home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Bianca e Falliero, Melodrama von Gioachino Rossini an der Oper Frankfurt

Dorniger Weg zur Freiheit 

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Das Werk, 1819 an der Mailänder Scala uraufgeführt, hatte am 20. März seine Frankfurter Erstaufführung. In Mailand gab es damals 39 Vorstellungen, dennoch geriet es in Vergessenheit und auch in der Rossini-Literatur fand es kaum Beachtung. Felice Romani, der Hauslibrettist, lieferte für „Bianca e Falliero“ einen abgeänderten Text der Tragödie „Les Vénetiens ou Blanche et Montacassin“ des französischen Dramatikers und Lyrikers Antoine Vincent Arnault (1766-1834). Die düstere Liebesgeschichte endete nicht mit dem Tod des Helden Falliero, sondern mit der Heirat.

v.l.n.r. Theo Lebow (Contareno), Beth Taylor (Falliero), Heather Phillips (Bianca; auch in der Projektion), Carlos Andrés Cárdenas (Ein Offizier), Kihwan Sim (Capellio) sowie rechts und links: Chor der Oper Frankfurt

Bianca ist die Tochter des venezianischen Senators Contareno. Seine Familie liegt mit der Familie von Senator Capellio schon länger im Erbstreit. Nun ist Capellio bereit seinen Anspruch aufzugeben, wenn er Bianca heiraten darf. Ohne mit Bianca zu sprechen, wird der Pakt besiegelt.

General Falliero, zunächst als tot erklärt, der die Spanier besiegte, ist in die Republik Venedig zurückgekehrt und wird gefeiert. Große Freude für Bianca, die mit ihm, wie versprochen, zusammen sein will. Es kommt anders, denn der diktatorische Vater besteht auf der Hochzeit mit Capellio. Es sind drei Männer, die Bianca bedrohen, erpressen, mit Suizid drohen, sie verfluchen. Selbst Falliero gehört dazu.

Bianca will zunächst nicht fliehen, sondern sich dem Vater unterordnen. Den Begriff Ehre braucht auch sie erstaunlich oft und sie hat Angst. Und als sie schließlich doch mit Falliero fliehen will, ist es zu spät. Sie ermöglicht Falliero den Sprung über die Mauer der spanischen Botschaft. Das gilt als Verrat. Falliero muss vor Gericht, besetzt mit dem Dogen, Contareno und Capellio erscheinen. Sein Todesurteil ist quasi sicher, aber Capellio verweigert seine Unterschrift, nachdem Bianca ihre Aussage gemacht hatte, Falliero zum Sprung über die Mauer gedrängt habe. Bianca hat sich befreit und beweist sich als stark und mutig. Eine Art Geschichte der Emanzipation.

Der Heirat von Bianca und Falliero steht nun nichts mehr im Wege. Doch wird sie glücklich, harmonisch sein, nach all dem Leid, das Bianca erdulden mußte?

v.l.n.r. Theo Lebow (Contareno), Heather Phillips (Bianca; kniend), Beth Taylor (Falliero) und Kihwan Sim (Capellio) sowie im Hintergrund Ensemble

Der Komponist Gioachino Rossini (1792-1868) hat das musikdramatische Geschehen, die extremen Gefühle, zugespritzt. Ein Höhepunkt ist das Quartett „ Cielo, il mio labbro ispira“ (2.Teil, 11.Szene). Die Chöre sind mal aggressiv, mal teilnahmslos (Einstudierung Tilman Michael). Eine Belcanto-Oper mit hohen Koloraturansprüchen, die von den Sängerinnen und Sängern höchsten Einsatz erfordern.

Heather Phillips als Bianca – ein Erlebnis! Die junge amerikanische Sopranistin gibt an der Oper Frankfurter ihr Europa-Debüt. Sie jauchzt verliebt im rosafarbenem Kleid und goldenen Sandaletten (Kostüme Susanne Uhl), sie leidet, ist verzweifelt, mutlos. Schließlich gelingt es ihr, sich aus der Umklammerung der Angst zu befreien, aber am Ende ist sie doch ganz schön beschädigt. Für jede Gefühlslage setzt sie ihre Koloratur geschulte Stimme ein. Faszinierend.

Falliero ist eine Hosenrolle, eindringlich interpretiert von der jungen schottischen Mezzo-sopranistin Beth Taylor. Sie wie auch Heather Phillips eine überzeugende Darstellerin. In Händels Werk Amadigi hat sie in Frankfurt bereits ihr Debüt gegeben.

In weiteren Vorstellungen wird die russische Mezzosopranistin Maria Ostroukhova als Falliero singen. Ensemblemitglied Theo Lebow bringt seinen klaren Tenor als unnachgiebiger, seine Tochter drangsalierenden, aber immer nervöser werdenden Contareno in überzeugende Höhen.

In der Rolle des Capellio, den er aus Eigennutz als Ehemann seiner Tochter sehen will, gibt Ensemblemitglied Kihwan Sim. Natürlich ist er auf seinen Vorteil bedacht, aber einsichtig, zur Empathie fähig. Dem wird sein ausgeprägter Bass mehr als gerecht. Auch in den kleinen Rollen gibt es eine gute Besetzung wie Bozidar Smiljanic und Caros Andrés Cardenas.

v.l.n.r. Kihwan Sim (Capellio), Heather Phillips (Bianca) und Theo Lebow (Contareno) sowie im Hintergrund Ensemble

Regisseur Tilmann Köhler, der seit 2013 an der Frankfurter Oper aktiv ist, hatte bereits März 2020 mit den Proben begonnen. Fast drei Jahre später konnte er, Corana bedingt, „Bianca e Falliero“ auf die Bühne bringen… vier Tage vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. In seinem Gespräch mit dem Dramaturgen Zsolt Horpácsy charakterisiert er sein Regiekonzept als System der Angst. „Wir erleben in „Bianca e Falliero“ eine aktuell sehr bekannte ungute Mischung aus Wut und Patriotismus, aus Nationalismus und blindem Hass, aus Unmenschlichkeit und cholerischem Selbstmitleid. Für diese Formen des sich gänzlich Verausgabens, für diese sich übersteigenden und übertrumpfenden Konflikte ist Rossinis Musik perfekt.“ (Zitat Programmheft S. 14)

Der in Mailand geborene Dirigent Giuliano Carella setzt mit viel Verve die eindringliche Rossini-Musik mit den Musikern des Frankfurter Opern- und Museumsorchester um. Seine Arme ragen immer wieder aus dem Orchestergraben hervor.

Das Bühnenbild von Karolyn Risz, sich immer wieder öffnende und sich schließende hohe Wände, Mauern sind Sinnbild für die Macht der Venezianer. Joachim Klein bespielt sie entsprechend mit Licht. Bibi Abels Videos irritieren zuweil.

Das Publikum war ansonsten begeistert von dem in italienischer Sprache gesungen Melodrama.

Weitere Aufführungen sind am 17.,19. und 26. März.

Seit 4. März dürfen wieder 1.025 Personen in die Oper. Nach wie vor gelten die Regeln 2g plus Schell-oder PCR-Test und geboostert.

 

Comments are closed.