home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Von spleenig bis kriminell – ungewöhnliche Exponate aus der reichhaltigen Sammlung des Museums für Kommunikation Frankfurt

Kurzweilige Kuriositäten

Von spleenig bis kriminell – ungewöhnliche Exponate aus der reichhaltigen Sammlung

Von Hans-Bernd Heier

Als der Kölner Horst Tress vor einiger Zeit seinen Briefkasten öffnete, dürfte er sich die Augen gerieben haben: Lag doch in seiner Post-Box ein frankierter hölzerner Tischtennis-Schläger, mit dem ihm der Wiesbadener Fluxus-Aktivist und Sammler von Alltagskuriositäten M. Berger einen Gruß übersandte. Statt der üblichen Papier-Postkarte hatte die Post das etwas sperrige Sportgerät zu entsprechend höheren Porto-Gebühren transportiert und korrekt ausgeliefert. Der frankierte Tischtennis-Schläger ist nur eines der vielen originellen Exponate der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, die jetzt in der höchst kurzweiligen Schau „Kuriose Kommunikation. Ungewöhnliche Objekte und Geschichten aus der Sammlung“ im Kommunikations-Museum Frankfurt zu sehen sind.

Tischtennisschläger als Mail Art-Postsendung, 1981; Michael Berger; © Bert Bostelmann/ MSPT

Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation (MSPT) mit Sitz in Bonn unterhält neben Museen in Berlin, Frankfurt und Nürnberg einzigartige Sammlungen in Heusenstamm und der Bundeshauptstadt sowie das Archiv für Philatelie in Bonn. Die Museumsstiftung wurde 1995 im Zuge der bundesdeutschen Postreform gegründet. Die historischen Wurzeln der Stiftung gehen allerdings auf die Gründung des Reichspostmuseums in Berlin zurück. In der rund 150-jährigen wechselvollen Sammlungsgeschichte wurden unzählige Objekte, oft einzigartige Schätze zusammengetragen, welche die Sammlung heute zu einer der größten und reichhaltigsten Kollektionen zum Thema Kommunikation machen. Die Sammlungen dokumentieren die historische Entwicklung des Post- und Fernmeldewesens in ihren vielfältigen Ausprägungen – bis hin zu den facettenreichen Erscheinungsformen der Kommunikation in Gegenwart und Zukunft.

„Viele der Gegenstände sind typisch für die jeweils gängigen Formen des Austauschs von Mitteilungen zu unterschiedlichen Zeiten. Sie repräsentieren damit die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und zeigen, wie und mit welchen Mitteln wir uns verständig(t)en. Die Kollektionen dokumentieren die historische Entwicklung des Post- und Fernmeldewesens in ihren vielfältigen Ausprägungen“, so Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums für Kommunikation Frankfurt und Leiter der Museumsstiftung Post und Telekommunikation. „Doch immer wieder finden sich in den Depots auch kuriose Objekte, die durch eine ungewöhnliche Nutzung überraschen, eine außergewöhnliche Geschichte oder ein besonderes Design haben. Sie erzählen von Kreativität und Witz, mitunter auch von Not und Mangel. Sie zeigen die Vielfalt der Dinge und Wege, die Techniker*innen, Erfinder*innen und Laien entwickeln, um Botschaften zu überbringen“, ergänzt Dr. Matthias Lieb, Kurator der Ausstellung.

Ein Hingucker ist der große runde Tisch mit den meist in Eigenbau aufgehübschten Telefon-Apparaten; Foto: Hans-Bernd Heier

Die höchst unterhaltsame Schau im Forum des Kommunikationsmuseums widmet sich diesen Kuriosa. Insgesamt sind 115 Exponate – originelle, spleenige, exzentrische, verschrobene, groteske bis kriminelle – aus allen Sammlungsstandorten, unterschiedlichen Epochen und verschiedensten Nutzungsbereichen versammelt. Ihre Geschichten sind in handlichen Begleitheften nachzulesen, die jeder Besucher kostenlos erhält. Die Ausstellung ist in sechs Themenbereiche gegliedert, die unterschiedliche Aspekte kurioser Kommunikation beleuchten: „Es geht auch anders“, „Einzigartigkeit in Serie“, „Marke Eigenbau“, „Unterwegs“, „Gegen die Regeln“ und „Technik, die begeistert?“.

Mit vielen Gegenständen verbinden wir ganz bestimmte Materialien, aus denen diese üblicherweise hergestellt werden und die uns vertraut sind. Weicht das Material nun plötzlich ab, so ergibt sich meist ein überraschender Bruch, den wir als kurios empfinden. „Dabei wird mit unseren Erwartungen gespielt und es ergeben sich neue Perspektiven. Die Gründe für den Materialwechsel sind vielfältig: Sie reichen von spontanen Einfällen über Experimentierfreude bis hin zu künstlerischen Motiven“, erläutert Lieb. Verblüffende Beispiele dafür sind die statt der üblichen Postkarten aus Papier gezeigten Ersatzmaterialien: Wer denkt schon daran, einen Kartengruß auf einen Tischtennisschläger, eine Parkscheibe, ein Palmblatt oder einen Bierdeckel zu schreiben? Letzteres vielleicht der Politiker Friedrich Merz, als er seine Idee von der Steuererklärung auf einem Bierdeckel propagierte.

Gelungenes Textil-Recycling: Herrenanzug aus ausgedienten Postsäcken und Stuhl mit Luftpostbeuteln als Bespannung; Foto: Hans-Bernd Heier

Auch bei der Wahl des Trägermaterials für Briefmarken haben sich die dafür zuständigen Post-Direktionen einzelner Länder Erstaunliches einfallen lassen. Statt auf Papier hat beispielsweise Liechtenstein 1932 aus Anlass des 300-jährigen Staatsjubiläums selbstklebende Postwertzeichen auf Textil gestickt herausgegeben. Und Österreich hat 2015 die erste Freimarke auf Leder gedruckt. Bei diesem ausgefallenen Wertzeichen in kleiner Auflage sind zwei Wahrzeichen des Alpenstaats kombiniert: Lederhose und Swarovski-Kristall. Zwei Jahre später folgte eine Briefmarke auf Holz. Die gesamte Auflage von 130.000 Exemplaren wurde aus einer 210 Jahre alten Eiche aus dem Wienerwald gefertigt.

Bei vielen Stücken der facettenreichen Sammlung der Museumsstiftung handelt es sich um Geräte und Produkte, die in größerer Stückzahl hergestellt sind und überwiegend die Kommunikation im Alltag der Menschen prägen. Doch daneben gibt es auch die besonderen Einzelstücke, die in dieser Form in der Regel nur als Unikate existieren und die Sammlung bereichern. Sie sind häufig das Ergebnis kreativer Prozesse, der Lust am Tüfteln und Experimentieren. Viele beschäftigen sich in ihrer Freizeit gerne mit der Reparatur, Verbesserung und Verschönerung liebgewonnener technischer Geräte. Dies zeigt sich insbesondere bei den Telefonapparaten im Themenbereich „Einzigartigkeit in Serie“.

Telefon „WX-2179“ in Form einer Coca-Cola-Dose, 2009; © Bert Bostelmann / MSPT

Lange Zeit herrschte bei Telefongeräten wenig Auswahl bezüglich Design und Farbgebung. Standardisierte Modelle, die von der Post zugelassen und bereitgestellt wurden, bestimmten den Kommunikationsmarkt und demzufolge die Wohnzimmer der Telefonnutzer. Eigene Akzente ließen sich zunächst nur durch das Anbringen von Verzierungen oder den Anschluss nicht erlaubter Geräte aus dem Ausland setzen. Das beflügelte die Fantasie und Kreativität von Tüftlern und Bastlern, die der Einrichtung in den eigenen vier Wänden eine persönlichere Note geben wollten, wie die präsentierte Auswahl der verzierten, meist in Eigenbau selbst umgestalteten Apparaten zeigt – angefangen von mit Brokathauben verzierten Fernsprechapparaten bis hin zum Enten- oder exzentrischen Duschkopftelefon.

„Duschkopftelefon“, 1995, Foto: Hans Bernd Heinrichs; © Bert Bostelmann/ MSPT

Die Geschichte der Post und Telekommunikation ist auch eine Geschichte der Beschleunigung. Um Botschaften schneller übermitteln zu können, werden stets neue Transportmöglichkeiten und technische Hilfsmittel ersonnen. Nicht alle erwiesen sich als zuverlässig oder sinnvoll, stehen aber für den Erfindungsreichtum kreativer Menschen. Ein Beispiel ist die Großrohrpost in Hamburg. Sie galt Anfang der 1960er Jahre als ein Pilotprojekt zukunftsweisender innerstädtischer Transportmöglichkeiten undsollte eine vom zunehmenden Straßenverkehr unabhängige schnelle Postbeförderung gewährleisten. Eine zwei Kilometer lange Versuchsstrecke wurde 1962 in Betrieb genommen. Schnell zeigte sich, dass die Betriebskosten zu hoch waren und die Anlage zudem störanfällig war. Immer häufiger blieben die großen Behälter in den Rohren stecken, so dass der Betrieb 1976 mangels Wirtschaftlichkeit eingestellt wurde.

Transportbüchse mit Musterbriefen der Großrohrpost Hamburg, 1962, Ingenieurbüro Herrmann Doss; © Peter Boesang / MSPT / Museum für Kommunikation Berlin

Technische Fortschritte verlaufen selten geradlinig, das trifft auch auf den Kommunikationssektor zu. Auf den ersten Blick scheint sich zwar eine nachvollziehbare Reihe von Entwicklungen zu ergeben, an deren Ende marktfähige Produkte stehen können. „Doch schaut man genauer auf die Geschichte der Post und Telekommunikation, so fällt auf, dass Innovationen stets auch von Irrungen, Wirrungen und Sackgassen begleitet werden“, so Kurator Lieb. „Nicht immer löst eine neue Idee auf Anhieb die nötige Begeisterung aus, die sie zum Erfolg braucht“. Aus heutiger Sicht erscheinen manche der vergangenen Neuheiten reichlich kurios und abseitig“, wie die Stehlampe mit eingebautem Schallplattenspieler. Auch über den Nutzen anderer technischer Neuerungen lässt sich trefflich streiten: beispielsweise beim Kassettenspieler „Dormiphone“, der laut Hersteller das schnelle Lernen im Schlaf ermöglichen soll, oder das „Unterwäsche-Set Love“, das eine Verbesserung des Liebeslebens verspricht, und – erwähnt sei noch das „iPotty“, eine Kindertoilette mit iPad-Halterung.

Manche der neuen Produkte sind sogar illegal, wie die interaktive Funktionspuppe „My Friend Cayla“ mit eingebautem Mikrofon und eigner App, die 2014 sogar zum „Top 10 Spielzeug“ gewählt wurde. Drei Jahre später hat die Bundesnetzagentur den weiteren Verkauf der Puppe verboten, weil es sich bei Cayla um eine funktionsfähige Sendeanlage handle, mit der heimlich Tonaufnahmen angefertigt und diese unbemerkt weitergeleitet werden konnten.

Stehlampe mit eingebautem Schallplattenspieler, um 1925; © Bert Bostelmann/ MSPT

In der spannenden Schau werden auch Exponate gezeigt, die eindeutig illegal waren und einzig betrügerischen Zwecken dienten, wie manipulierte ausländische Münzen von geringerem Wert, die sich in den Sammelbehältern der Münzfernsprecher fanden. Ältere Sammelmünzen mir geringem Wert landeten ebenfalls als unzulässige Zahlungsmittel bei der Post.

Auch Telefonkarten-Apparate waren vor Betrug keineswegs sicher. Bei der Einführung der Telefonkarten mit eingebautem Chip im Jahre 1986 galt das System zunächst als weitgehend fälschungssicher. Doch bereits wenige Jahre später belehrten technisch versierte Betrüger*innen die Telekom eines Besseren. Es tauchten Chipkarten auf, mit denen Nutzer*innen kostenlos telefonieren konnten. Aus Einzelfällen entwickelte sich gegen Ende der 1990er Jahre ein „System organisierter Kriminalität“, so Lieb. Der Schaden bei der Telekom summierte sich auf Millionenhöhe.

Die äußerst unterhaltsame Ausstellung „Kuriose Kommunikation. Ungewöhnliche Objekte und Geschichten aus der Sammlung“ ist bis zum 20. Februar 2022 im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen; weitere Informationen unter: www.museumsstftung.de

Comments are closed.