
So oft gedankenlos verschleudert,
Unwiederbringlich die Kostbarkeit
Von Tag zu Tag,
Von Stunde zu Stunde
Steigend im Wert:
Die uns verbleibende Zeit?

Bernd Rosenheim bei der Lesung; Foto: Renate Feyerbacher

Erwähnt werden muss noch, dass die 1993 gegründete Bernd und Gisela Rosenheim-Stiftung, es sich zur Aufgabe gemacht hat, zeitgenössische, bildende Kunst zu fördern unter anderem mit der Verleihung eines Preises.

Zur Finissage am Sonntag, den 27. März um 11 Uhr wird sich Bernd Rosenheim mit der Kuratorin Katja M. Schneider unterhalten.

Der Eintritt ist frei. Informationen über sein großes Oeuvre sind auf www.berndrosenheim.de zu finden.

Abgebildete Werke © VG Bild-Kunst, Bonn

Comments are closed.