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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

70 Jahre + 1 : Der Deutsch-Französischer Kreis Düsseldorf – Ein Rück- und Voraus-Blick

Savoir vivre, savoir parler und savoir fêter

In der Rhein-Metropole steckt ganz viel französisches Flair. Düsseldorf ist Standort eines französischen Generalkonsulates, eines Institut français, eines Lycée français und Sitz anderer französischer Einrichtungen und Unternehmen. 2020 wäre eigentlich das richtige Jahr für eine ausgelassene Jubiläumsfeier eines der ältesten deutsch-französischen Vereinigungen gewesen. Die Pandemie hatte den renommierten Freundeskreis jedoch dazu gezwungen, das schöne Projekt zu verschieben. Umso dankbarer waren die Mitglieder, dass ein Jahr später, kurz vor der vierten Welle, ein Zeitfenster gefunden wurde, dieses bedeutende Ereignis gemeinsam in einer Location mit geschichtsträchtiger Industriearchitektur live feiern zu können: in La Piscine, dem einstigen Arbeiterschwimmbad der Böhler Werke. Es wurde das Jubiläum 70 + 1, zu dessen Anlass die Präsidentin Ariane Bommers eine Rede hielt, aus der wir hier Auszüge zitieren.

v.l.n.r.: Jochen Hake, Vizepräsident der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa e.V. (VDFG), DFK-Präsidentin Ariane Bommers, Generalsekretärin Christiane von der Groeben, Oliver Keymis, Vizepräsident des Landtags NRW und Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Frankreich, Foto: Petra Kammann

„Wie ich sehe, haben Sie sich, liebe Mitglieder, zahlreich für unsere Feier angemeldet. Heute Abend haben wir die Ehre, einige Gäste unter uns zu begrüßen, die durch ihre Anwesenheit ihre Unterstützung und Freundschaft zum Ausdruck bringen. Herzlich begrüße ich: Oliver Keymis, Vizepräsident des Landtags NRW und Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Frankreich, Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land NRW und Programmbeauftragte für Deutsch-Französischen Magisterstudiengang Rechtswissenschaften der Universität Köln-Paris Panthéon-Sorbonne, Dr. Olivia Berkeley-Christmann, Generalkonsulin -Frankreich und Leiterin des Institut français, Christian Bommers, Bürgermeister der Stadt Meerbusch, Pierre Chalifour, Vizekonsul von Kanada, Jochen Hake, Vizepräsident der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa e.V. (VDFG) sowie Erik Cummerwie, Vorsitzender des Verbands der Deutsch-Französischen Chöre. 

Der Deutsch-Französische Kreis im Land Nordrhein-Westfalen wurde am 29. April 1950 in Düsseldorf gegründet. Die Wahl des Präsidiums und die amtliche Eintragung als eingeschriebener Verein erfolgten erst im Mai 1955. Den vorläufigen Vorsitz des Vereins übernahm das Ausschussmitglied, Herr Staatssekretär a.D. Carl Christian Schmid. Derweil fungierte Dr. Heinz Forsteneichner als Generalsekretär des DFKs.

Diese Gründung geschah kurz vor Robert Schumans Erklärung vom 9. Mai 1950, in der der französische Außenminister die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, vorschlug, um weiteren Kriegen zwischen den Erzrivalen Frankreich und Deutschland vorzubeugen.

Auf dem 2015 in Düsseldorf veranstalteten VDFG-Kongress zum Thema „Ohne Sprache kein Gespräch“ -„Par la langue à l’entente“ stellte die damalige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer die Zweisprachigkeit (Deutsch und Französisch) ins Zentrum ihrer Rede bei der Verleihung des Elsie-Kühn-Leitz-Preises, Foto: Petra Kammann 

Fünf Jahre nach Kriegsende spürten aufgeklärte Geister in beiden Ländern, dass die Zeit für eine Annäherung und Versöhnung der beiden ehemals verfeindeten Nachbarn gekommen war. In diesem historischen Kontext wurde der DFK gegründet. Der Standort Düsseldorf speziell für einen deutsch-französischen Kreis wurde mit Heinrich Heine und dem kulturell historischen Austausch zwischen Frankreich und dem Rheinland in Verbindung gebracht. Weitere Faktoren von großer Bedeutung waren der wirtschaftliche Standort sowie die industrielle Lage der Stadt Düsseldorf.

Die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes 2019 zu Gast, hier mit DFK-Vizepräsident Claus Gielisch; Foto: Petra Kammann

In der Politik war der Weg von der deutsch-französischen Erbfeindschaft hin zur deutsch-französischen Freundschaft lang und nicht immer einfach. Aber der unbedingte Wille der politischen Führer war unübersehbar. Im Ergebnis gilt die deutsch-französische Zusammenarbeit heute als intensiv, einzigartig und beispielhaft in Europa.

Die deutsch-französische Freundschaft: das klingt heute banal, ist es aber wahrhaftig nicht. Man muss sich vergegenwärtigen, dass das deutsch-französische Verhältnis überschattet war von großen und langen Konflikten beider Länder. Erst mit dem Elysée-Vertrag im Jahre 1963 wurde ein richtiges Freundschaftsabkommen geschlossen. In 2019 folgte der Aachener Vertrag, mit dem Deutschland und Frankreich noch enger zusammenrücken und mit einer gemeinsamen Stimme Europa stärken sollen.

Zum Vortrag kam aus Mülheim der General der Deutsch-Französischen Brigade Peter Mirow, Foto: privat

Auch im DFK haben wir seit 1950 unseren Weg gemacht, und welchen Weg! Was die Politiker aufgrund ihrer Zwänge nicht so schnell erreichen konnte, hat der DFK erreicht, weil wir als Verein auf der zivilgesellschaftlichen Ebene agieren.

In den ersten Jahren nach der Gründung des Vereins stand der Gedanke der Versöhnung mit Frankreich im Vordergrund. Diese Aussöhnung und Verständigung zwischen den beiden Nachbarländern sind gelungen!

Was ist die Bedeutung des DFK heute und was macht unseren Verein so besonders? Heute geht es darum, die über Jahrzehnte gewachsene Freundschaft zu konsolidieren und weiterzuentwickeln, auch mit Blick auf ein gemeinsam zu gestaltendes Europa. Dies gelingt durch einen intensiven Dialog in den Bereichen Sprache, Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.

Verleihung des Prix AbiBac 2021 live in kleinem Kreis im Düsseldorfer Rathaus mit OB Dr. Stephan Keller, Foto: Stadt Düsseldorf

Der DFK fördert besonders die Jugend in ihrer Ausbildung (z.B. durch die Verleihung des Prix AbiBac und des Romanistik-Preises) und macht sich die Erinnerungspflicht, le ,devoir de memoire‚, zur Aufgabe. Er verbindet und ist nicht exklusiv, weiß man doch um die Besonderheit des „Andersseins“ diesseits und jenseits des Rheins.

Der in Frankfurt geborene und in Paris lebende Politologieprofessor und Friedenspreisträger Alfred Grosser im Gespräch mit dem damaligen DFK-Präsidenten Dr. Cornelis Canenbley im Industrieclub, Foto: Petra Kammann

Wie (der Friedenspreisträger) Alfred Grosser (der mehrfach zu Gast war) es sagte: …“um das andere Land zu verstehen genügt es nicht, seine Weine zu verkosten und seine Musik zu hören. Man muss auch wissen, welchen ökonomischen, sozialen und politischen Problemen es gegenübersteht.“ In diesem Sinn bringt der DFK Menschen zusammen, die im konvivialen Austausch diese Neugierde teilen. Wie es Wilhelm von Humboldt so schön schrieb: „Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“

Gelebte Convivialité: v.l.n.r. Teamassistentin Christine Guha, Vizepräsident Dominique Genton und Präsidiumsmitglied Florence Tadros-Morgane, Foto: Petra Kammann

Eine deutsch-französische Freundschaft, wie wir sie im DFK über die Zeit aufgebaut haben, erfordert nicht nur Zeit und Geduld. Sie erfordert auch einen permanenten Willen, ja die Passion seiner Führungsorgane, sich zu engagieren. Frieden und Freundschaft sind, auch wenn es so selbstverständlich erscheint, keine Errungenschaft für die Ewigkeit. Man muss sich stets bewusst sein, dass ständig Risiken einer Entfremdung lauern.

An den ausgelassenen Tanz in besonderen Zeiten zu vorgerückter Stunde werden sich die Mitglieder dankbar erinnern, Foto: Petra Kammann

Wenn man die freundschaftliche Beziehung nicht behutsam pflegt, kann diese schöne Blume auch verwelken. Die Freundschaft ist nicht nur ein Geschenk, sondern ist auch eine dauerhafte Aufgabe. Wie formulierte es Voltaire so treffend: „Das erste Gesetz der Freundschaft lautet, dass sie gepflegt werden muss. Das zweite lautet: sei nachsichtig, wenn das erste Gesetz verletzt wird.“ Wir dürfen mit Dankbarkeit auf eine wunderschöne Entwicklung des DFKs in Düsseldorf zurückblicken.

Mit Zuversicht schauen wir in die Zukunft, auch wenn Europa zur Zeit zerbrechlich wirkt und zum Beispiel das Lernen der französischen und deutschen Sprache in beiden Ländern an Attraktivität verloren hat. Wir haben über 70 Jahre lang eine sehr solide Basis für unseren Kreis geschaffen.

Es wird wichtig bleiben, dass wir den Willen und die Begeisterung nicht nur in dieser Generation, sondern auch in der nächsten Generation entfachen. Die Pflege der deutsch-französischen Freundschaft ist eine wunderschöne Aufgabe. Solange wir diese Aufgabe mit einem unermüdlichen und notwendigen Engagement verfolgen, habe ich für die Zukunft keine Sorge.

Lebendige Gespräche bei einem festlichen Essen, Foto: Petra Kammann

Der aktuelle Schritt ist es nun, die Verjüngung unseres Vereins voranzutreiben und eine wunderschöne, intergenerationelle Gemeinschaft zu formen. Die Verbindung zwischen der Weisheit und Erfahrenheit unserer älteren und treuen Mitglieder und der Dynamik der jungen Mitglieder wird uns den Weg in die Zukunft voller Hoffnung und Optimismus ebnen und die Kontinuität unseres Vereins sicherstellen.

Die drei neuen Präsidiumsmitglieder voller Tatendrang; v.l.n.r.: Gaëtan Faivre mit Ariane Bommers, Dr. Constanze Tiwisina, Dr. Alexander Arfert, Foto: Petra Kammann

Es ist mir ein großes Anliegen, bei dieser Gelegenheit unsere Mitglieder sehr herzlich für ihre Treue über die vielen Jahre und die Solidarität während der Zeit der Pandemie zu danken. Ebenfalls möchte ich betonen, dass ohne das Engagement aller meiner Vorgänger und aller Generalsekretäre seit 1950 der Erfolg des DFKs nicht möglich gewesen wäre. Deswegen möchte ich sie auf diese Weise in die Feierlichkeiten dieses besonderen Jubiläums mit einbeziehen.“

Gut vernetzt und namensgleich, links: Christian Bommers, Bürgermeister von Meerbusch, mit DFK-Präsidentin Ariane Bommers, die  optimistisch in die Zukunft  blickt, Foto: privat

„Merci chers amis d‘être là. Vive l’amité franco-allemande, vive le Deutsch-Französischer Kreis et vive la Grande Fête maintenant.“

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