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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Wach bleiben“ – Eine Retrospektive von Maria Lassnig

„Wach bleiben“

Ausstellungen über Künstlerinnen sind im Trend. Die farbig schrillen Porträts der österreichischen Künstlerin Maria Lassning (1919–2014) sind oftmals radikal und verstörend. Sie und andere Arbeiten sind noch bis zum 5. Mai im Kunstmuseum Bonn zu erleben.

von Simone Hamm

Maria Lassnig zeigt ihren Körper ungeschönt, schonungslos. Auf dem Plakat zur Ausstellung ist das Bild „ Du und ich“ zu sehen. Die Künstlerin hat es gemalt, als sie 81 Jahre alt war. Sie ist nackt, hat die Beine gespreizt. In den Händen hält sie zwei Pistolen: Die eine hat sie an ihre Schläfe gesetzt, die andere zielt auf den Betrachter. Sie hat ihre großen, eisblauen Augen direkt auf ihn gerichtet.

Maria Lassnig, 3 Arten zu sein , 2004, Ursula Hauser Collection, Schweiz © Maria Lassnig Stiftung / VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: HV-studio, Brüssel

40 Bilder der 1919 geborenen und 2014 verstorbenen österreichischen Künstlerin Maria Lassnig sind zu sehen, von frühen, kubistisch beeinflussten Werken bis zu den letzten, großformatigen Bildern. Fast alles sind Selbstportraits. Denn der Leitfaden ihres Werkes ist die Beschäftigung mit sich selbst, mit ihrem Körper, die Selbstwahrnehmung. Alles fängt beim Ich an. Dieses Ich denkt über sich selbst nach, versucht sich zu begreifen.

In ihren Bildern will sie zeigen, so Siri Hustvedt in ihrem Essay im Katalog „Viele Ichs“, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Darstellung des innerlich erlebten Körpers und dem äußeren Blick auf ebendiesen Körper als Objekt.

Das Bild, das sie von sich hat, ist anders als das Bild derer, die sie umgeben. Das Ich und das Gegenüber, das Verhältnis zwischen sich und der Welt ist bei ihr ein immer wiederkehrendes Thema. Bei der „Dame mit Hirn“ hängt das Gehirn am Kopf, wird zum Äußeren.

Maria Lassnigs Portraits sind radikal. Beim „Selbstportrait mit Pinsel“, entstanden zwischen 2010 und 2013, schwingt sie den Pinsel über ihrem Kopf als sei es ein Messer, mit dem sie gleich zustechen will.

Eines der beeindruckendsten Selbstportraits ist „Sprechzwang“ von 1980. Eine nackte, alternde Frau mit hängenden Brüsten und rundem Bauch beugt sich vor, reißt den Mund auf und zeigt mit dem Zeigefinger auf ihre Unterlippe so, als wolle sie all das herausschreiben, was sich so lange schon in ihr angestaut hat.

Ihre Bilder sind leuchtend bunt. Hellgrüne, orangene Töne herrschen vor. Immer malt Maria Lassnig sich im leeren Raum, ohne Umgebung. In einigen Bildern hat sie die Selbstisolation zum Thema gemacht. Auf einem Porträt aus dem Jahre 1972 hat sie eine Plastikfolie über den Kop. gezogen. Überflüssig zu sagen, dass dieses Bild in Zeiten von Corona eine ganz neue Bedeutung bekommt.

In jedem Raum hängen auch Gedichte oder Zitate der Künstlerin: z.B. „Die Kamera kann nicht in meine Nervenbahn hinein, aber ich kann aus ihr heraus.“ Oder:„Ich widerspreche mir lieber, als dass ich mich wiederhole.“

Bei Maria Lassnig gibt es keinen Stillstand, stattdessen wirft sie immer wieder einen neuen Blick auf sich und die Umwelt.

Wer durch die Bonner Ausstellung „Wach bleiben“ geht, der sieht nicht nur Bilder einer rigorosen Malerin, sondern begibt sich auch auf eine erkenntnistheoretische Reise. Es gäbe, so die Kuratorin Stefanie Kreuzer, nicht nur die Erkenntnis über das Auge, sondern auch eine reflektierte leibliche Form der Erkenntnis. Maria Lassnig will die Trennung von Geist und Körper aufheben. Mit Wort und Pinsel. Das ist ihr gelungen

 

 

Unbedingt ist der ausführliche
Katalog
zur Ausstellung
zu empfehlen.
Erschienen im
Wienand Verlag, Köln
zum Preis von 35 Euro.
Mit Beiträgen
von Stephan Berg,
Michael Hagner,
Siri Hustvedt
und Stefanie Kreuzer.

 

 

Weitere Infos unter:

www.kunstmuseum-bonn.de

 

 

 

 

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