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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Maskerade“ Komische Oper von Carl Nielsen an der Oper Frankfurt

Witz, Humor und tiefere Bedeutung

von Renate Feyerbacher

Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Bekannt ist der dänische Komponist und Dirigent vor allem durch seine symphonischen Werke – sechs Sinfonien, ein Violinkonzert, durch Kammermusik, Bühnenmusiken und zahlreiche Liedkompositionen. Nur zwei Opern schrieb er. Seine zweite „Maskerade“, die 1906 in Kopenhagen uraufgeführt wurde, hatte am 31. Oktober in der Oper ihre Frankfurter Erstaufführung. In Deutschland so gut wie unbekannt, wird sie in Dänemark als Nationaloper angesehen.

Susan Bullock (Magdelone) und Tänzer*innen

Carl Nielsen (1865-1931) war auf der Insel Fünen das siebte von zwölf Kindern des Tagelöhners, Anstreichers und seiner Frau. Die Eltern wurden als musikalisch beschrieben und schickten ihren Sohn bereits mit acht Jahren zum Geigenunterricht, da lernte er Trompete und spielte mit dem Vater auf den Dorffesten. Mit 14 wurde er ins Regimentsmusikkorps Odense aufgenommen, mit 17 bewarb er sich mit einem Streichquartett am Kopenhagener Konservatorium, wurde angenommen, finanziell und ideell unterstützt. Er erfuhr auch später viel Unterstützung: so erhielt er unter anderem ein neunmonatiges Reisestipendium für Deutschland.

Er wurde als größter Komponist Dänemarks gepriesen, was im Ausland allerdings als regionale Übertreibung abgetan wurde.

Nielsens Frau, die er in Paris kennengelernt hatte, war eine berühmte Bildhauerin, die viel unterwegs. war. Als er die„Maskerade“ komponierte, war er monatelang mit den drei Kindern allein. Die Scheidung drohte. Er habe das Werk in einem Lebensabschnitt geschrieben, in dem er sehr unglücklich war, hat er später gesagt. Die Lage könnte einen gewissen Einfluss auf das Werk ausgeübt haben.

Titus Engel, der derzeit an der Oper Frankfurt die Wiederaufnahme von „Salome“ dirgiert, leitet hier auch das groß besetzte Frankfurter Opern- und Museumsorchester, das wieder ausgezeichnet musiziert. Die intensive Beschäftigung, die Begeisterung für die Komik der Musik, wie Engel es nennt, ist zu spüren. Er, 2020 Dirigent des Jahres, tätig an allen großen europäischen Häusern und Liebhaber moderner und barocker Töne, begeistert sich für Nielsens Stilmix: Kunstmusik, volkstümliche Musik, Tanzformen und die überraschenden Wendungen.

 von vorne nach hinten: Monika Buczkowska (Leonora; Neongrün), Michael Porter (Leander; Jeans), Barbara Zechmeister (Pernille; Krone), Liviu Holender (Henrik; rote Perücke), Susan Bullock (Magdelone; rot-weiß), Michael McCown (Leonard; weiß)

Nielsen wählte als Libretto den Text von Vilhelm Andersen nach der Komödie „Die Maskerade“ des dänischen Molière Ludvig Holberg, die er sich 1724 ausgedacht hatte. Frankfurt überrascht mit einer neuen deutschen Fassung von Regisseur und Übersetzer Martin G. Berger auf.

Regisseur Tobias Kratzer wollte ursprünglich die Oper lieber in der Originalsprache inszenieren, weil er den dänischen Sprachklang für reizvoll hält. Die Entscheidung für die neue Fassung hält er aber für gut. „Mindestens die Hälfte des Witzes liegt bei diesem Werk im Libretto.[..] In der Oper altert die Sprache oft schneller als die Musik“ (Programmheft. S.19) Die Reimkaskaden des Originaltextes und die Begrifflichkeiten wurden in eine neue deutsche Form gebracht. Wie wichtig für Kratzer der Text ist, zeigt sich darin, dass die Zuschauer nicht klein in Übertiteln informiert werden, sondern in großen Lettern auf der Bühne. Eine tolle Idee vor allem für schlechte Augen.

Nicht allen schien jedoch die Übersetzung bei der Premiere zu gefallen.

Tobias Kratzer, der sich in Frankfurt mit L’africaine (2018) und La forza del destino (2019) hervortat und in Bayreuth mit  dem Tannhäuser nach der Kritikerumfrage der Opernwelt Opernregisseur des Jahres 2020  und  Träger des FAUST-Theaterpreises wurde, hat mit „Maskerade“ ein inszenatorisches Meisterstück geschaffen. Die Stimmung im Publikum während der Aufführung war aufgeschlossen fröhlich und der Beifall am Ende frenetisch.

Um was geht es eigentlich? Der erste Aufzug präsentiert ein Matratzenlager, das sich Bühnenbildner und Kostümbildner Rainer Sellmaier  ausdachte, der mit Tobias Kratzer schon lange zusammen arbeitet, u.a. auch in Bayreuth. Rundherum viele Türen, Treppenstufen. Um die beiden schlafenden jungen Männer, Tänzerinnen und Tänzer, die immer wieder das Geschehen aufmischen.

Leander, Sohn des Hauses, des Kopenhagener Bürgers Jeronimus, und sein Diener und Freund Hendrik haben die Nacht auf einem Maskenball zugebracht. Leander hat sich in eine Schöne verliebt. Der Vater will ihn aber unbedingt – wie vereinbart – mit der Tochter des Geschäftsfreundes Leonard verheiraten. Abgesehen davon hasst er Maskeraden, betrachtet sie als Teufels-Schnick-Schnack. Er verbietet seinem Sohn und Hendrik, das Haus zu verlassen und lässt sie durch seinen Diener Arv (Samuel Levine) bewachen.

Arv ist aber durch seine eigenen Verfehlungen erpressbar. Es kommt wie es kommen muss, die Beiden entkommen. Übrigens sympathisiert Magdelone, Ehefrau von Jeronimus, (die großartige Susan Bullock) heimlich mit den jungen Leuten und auch mit Leonard (Michael Mccown), welcher der Schwiegervater des Sohnes werden soll. Das allerdings weiß sie nicht, weil alle zuvor von dem Maskenverkäufer (Danylo Matviienkko) mit neuen Identitäten versorgt wurden. Ein wahrer, geradezu amüsanter Generationenkonflikt.

Holberg reklamierte bereits im Prolog seiner Komödie von 1724: „[..] wir haben schon genug dicke, träge Leute, was wir vor allem brauchen, sind junge, wendige.“ (Programmheft)

Im Vordergrund v.l.n.r.: Alfred Reiter (Jeronimus; liegend), Susan Bullock (Magdelone; rot-weiß) und Michael McCown (Leonard; im Tennis-Outfit) sowie hinten v.l.n.r. Danylo Matviienko (Ein Maskenverkäufer) und Samuel Levine (Arv)

Jeronimus kann es nicht lassen und macht sich auf, Leander und Henrik auf dem Maskenball zu suchen. Paare finden und verlieren sich. Alle Mädchen sind auf der Hut: „Der Mann, in Rückschau und Fern-Prognosen. Bleibt ein betrügendes Ding in Hosen!“

Henrik kämpft mit Pernilles Eifersucht (herrlich Barbara Zechmeister). Leander und die unbekannte Leonora (schöne Stimme Monika Buczkowska), Tochter von Leonhard, gestehen sich ihre Liebe. Ein Magister (Gabriel Rollinson) kommt auch noch zu Wort.

Ein Höhepunkt des 3. Aufzugs ist die Tanzpantomime. Choreograf Kinsun Chan hat sich ein atemberaubendes Tanz-Durcheinander ausgedacht, das Joachim Klein mit seinen Lichtspielen unterstützt. Die Musik fasziniert. Der Chor, den Tilman Michael einstudierte, exzellent.

Als der Meister der Maskerade (Bozidar Smiljanic) das Fest beendet, beginnt für Jeronimus die Demaskierung.

Henrik war Nielsens Lieblingscharakter – gewissermaßen sein Alter ego. Er ist wie Nielsen eine gesellschaftlich kritische Figur, ein Revoluzzer. Wie Liviu Holender ihn singt und spielt, begeistert. Leander, fein der Tenor von Michael Porter, ist ein verwöhntes Bürschchen und kümmert sich nur um seine allerdings wichtige Liebesangelegenheit.

Bass Alfred Reiter gefällt durch seine markante Stimme und sein Spiel als muffeliger Jeronimus. Die drei Sänger verhelfen „Maskerade“ maßgeblich zum lustvollen Erfolg.

Außer Susan Bullock und Samuel Levine gehören alle Protagonisten zum Ensemble, das wieder mal seine ausgezeichnete Qualität beweist.

Weitere Aufführungen:

im November: am 13.11., 20.11., 28.11.

im Dezember: am 2.12. und 4. 12.2021

telefonischer Vorverkauf: 069 – 212 49 49 4

www.oper-frankfurt.de

 

 

 

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