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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Preisverleihung der Ingrid zu Solms-Stiftung

Exzellente Forschungsarbeiten

Ein Beitrag von Renate Feyerbacher

„Für eine Weiblichkeit, die ihren Verstand und ihre Fähigkeiten benutzt, um diese Welt ein bißchen würdiger zu machen“, so die Worte der Stifterin Dr. Gräfin Ingrid zu Solms-Wildenfels, die am 19. November 2021 zur dreifachen Preisverleihung in die Evangelische Akademie Frankfurt eingeladen hatte.

Professorin Elisabeth Endres, Gräfin zu Solms-Wildenfels, Prof. Claudia Scheimbauer; Foto: Gunnar Schanno

Etwa 20 junge Forscherinnen aus Deutschland und auch aus Österreich erhielten seit 1995 den Medizinpreis für medizinische Grundlagenforschung oder ärztliche Psychotherapie, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Nun ging er zum zwölften Mal an PD Dr. Anne-Katrin Pröbstel.

Zuerst gab es den Medizinpreis. Dem folgte der Preis für Natur-, Lebens- und Ingenieurswissenschaften, der mit 5000 Euro  eine herausragende Promotion mit einer zukunftsorientierten Forschungsrichtung in der Physik, der Biologie, der Chemie, der Mathematik, der Informatik oder in den  Ingenieurswissenschaften würdigt. Acht Preisträgerinnen gab es bisher. Er ging an Professorin Dr. Claudia Isabella Scheimbauer. Zuletzt wurden diese Preise im Herbst 2019 verliehen.

Da der Gräfin die Kultur am Herzen liegt – eine ihrer Leidenschaften gilt der Musik, vor allem der Oper – musste natürlich ein Kulturpreis her, der alle zwei bis fünf Jahre verliehen wird. Er ging jetzt an die Architektin und Ingenieurin Professorin Elisabeth Endres.

Zuletzt war der Preis Ende Januar 2020 an die Cellistin Raphaela Gromes verliehen worden. Corona verhinderte übrigens ihre Berufung als Artist in Residence beim Hessischen Rundfunk, der sie erneut zum Neujahrskonzert 2022 in Wiesbaden verpflichtete.

Schließlich wurde noch der Menschenrechtspreis ins Leben gerufen, der 5000 Euro beschert und alle zwei bis drei Jahre vergeben wird. Gräfin zu Solms-Wildenfels erinnerte an Zarifa Ghafari, die im Juli  den Preis für 2020 erhielt. Sie musste aus Afghanistan fliehen.

Für die Stifterin hat der Menschenrechtspreis eine wichtige Bedeutung.

Die Frauen, die vorgeschlagen werden oder sich bewerben, sollen nicht älter als 40 Jahre sein. Fachleute beurteilen die Arbeiten.

Anne-Katrin Pröbstel; Foto: The Guthy-Jackson Charity Foundation / bereitgestellt von der IzS-Stiftung

Christof von Kalle von der Berliner Charité, Professor für Onkologie, hob die Bedeutung von Frau Pröbstels Forschung hervor. Er nannte ihre Arbeit eine besondere Herausforderung. Es geht um die Erforschung und Behandlung von autoimmunen neuroinflamatorischen Erkrankungen – darunter insbesondere Multiple Sklerose (MS).

Da etwa zehntausend Menschen jährlich an MS erkranken und derzeit viele junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren betroffen sind und die Tendenz steigend ist, hält Christof von Kalle die Arbeit der Neurologin Prof. Anne-Katrin Pröbstel für dringend und wichtig. Er lobt ihre Fähigkeiten in  der klinischen Neurologie, die mit hoher Motivation, Energie und Sinn für Innovation gepaart ist und spricht von einem „beeindruckenden Weg im Bereich der Translation von Labor und klinischer Neuroimmunologie“.

Studiert hat die junge Wissenschaftlerin in München, in Paris, an der Harvard Medical School, sie war Stipendiatin in Sydney und promovierte am Max-Planck-Institut für Neurobiologie mit „summa cum laude“, absolvierte ihre klinische Ausbildung am Universitätsspital Basel, war dann noch zu einem Forschungsaufenthalt in den USA.

Der schweizerische Nationalfond ermöglichte ihr, eine eigene Forschungsgruppe in Basel aufzubauen. Zu ihren bisherigen Auszeichnungen kommt nun der Medizinpreis der IzS dazu.

Prof. Dr. Claudia Scheimbauer, Professur für Topologie, Zentrum Mathematik – Post M2 , TU Muenchen Foto: Uli Benz / TUM

Auch die Preisträgerin des Natur- Lebens- und Ingenieurwissenschaften-Preises Claudia Isabella Scheimbauer ist eine Koryphäe.

Sie hat sich in ihrer Doktorarbeit mit den mathematischen Beweisskizzen der „Kobordismus-Hypothese“ des jungen Amerikaners Jacob Lurie, die 2008 Aufsehen erregte, beschäftigt. Lurie erhielt für seine Arbeit einen der höchst dotierten Mathematikpreise. „In der Mathematik ist der Begriff des Kobordismus vor allem in der Topologie und ihren Anwendungen sowie in der topologischen Quantenfeldtheorie von Bedeutung.“ (Zitat Internet)

Der emeritierte Professor Wolfgang Grill betont in seiner Laudatio, dass es Professorin Scheimbauer gelungen sei, Luries Vermutungen „erheblich zu revidieren und anwendungsrelevant zu adaptieren.“ Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit haben große Resonanz in Fachkreisen ausgelöst. 2020 war sie zum Workshop am Mathematical Sciences  Research Institute in Berkley als eine von zwei Wissenschaftlerinnen eingeladen und durfte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen Minikurs abhalten. Ihre Arbeit spielt bereits jetzt eine zentrale Rolle.

An der Technischen Universität München hat sie heute im Bereich Mathematik die Professur für Topologie inne.

Prof. Elisabeth Endres; Foto: Ingenieurbüro Hausladen/ IzS-Stiftung

Elisabeth Endres verließ München, da sie vor zwei Jahren als Professorin für Gebäudetechnologie an die TU Braunschweig berufen wurde und die Leitung des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur übernahm. Bis dahin hatte sie u.a. an der TU München (TUM) studiert, promoviert und lange in der Fakultät für Architektur mitgearbeitet. 2010 erhielt sie den „Preis für gute Lehre der TU München und war auch Frauenbeauftragte der Fakultät für Architektur.

Neben ihrer Professur in Braunschweig hat sie Lehraufträge an der Akademie der Bildenden Künste München und an den Hochschulen von Wismar und Salzburg. Außerdem ist sie Mitglied der Geschäftsführung des Ingenieurbüros Hausladen in der Nähe von München. Sie war Mitarbeiterin am Lehrstuhl Bauklimatik und Haustechnik, geleitet von Professor Gerhard Hausladen. Das Motto des Büros: „Bauen und der Einsatz von Technik sind lediglich Mittel zum Zweck, das Wohlbefinden des Menschen sicherzustellen oder zu steigern. Wenn es uns gelingt dies mit geringem Energieaufwand und bei geringer Umweltbelastung zu tun, dann liegen wir richtig.“

Professorin Dipl.Ing. Endres, die immer Architektin werden wollte, arbeitet in Praxis und Forschung und da an der Schnittstelle von Architektur und technischen Systemen. Dabei geht es um die Integration in Gebäudestrukturen.

Im Magazin der TU Braunschweig informiert sie in einem Interview mit Bianca Loschinsky ausführlich über ihre Gedanken und Pläne. Überschrift des Beitrags „LowTech heißt nicht No-Tech“. „LowTech vs. HighTech“ war Thema ihrer Forschungsarbeit.

Sie fragt, ob wir im Hinblick auf technische Systeme und Material das alles wirklich immer brauchen, und ob nicht weniger genügt. Die Superlativen im Bauwesen „Höher, Schneller“ hinterfragt sie. Wieviel Technik brauchen wir wirklich? Wie wenig ist genug? Sie halte es nicht für erstrebenswert, dass alles durch Apps gesteuert wird. Denn da sind Fehler schon vorprogrammiert.

Ihre Vision von der Stadt der Zukunft beschreibt sie so: „Lebendig, mit viel öffentlichem Verkehr und weniger Individualverkehr, gutem öffentlichem Raum und neuen Wohnformen. Sehr dicht, und von den Nutzungen her gemischt und energetisch gut vernetzt. Für mich ist die Stadt der Zukunft die produzierende Stadt. Das betrifft ganz viele Bereiche, sowohl das Gärtnern in der Stadt als auch Energieproduktion und Gewerbe.“

Der Pianist Julian Riem und die Cellistin Raphaela Gromes; Foto: Renate Feyerbacher

Krönender Abschluss der Preisverleihung war der musikalische Beitrag des Duos Raphaela Gromes und Julian Riem, den vorzüglichen Begleiter und Klaviersolisten.

Es ist ein großes Verdienst der Ingrid zu Solms-Stiftung, dass sie uns mit jungen Wissenschaftlerinnen bekannt macht, deren Arbeiten bereits von internationaler Bedeutung sind. Frauen in der Forschung zählen bislang doch immer noch zu den unbekannten Wesen. Solche Preisverleihungen rücken sie in die Öffentlichkeit.

Aufgenommen werden die Preisträgerinnen ins IzS-Fellowship, ein berufs- und karriereorientiertes Netzwerk. Die Mitgliedschaft setzt die erkennbare Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung bei der Karriereplanung, -förderung und -umsetzung voraus.

 

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