„L’italiana in Londra“ – Intermezzo in musica von Domenico Cimarosa
Europäische Liebesverwicklungen
von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt
Katastrophie, Manie und Klischees haben den amerikanischen Regisseur R.B.Schlather, der vor zwei Jahren in Frankfurt mit Händels „Tamerlano“ debütierte, interessiert. Diese fünf Personen, die das Hotel nie verlassen, fesseln ihn. Die komischen Situationen schlachtet er aus, den überdrehten Charakteren lässt er freien Lauf. Für ihn ist ein Hotel ein metaphorischer, abstrakter Ort, „ein Ort der Fantasie, existenziell und frei schwebend zugleich..“ Besucher können so lange bleiben wie sie wollen, sich amüsieren, an der Bar plaudern, sich neu erfinden usw.usw.
v.l.n.r. Theo Lebow (Sumers), Angela Vallone (Livia), Bianca Tognocchi (Madama Brillante), Iurii Samoilov (Milord Arespingh; am Boden sitzend) und Gordon Bintner (Don Polidoro)
Den Komponisten kannte der Regisseur bis dato nicht. Der britische Dirigent Leo Hussain, besonders an Mozarts Interpretationen interessiert, hatte mal als Kind Cimarosas Flötenmusik gespielt, aber er wisse tatsächlich so gut wie nichts über Cimarosa.
Dabei war Domenico Cimarosa (1749 -1801) ein Zeitgenosse von Mozart, ein gefragter Opernkomponist seiner Zeit. Weit über 60 Opern brachte er zustande. Mit der „L’italiana in Londra“, Ende Dezember 1778 in Rom uraufgeführt, begründete er seinen Ruhm. Der Sohn eines Maurers und einer Wäscherin, der eine Bäckerlehre begonnen hatte, bekam ein Stipendium am angesehenen Konservatorium Santa Maria di Loreto in Neapel, in dessen Nähe er geboren wurde.
Kaiserin Katherina II berief ihn 1787 als Kapellmeister an den Zarenhof nach St. Petersburg als Nachfolger von Giovanni Paisiello und Giuseppe Sarti. Dort komponierte er zwei Opern, eine Missa, Kammermusik und Kantaten. Zwischenaufenthalt in Warschau, dann Wien. 1791 hatte ihn sein persönlicher Gönner Kaiser Leopold II. als Nachfolger von Antonio Salieri nach Wien eingeladen. Seine berühmteste Oper „Il matrimonio segreta“ hatte hier 1792 eine grandiose Uraufführung. Ein Jahr danach kehrte er nach Neapel zurück, wo er sich sechs Jahre später am Aufstand gegen die französische Besatzung beteiligte und vier Monate auf Ischia inhaftiert war.
Dann gab es wieder einen Opernauftrag und er zog mit Familie nach Venedig, wo er mit 52 Jahren starb und auch beerdigt wurde. Im Pantheon in Rom wurde er von Antonio Canova als Büste verewigt. Heute ist er kaum noch bekannt, selbst unter Musikern.
Das Libretto wimmelt von Klischees, Albernheiten, die Musik ist witzig, humorvoll und poetisch-leicht.
Johann Wolfgang von Goethe, der sich für Cimarosa begeisterte, nennt ihn nach einer Aufführung „einen vollendeten Meister; der Text ist nach italienischer Manier und ich habe die Bemerkung gemacht: wie es möglich wird, dass das Alberne, ja das Absurde sich mit der höchsten ästhetischen Herrlichkeit der Musik so glücklich verbindet“ (Zitat Programmheft). Besser kann es nicht ausgedrückt werden. Der Humor ist schuld.
Sehr albern ist es manchmal schon, und Schlather kostet das aus.
Angela Vallone (Livia; unten) und Bianca Tognocchi (Madama Brillante; oben)
Das Hotel, das Paul Steinberg als Kulisse schuf, ist wuchtig, schwarz-weiße Fachwerk-Optik. Er gewährt keinen Blick ins Innere, aber es gibt Türen, die sich teils öffnen lassen bzw. gelegentlich fällt da eine Tür-Attrappe heraus. Ihr folgt eine Slapstick-Einlage. Ausgefallen sind auch die Kostüme von Doey Lüthi und Joachim Kleins Lichtkünste sind ebenfals bewundernswert.
Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester begleitet einfühlsam, gekonnt das vorzügliche Quintett: zwei Sopranistinnen, ein Tenor, ein Bariton und ein Bassbariton. Alle fünf gehören dem Ensemble an, das wieder sein hohes qualitatives Niveau beweist.
Die Amerikanerin Angela Vallone singt Livia, die schöne Tochter aus gutem italienischen Haus, die von ihrem Geliebten Milord Arespingh sitzen gelassen wurde, und nun hofft sie, ihn in London zu finden. Sie hat sich als Mademoiselle Enrichetta aus Marseille eingecheckt .
Die Italienerin Bianca Tognocchi ist die pfiffige, bodenständige, mondäne Madame Brilliante, die Hotelbesitzerin, die sich nach einem Partner sehnt. Die beiden Frauen haben sich angefreundet.
v.l.n.r. Iurii Samoilov (Milord Arespingh), Gordon Bintner (Don Polidoro) und Theo Lebow (Sumers)
Die Pension beherbergt bereits den Niederländer Sumers, einen international tätigen Geschäftsmann, gesungen vom amerikanischen Tenor Theo Lebow, und außerdem den italienischen Lebemann Don Polidoro, gesungen vom kanadischen Bassbariton Gordon Bintner. Er sehnt sich nach Italien, wo man laut lachen darf und günstig und gut essen kann.
Dann taucht Milord Arespingh auf, Sänger ist der ukrainische Bariton Iurii Samoilov. Dieses internationale Team beschert ein Spektakel, das sich immer weiter hochschaukelt. „Aber alles wird gut“ und endet mit zwei Hochzeiten.
Nicht nur die sängerischen Qualitäten der Solisten begeistern, sondern auch die komödiantischen Darstellungen. Ein Riesenspaß, der das Publikum immer wieder zum herzhaften Lachen herausfordert.
Die zwei Stunden und 50 Minuten inklusive Pause – in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln – vergehen wie im Flug. Allerdings muss der Mundschutz während der ganzen Zeit getragen werden. Eine Bestimmung des Gesundheitsamtes. Nur so ist es wieder möglich, das Frankfurter Opernhaus komplett zu füllen.
Weitere Aufführungen
am 15., 24. (15,30 Uhr), 30. (18 Uhr) Oktober, am 5. November.
Die Vorstellungen 15.10 und 5.11. beginnen um 19.30 Uhr.
www.oper-frankfurt.de und telefonischer Kartenverkauf 069 -212 49 49 4