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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Leoš Janáceks tragische Oper „Katja Kabanova“

Gefangene eines hoffnungslosen Systems

von Simone Hamm

Die Bühne ist ein einziger großer holzvertäfelter Raum. Vor den Fenstern sieht man einen Fluß vorbeiziehen. Das könnte hoffnungsvoll stimmen. Doch schon im zweiten Bild ist die Wolga verschwunden, die Bühne steigt schräg an. Hinter dem ersten ist ein zweiter Raum sichtbar. Es gibt keine Hoffnung, nur Enge und Ausweglosigkeit. So beginnt in Duisburg in der Deutschen Oper am Rhein Leoš Janáceks tragische Oper „Katja Kabanova“.

v.l.n.r.: Daniel Frank (Boris), Sami Luttinen (Dikoj), Ekaterina Aleksandrova (Glascha), Cornel Frey (Kudrjasch). Foto: Sandra Then-Friedrich

Es könnte irgendein Fluss sein, der am Haus vorbeifließt, es muss nicht die Wolga sein. Die Regisseurin Tanja Gürbaca lässt die Oper nicht in einer bäuerlichen Umgebung spielen. Denn Katja Kabanovas Geschichte könnte überall spielen. Katja Kabanova ist Gefangene eines hoffnungslosen Systems. Sie lebt mit ihrem Mann Bichon und dessen dominanter, eifersüchtigen Mutter Kabanicha in der Provinz.

Matthias Kling singt den Tichon mit starker Stimme, Eva Urbanová stellt die Kabanicha eher frech und neckisch dar statt böse und intrigant.

Katja verliebt sich in Boris, hat eine Affaire mit ihm. Tanja Gürbaca zeigt Boris als Mann mit langen fettigen Haaren, unentschlossen, zaudernd, wahrlich kein Held, der Katja aus den Verhältnissen herausbringen könnte. Und so singt Daniel Frank dann auch: zurückhaltend, leise. Begleitet wurden die Sänger von den Duisburger Philharmonikern unter der Leitung von Axel Kober.

Eva Urbanová (Kabanicha), Sylvia Hamvasi (Katja), Matthias Klink (Tichon), Anna Harvey (Varvara), Ekaterina Aleksandrova (Glascha). FOTO: Sandra Then-Friedrich

Leidenschaftlich interpretiert Sylvia Hamvasi die Katja Kabanova. Und dann ist da noch Varvara, die Pflegetochter der Kabanicha. Sie ist mutig, sie überredet Katja zum ersten Stelldichein mit Boris.

Varvara lässt sich nicht einsperren. Sie wird nach Moskau gehen, sie wird ausbrechen. Anders als in der Originalversion lässt Tatjana Gürbaca Varvara nicht mit ihrem Liebhaber, sonst ganz allein nach Moskau gehen.

Tatjana Gürbaca sagte in einem Interview, dass sie sich Varvara gut als junge, idealistische Lehrerin, als eine eigenständige Frau in Moskau vorstellen könne. Anna Harvey mit ihrem strahlenden Sopran verströmt diesen Optimismus. Sie ist die heimliche Hauptfigur in Duisburg.

Ein heftiges Gewitter verschreckt alle Anwesenden. Nur Katja Kabanova nicht. Für sie hat es etwas Reinigendes. Sie beichtet vor der gesamten Familie und den Freunden ihren Seitensprung.

Am Ende stehen die anderen teilnahmslos um sie herum. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, spenden keinen Trost. In einer Endlosschleife knüpft Tichon seine Krawatte, während eine Dienerin ihm die Schuhe putzt. Die Kabanicha schaut in den Spiegel, schaut wieder weg, wieder hin. Ein Mädchen mit Zöpfen wirft einen roten Ball und fängt ihn. Wieder und wieder. Das zeigt das eintönige Leben wie auch die verschlossenen Herzen. Es ist die stärkste Szene an diesem Abend.

Dann geht Katja Kabanova in die Wolga. Nur im Tod kann sie die Freiheit finden.

Am Premierenabend kam nach dem Applaus und den Verbeugungen des Ensembles Generalintendant Christoph Meyer auf die Bühne.

„In der Rheinoper“, so sagte er, arbeiteten Menschen aus 40 Nationen, darunter auch Russen und Ukrainer, die jetzt Angst um ihre Familien hätten.“

Da sangen alle gemeinsam die Mendelssohn-Kantate für den Frieden.

 

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