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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„You Kunst“ und „Stadtparcours“: Ergebnisse zweier Kunstworkshops an Schulen im Heussenstamm

Meine Orte, Meine Stadt

Gesehen von Petra Kammann

Unter Leitung des Fotografen Peter Loewy beschäftigten sich Schüler:innen der IGS Süd in dem Workshop „YouKunst“ fotografisch mit den eigenen Orten in der Stadt, dem Viertel oder anderen Lieblingsorten, während Schüler:innen der Anne-Frank-Schule unter Leitung der Künstlerin Maike Häusling ihren „Stadtparcours“, die Topografie der Stadt und die vertrauten Routen der Jugendlichen in eine künstlerische Sprache verwandelten. Die Arbeiten sind noch bis zum 18. Dezember im Heussenstamm. Raum für Kunst und Stadt zu sehen. Manches der ausgestellten Bilder bietet sich auch als originelles Weihnachtsgeschenk an…

Bei genauem Hinschauen entdeckt man auch manch Passendes zur Gefühlslage; Foto: Petra Kammann

Die langen Monate des Lockdown haben einerseits den Blick frei gemacht für die positiven Seiten des täglichen Lernens in der Schule, aber auch für das Wahrnehmen des städtischen Raums und für das, was sich in ihm abspielt, geschärft. Eine Chance, die sich durchaus auch andere Schulen als Experimentierfeld nicht entgehen lassen sollten. Davon zeugt die so variationsreiche wie anregende Ausstellung im Heussenstamm.

Vielfältige Blick auf die Stadt; Foto: Petra Kammann

An der IGS Süd hat Peter Loewy, der in Tel Aviv geborene und in Frankfurt lebende Fotograf, der selbst gerade auch seine eigene Ausstellung in Essen zum Thema „All About Tel Aviv. Jaffa. Die Erfindung einer Stadt“ vorbereitete, mit den Schüler:innen einen Werkblock erarbeitet, wie diese ihre Stadt mit anderen Augen sehen können.

Natürlich konnte er ihnen dafür wichtige Anregungen geben, denn er hatte in Tel Aviv ebenfalls einen Blick hinter die Kulissen dieser israelischen Stadt mit ihren komplexen Realitäten, hinter deren Mythen und Abgründe geworfen, hinter die Stadt, die von legalen und illegalen Einwanderern und Flüchtlingen gebaut und geprägt wurde. Den Austausch mit den Jugendlichen empfand er daher wohl auch als sehr befruchtend.

Vielfältig waren die Motive, welche die Schüler:innen auf den Streifzügen durch ihre Stadt oder durch ihr eigenes Viertel entdeckten. Mit ihrer Kamera (häufig als Kamerauge im Handy integriert) sind sie also durch die Innenstadt gestreift, haben dabei das eigene Viertel oder die Besonderheiten ihres Schulwegs entdeckt, aber auch verborgene Ecken oder besondere Graffiti. Der Blick auf die Innenräume, das eigene Zimmer oder Fundsachen veränderte sich ebenfalls. Und in einigen Fällen lernte der Foto-Dozent Loewy sogar von den versierten Jugendlichen kleine technische Tricks.

Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy (links) erläutert einem Besucher das Konzept; Foto: Petra Kammann

Natürlich waren für die Jugendlichen auch die teils dramatischen Lichtstimmungen auf den charakteristischen Gebäuden oder Naturinseln in der Stadt von besonderer Bedeutung. Kurzum: Orte, die ihnen wichtig waren, standen für sie im Fokus. Und sie setzten sie in Szene. Darüber konnten sie sich dann auch im Anschluss im Team austauschen und Anleitungen bekommen, wie sie das, was sie ausdrücken wollten, noch einmal kompositorisch würden steigern können.

All das stärkte ihren Eigensinn und ihre gestalterische Leidenschaft. Die Ergebnisse nun in einem professionellen Ausstellungsraum zu erleben, dürfte daher eine kleine Kompensation für die entbehrungsreiche und frustrierende Phase der Pandemie sein. Manche von ihnen begreifen sie im Nachhinein auch als Chance zum Umdenken, zu mehr Konzentration auf Wesentliches. Und es festigte ihr Selbstbewusstsein.

Der farbige „Parcours der Pandemie“ im Hintergrund als Gemälde, rechts außen Maike Häusling und Peter Loewy; Foto: Petra Kammann

Die freischaffende Multi-Media-Künstlerin Maike Häusling mit dem Schwerpunkt Malerei, Installation und bewegtes Bild arbeitet grundsätzlich konzeptionell und probiert Ideen aus, die jeweils eng mit einem Ort verknüpft sind. Als Schulkünstlerin an der Anne-Frank-Schule arbeitet sie zudem mit einem interdisziplinären Künstler:innenteam von der Hölderlin-Schule in Bad Homburg zusammen. Kontinuierlich konzipiert und leitet sie Workshops für das Bildungsprogramm des Museums Sinclair-Haus und für den Ausstellungsraum Heussenstamm.

Unter ihrer Leitung entwickelten die Schüler:innen Textcollagen und abstrakt anmutende Bilder, die wiederum den Pandemie-Alltag mit beeindruckenden Botschaften und Linien spiegeln, welche die Gefühlsschwankungen darstellen oder die neue Wirklichkeit hinterfragen.

Auch Textcollagen entstanden, die den Gefühlshaushalt in anderer Weise stimulierten; Foto: Petra Kammann

Christian Kaufmann, der Verantwortliche vom Heussenstamm motivierte in seiner Ansprache die Heranwachsenden, sich mit ihrer Stadt zu identifizieren und an der Stadt von Morgen weiter mitzuwirken. Die Pandemie habe ihnen sicher entsprechende Impulse geliefert, den öffentlichen Raum anders zu bewerten. Denn in der Corona-Zeit waren es vor allem menschliche Kontakte, die den Jugendlichen fehlten und die durch kein digital verfügbares Material, durch keine Videokonferenz und kein Telefonat ersetzt werden konnten. In solchen Momenten spürt man auch, was man in einer Stadt vermisst wie etwa besondere Treffpunkte und Plätze, an denen man sich locker treffen kann.

Begrüßung durch Christian Kaufmann , Leiter der Heussenstamm-Stiftung (links, Mitte); Foto: Petra Kammann

Umso wichtiger wurde für alle Beteiligten die Teamarbeit in den Kunstworkshops, in denen man sich im Gespräch mit den externen Kursleitern, die man nicht nur als zusätzliche Hilfslehrkräfte ansah, sondern mit denen man sich als interessierte, teilnehmende und liebevolle Partner austauschen konnte. Maike Häusling war dabei gezielt folgenden Fragestellungen gefolgt: „Wie nehmen Jugendliche ihren Stadtraum wahr? Welche Wege nehmen sie in ihrem Alltag? Welche Hindernisse begegnen ihnen?“ Und nicht zu guter Letzt: „Wie geht es den Heranwachsenden in fast zwei Jahren Pandemie?“

Grafische Spurensuche auf der Ausstellungswand vereint; Foto: Petra Kammann

Mit der grafischen Umsetzung der Schulwege entstanden als Antwort auf diese Fragen nicht nur die Linoldruck-Serie, bei der sie gleich auch noch die Siebdrucktechnik erlernten, sondern auch das große eindrucksvolle Wandbild „Parcours der Pandemie“ als Gemeinschaftswerk mit den persönlichen Stimmungskurven, deren Spur sich im Verlauf der letzten zwei Jahre in die Psyche der Jugendlichen eingeschrieben hatte. Diese Ausschläge sind nun wie eine Fieberkurve individuell ebenfalls sichtbar, denn für jede-n Einzelne-n stand eine Extra-Farbe, die zur Komposition des ganzen Gemäldes beitrug, zur Verfügung.

Stadtparcours

Das Kunstvoll-Projekt an der Anne-Frank-Schule unter der Leitung von Maike Häusling mit Collagen und Druckgrafik wurde vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain unterstützt. Beteiligt waren folgende Schüler:innen: Zümra Aslan, Mirela Fehratovic, Viktoria Glombik, Pablo Gorgiovski, Luca Hoffmann, Elissa Jasar, Elias Ouataleb, Nemanja Pfiffner, Maimuna Shahjahan, Sarah Zadran sowie Schüler:innen der Klasse 8 a, Schuljahr 2021

 

„YouKunst“

Der Workshop  „YouKunst“ unter der Leitung von Peter Loewy an der IGS Süd wurde von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft gefördert. Beteiligt waren folgende Schüler:innen: Annika, Berdan, Falk, Joelle, Joleen, Josephine, Joshua, Louis, Luise, Nia, Sebastian

 

Heussenstamm.Raum für Kunst und Stadt
Braubachstraße 34
60311 Frankfurt

Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr.
Es gilt die 2G-Regel.

www.heussenstamm.de

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