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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Carmen“ und „Baal“: Zwei Klassiker – getanzt nach den Choreografien von Roland Petit und Aszure Barton

No Problem: Die Aufführung an der Deutschen Oper am Rhein ist keck und selbstbewusst

Von Simone Hamm

„I am a problem“ heißt der jüngste Ballettabend in Düsseldorf. Gleich „zwei“ problematische Figuren der Weltliteratur erobern die Tanzbühne: „Carmen“ und „Baal“. Die große Verführerin und der große Zerstörer. Zwei Handlungsballette am Ballett am Rhein. Roland Petit zählt zu den bedeutendsten Choreografen des 20. Jahrhunderts. Seinen Durchbruch hatte er mit „Carmen“. Zur Musik von Georges Bizet tanzte er selbst den Don José, seine Frau Zizi Jeanmaire die Carmen. Bis heute ist „Carmen“ seine bekannteste Choreografie. In Düsseldorf wird diese Mischung aus klassischem Ballett, spanischem Flair und Broadwayshow wiederaufgeführt.

Roland Petit „Carmen“: Gustavo Carvalho (Don José), Futaba Ishizaki (Carmen) und Ensemble Ballett am Rhein. FOTO © Ingo Schäfer/Deutsche Oper am Rhein

Die Musik hat David Garforth orchestriert. Futaba Ishizaki ist die selbstbewusste  Carmen mit kecker Kurzhaarfrisur, wie sie einst auch Zizi Jeanmaire getragen hat. Sie lockt ihn mit ihren stets ein wenig verzögerten Bewegungen. Das wirkt lasziv und ist perfekt getanzt. Gustavo Carvalho ist der stolze Don José, er sie hebt und trägt und umschwärmt und ihr doch nie ganz das Wasser reichen kann.

Vor einem großartigen Bühnenbild (das Schlafzimmer Carmens hängt voller Fächer, die ihre Verführungskunst symbolisieren) umgarnen sie einander, tanzen leidenschaftlich. Wie oft in seinen Balletten fügt Petit auch lustige Szenen hinzu, wenn etwa die Tänzer zu Gecken in bunten Socken werden. Ein farbenfrohes Ballett, das fröhlich stimmt.

Aszure Barton „Baal“: Julio Morel (Ekart) und Miquel Martínez Pedro (Baal). FOTO © Ingo Schäfer / Deutsche Oper am Rhein

Ganz anders „Baal“. Die kanadische Tänzerin und Choreografin Aszure Barton hat choreografiert, Nastasia Khrustcheva hat die Musik dazu komponiert (eine Auftragsarbeit der Deutschen Oper am Rhein).

Baal, der große Egomanie, der sich die Frauen nimmt und wieder fortwirft, wenn ihm danach ist, der den Freund liebt und tötet, der sich mächtig, ja gottgleich glaubt, wird von dem erst 19 Jahre alten Miquel Martinez Pedro getanzt. Er ist sozusagen das Küken des Ballett am Rheins. Aber was für eines! Atemberaubend.

Er verkörpert Gier und Sex und Größenwahn. Die Pas de Deux mit seinen Partnerinnen sind voller Aggression und gleichzeitig voller Lust. Sie treten sich, sie verschlingen sich. Er schüttelt seine wilden Locken. Giftgrün ist sein Anzug, alle anderen tragen Grau. Nur mit seinem besten Freund Ekart  (Julio Morel) tanzt Baal im Gleichklang. (Einziger Makel an diesem Abend, man hätte sich die synchronen Bewegungen der beiden wirklich synchron gewünscht. Aber das kann ja noch werden.)

Aszure Barton will deutlich machen, dass sie sich eng an die literarische Vorlage hält: Brecht Zitate werden an die gekachelte Wand projiziert. Kalt wirkt dieser Raum, aufgeheizt nur durch den flirrenden, rasenden Baal, der den Tanz mit seiner Wucht bestimmt. Es ist sein Abend.

Die Düsseldorfer Philharmoniker unter der Leitung von Martin Braun spielen live dazu. Die Musik von Nastasia Khrustcheva fängt ganz harmlos an, fast wie eine spätromantische Symphonie. Aber dann treiben minimalistische Perkussionsklänge die Handlung immer weiter voran. Bis in Baals Tod.

 

https://operamrhein.de/

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