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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kulturtipps: Was FeuilletonFrankfurt-Autorinnen und Autoren empfehlen und was sie im Pandemie-Jahr 2021 inspiriert hat

2021 Unvergesslich. Trotz Pandemie

Petra Kammanns Begeisterung für das Deutsche Romantik-Museum

Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg“, nicht nur zu sich selbst, – da waren wir ja während des Lockdown eh schon ständig -, auch nicht nur zu Novalis, sondern ins reiche Innenleben des langerwarteten Deutsche Romantik-Museums, ein nach außen hin eher verkapseltes Gehäuse, aber ein wahres Schatzkästlein, und das neben dem wiederaufgebauten Goethe-Haus, in dem der Dichter einst in Frankfurts Altstadt aufwuchs. Mit seinen vielfältigen multi-medialen Exponaten befragen wir dort auch unsere eigenen Sinne beim Hören, Schauen und Mitsummen. Einfach faszinierend!

Die „Himmelstreppe“ führt ins Innere des Deutschen Romantik-Museums, Foto: Petra Kammann

Da finden wir Eichendorffs handschriftlich umkreistes „Zauberwort“, die legendäre „blaue Blume“ und viel viel mehr, was Herz, Sinne und Verstand betört. Da tönt aus einem Wald das Vogelgezwitscher, mit Caspar David Friedrich erleben wir das Abendlicht und hinter einem Vorhang tritt Julian Prégardien auf uns zu, Schuberts „Winterreise“ singend. Und Klappe auf an vielen Stellen! Da bringen uns die ironischen Kommentare des für Deutschland verlorenen „Romantikers“ Heinrich Heine zum Schmunzeln und Überdenken des zu Gefühligen: Und wenn sie nicht gestorben sind, die Grimms & Co, so leben sie noch heute: die Romantiker, in ihren Märchen, Mythen, Freundschaften, Geschichten und Partituren zwischen Paris und Sankt Petersburg – nun erstmals vereint im Großen Hirschgraben.

 

Erhard Metz erinnert an die Künstlerhilfe

Die schönste Veranstaltung des zu Ende gehenden Jahres? Für mich war es die Feier zum 40jährigen Bestehen des Vereins Frankfurter Künstlerhilfe e.V. mit der Stiftung Künstlerhilfe Frankfurt im Frankfurter Städel Museum. Sie war ein Lichtblick und Hoffnungsschimmer in der Tristesse der Corona-Zeit, die die Frankfurter Künstlerinnen und Künstler – wie auch die entsprechende Szene national und international – vielfach in eine existenzielle Krise und an den Rand des Abgrunds brachte. Wie seit langem nicht mehr fanden sich – unter stringentem Kontrollreglement der Veranstalter – die Künstlerkollegen und -kolleginnen in einer zwanglosen, ja heiteren Atmosphäre unter freiem Himmel im Städelgarten zusammen, und es schien, als hätten sie für diesen Abend all ihre Sorgen und Nöte daheim und in ihren Ateliers zurückgelassen.

40 Jahre Künstlerhilfe – Feier im Städelgarten; Foto: Uwe Kammann

Für den Autor war es ein freudiger Anlass für eine so lang vermisste Wiederbegegnung mit vielen von denen, denen er im vergangenen Jahrzehnt in zahlreichen Beiträgen seine vorrangige publizistische Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Für die Künstlerinnen und Künstler war diese ebenso stimmungsvolle wie feierliche Veranstaltung ein Signal für Aufbruch und Hoffnung auf eine Zukunft, in der ein unbeschwerteres freies künstlerisches Schaffen wieder möglich sein wird – ganz im Sinne des seinerzeit von Professor Jean-Christophe Ammann formulierten Mottos des Vereins: „Künstler sind das Salz in der Suppe“. Ein großer Dank der Frankfurter Künstlerhilfe, die mit ihrer ideellen wie auch materiellen Unterstützung manchen Kunstschaffenden ein – man kann schon sagen „Überleben“ – in krisenhafter Zeit ermöglicht hat!

 

Renate Feyerbachers persönlicher Jahresrückblick 

Zwei Künstlerinnen haben mich bei „Der Fliegende Holländer“ im August begeistert: die aus der Ukraine stammende Oksana Lyniv, die als erste Frau bei den Bayreuther Festspielen dirigierte, und die Sopranistin Asmik Grigorian, die in einer litauischen Sängerfamilie aufwuchs. Sie, weltweit gefeierter Star – auch in Frankfurt als Manon Lescaut –  faszinierte durch ihre wilde, freche Senta-Interpretation. Ein herrlich tiefsinniger Spaß war „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard am Schauspiel Frankfurt – Premiere im Juni. Eine Paraderolle für Wolfram Koch, seine Komik, sein körperlicher Einsatz, seine Spielfreude ließen Corona-Blessuren vergessen. Stark auch seine Mitspieler, vor allem Fridolin Sandmeyer als sein Sohn.
Im Juni verabschiedete sich Dirigent Andrés Orozco-Estrada in der Alten Oper von den Musikern und Musikerinnen des hr-Sinfonieorchesters und dem Publikum. Herausragend-virtuos die dreifache Grammy-Preisträgerin, die Geigerin Hilary Hahn. Ein bewegender Abschied.

Oksana Lyniv – Die erste Dirigentin in Bayreuth, Foto: Renate Feyerbacher

 

Hans-Bernd Heier steht auf Wiesbadens Landesmuseum

Jawlensky und Wiesbaden – das war gegenseitige Wertschätzung von Anbeginn: Vor hundert Jahren zog Alexej von Jawlensky (1864 – 1941) nach Wiesbaden. Seine expressionistischen Werke mit den glühenden Farben lösten in der Kurstadt begeisterte Resonanz aus. Laut seiner Kunstagentin Galka Scheyer hatten alle „einen Jawlensky-Fimmel“. Der Jahrhundertkünstler fühlte sich sofort hier wohl, wie er in seinen „Lebenserinnerungen“ schrieb: „Ich begegnete dort sehr netten Menschen“. In der exzellenten Jubiläumsausstellung „Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden“ präsentiert das Landesmuseum erstmals den kompletten eigenen Sammlungsbestand.

Alexej von Jawlensky „Nikita“, Öl auf Karton, 1910; Foto: Museum Wiesbaden, Bernd Fickert

Die insgesamt 111 Arbeiten umfassen alle Schaffensphasen des Malers von den frühen expressiven Köpfen bis zu seinem späteren seriellen Werk. Wie die Wiesbadener Sammlung im Laufe der Jahrzehnte zu der heute weltweit bedeutendsten Jawlensky-Kollektion ausgebaut wurde, können Besucher*innen aufgrund der originellen Hängung der Kunstwerke nach dem zeitlichen Erwerb höchst anschaulich nachvollziehen. Ergänzend erinnert in der Stadt der Jawlensky-Pfad (www.jawlenskypfad.de) an die überragende Bedeutung des Malers.

 

 

 

 

Simone Hamms Tipp:
Gleich zwei Berliner Ausstellungen

Was für eine (Wieder)-Entdeckung! Louise Stomps, ihre großartigen Skulpturen aus sechs Jahrzehnten sind im „Verborgenen Museum“ zu sehen, in der Berlinischen Galerie. Ein scheuer, geduckter Mensch aus Stein, entstanden 1947: der Fliehende. Ein abstrakter Waldmensch aus Holz, ein riesengroßer Gilgamesch aus Bronze. Louise Stomps zeigt Leiden, Flucht, Schutzlosigkeit. Die Bildhauerin, die 1988 starb, hatte sich in den sechziger Jahren in eine Mühle in Bayern zurückgezogen, wo sie bis zu ihrem Tode arbeitete. Ihr Werk ist von beklemmender Aktualität. Den Katalog gibt’s bei Hirmer.

Bei der Ausstellung über die „Gottbegnadeten“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin schwanke ich zwischen Wut und Traurigkeit. Zu sehen sind Werke von „Künstlern“, die Hitler und Goebbels zu den 100 „Gottbegnadeten“ ernannten. Sie mussten nicht zum Wehrdienst, wurden nach dem Krieg schnell entnazifiziert, weil sie weder etwas gewusst, noch geahnt hatten. Die Bilder des Expressionisten Felix Nussbaum hingegen wurden verbrannt. Er starb im KZ. Die von den Nazis begünstigten „Künstler“ konnten auch in den Nachkriegsjahren ihre Karriere unbeirrt fortsetzen, Arno Breker etwa modellierte Peter und Irene Ludwig, Kriegsmaler Paul Mathias Padua porträtierte Franz Josef Strauß. Der Katalog dazu ist bei Prestel erschienen.

 

Uwe Kammanns Seh-Glück – Eine Hommage an Georg Stefan Troller 

Ein runder Geburtstag – auch gleich noch der Hundertste! – war Anlass zu einem Festival des Glücks: der Fernsehsender 3sat widmete dem großen Fernsehjournalisten Georg Stefan Troller eine überaus sensible persönliche Annäherung durch die Filmemacherin Ruth Rieser. „Auslegung der Wirklichkeit“ überschrieb sie dieses Porträt, das viele Facetten dieses außergewöhnlichen Lebens aufzeigte und in langen Interviewpassagen vertiefte.
Welche Wechsel, welche Sprünge in diesen Stationen eines Jungen aus reichem jüdischen Elternhaus in Wien, der vor den Nazis floh, als amerikanischer Soldat nach Europa zurückkam und dann mit unnachahmlichem Ton filmische Gesamtkunstwerke schuf. Das doppelte Geschenk für uns: zehn packende Reportagen aus der ZDF-Reihe „personenbeschreibung“. Wer wissen oder nachsehen will, was großes Fernsehen ist, sollte die 3sat-Mediathek konsultieren. Mehr Seh-Glück geht nicht.

Uwe Kammann mit Georg Stefan Troller beim Deutschen Kamera-Preis 2008 in Köln; Foto: Petra Kammann

 

Paulina Heiligenthal entdeckt die Magie des Kloster Loccum

Mitte November verbrachten wir wieder ein langes Wochenende zum Schlemmen und Erholen am Steinhuder Meer. Ein wunderschöner Anblick beim Frühstück waren die zahlreichen Silberreiher, die sich zum ersten Mal am Ufer des Meeres angesiedelt hatten.

Die nahe und  besonders gut erhaltene Abtei Loccum (Rehburg-Loccum), ein von Mönchen gegründetes Zistensienserkloster aus dem zwölften Jh. mit  spiritueller Ausstrahlung, war ein Besuch wert. Sowohl die Gebäude als auch die Anlage, gehören zu den am besten erhaltenen nördlich der Alpen. Ein großer Park mit einem versteckten Zufluchtsort lädt zum Verweilen ein. In der Basilika  wurden wir von glockenhellem Kindergesang mit Weihnachtsliedern empfangen.

Das Kloster hat einen prächtigen Kreuzgang, der jetzt fast vollständig renoviert ist. An der eindrucksvollen HORA, einer 20-minütigen Andacht, die wochentags, jeweils um 18 Uhr stattfindet, sind auch Besucher und Pilger aus den Pilgerunterkünften herzlich willkommen. Auch hier  lautet das Motto: PORTA PATET, COR MAGIS! (Das Tor steht auf, das Herz umso mehr).

Der Kreuzgang im Kloster Loccum; Foto: Paulina Heiligenthal

 

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