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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Amadigi“, Oper seria von Georg Friedrich Händel im Bockenheimer Depot

Verwirrende Zaubereien

„Amantes amentes“ („Liebende sind Verrückte“), Worte über der Bühne.

von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Georg Friedrich Händel hat eine Vorliebe für Hexen und Zauberinnen. Melissa ist solch eine außergewöhnliche Zauberin in der Zauberoper „Amadigi“, eine der ersten von 42 Opern, die Händel insgesamt komponierte und die 1715 in London uraufgeführt wurde. Seinerzeit war sie auch auf dem Festland erfolgreich, denn das Publikum liebte und wollte diese Art Spektakel.

Kateryna Kasper (Oriana) und Brennan Hall (Amadigi)

Die Musik ist sehr schön, das Libretto lässt zu wünschen übrig. Die Handlung teilt sich unter vier Personen auf, Chor und Ballett gibt es nicht. Wer das Libretto geschrieben hat, ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass es Nicola Francesco Haym war, der für den Komponisten hin und wieder arbeitete. Die Geschichte basiert auf einem Ritteroman aus den Artussagen. Der italienische Regisseur Andrea Bernard sagt, Amadigi sei kein Ritter, kein Held. Er ist ein Jammerlappen. Bernard hält ihn für eine egoistische Figur. Das wird später sehr in seinem Verhalten zu Oriana deutlich, die ihn abgöttisch liebt.

Die Freunde Amadigi und Dardano, die beide Oriana lieben, werden von der Zauberin Melissa, die kein menschliches Wesen und zu lieben nicht fähig ist, festgehalten wie auch Oriana. Melissa wird verzehrt von einer Sehnsucht nach Liebe, aber in Wahrheit ist sie herzlos – eben kein Mensch, aber auch solche Menschen können herzlos sein. Sie will unbedingt Amadigi haben, besitzen und schürt die Eifersucht zwischen den Freunden. „Voll von Eifersucht benutzt sie alle Figuren als Versuchskaninchen [..], um sie und ihre Gefühlswelten [..] zu studieren und ihnen ihre Gefühle schlussendlich zu entziehen.“ (Bernard)

Amadigi und Oriana wollen fliehen, aber Dardano verrät Melissa den Fluchtplan, weil er Oriana für sich gewinnen will. Drohungen, bösartige Verwandlungen von Dardano, folglich Schmuserei mit Oriana, die glaubt, Amadigi vor sich zu haben, spitzt das Geschehen zu. Natürlich bekommt Amadigi das mit, misshandelt geradezu Oriana, das ist unglaublich realistisch, ich denke an die vielen Femizide hierzulande.

Elizabeth Reiter (Melissa) und Brennan Hall (Amadigi)

Oriana beteuert ihre Unschuld, glaubt Amadigi sei tot und will sich umbringen. Auch er droht mit Suizid. Dardano wird schließlich von Amadigi ermordet und Melissa denkt nur an Rache, aber Dardanos Geist lässt sich von ihr nicht mehr manipulieren und beschwört den Schutz für die Liebenden. Damit erlöscht Melissas Zauberkraft, die nicht mehr existieren will. Zwei Tote sind zu beklagen.

Wasserreich soll es bei der Londoner Uraufführung zugegangen zu sein. Diese Idee haben Regisseur Andrea Bernard und Bühnenbildner Alberto Beltrame bei der Frankfurter Erstaufführung aufgegriffen.

Elizabeth Reiter (Melissa) und Brennan Hall (Amadigi)

Beltrame hat ein schmales Bassin gebaut, in das eingestiegen, aber auch untergetaucht und weggetaucht werden kann. Duschen sind an der anderen Seite der Bockenheimer Bühne installiert. Gewöhnungsbedürftig. Nach „Amadigi“ hat Händel übrigens die „Wassermusik“ komponiert.

Die Zuschauer sitzen dennoch so nah wie möglich am Geschehen, das Orchester allerdings ganz hinten, verdeckt durch einen Gazevorhang. Das ist schon bedauerlich, denn die Musik fasziniert und das Orchester ist wieder vorzüglich: fünfzehn Streicher, vier Bläser, Laute, Orgel und Cembalo bescheren einen wundervollen Klang.

Dirigiert wird es von Roland Böer, der von 2002 bis 2008 Kapellmeister an der Frankfurter Oper war und dort immer wieder zu Gast ist. Die Liste seiner Dirigate auf der ganzen Welt ist lang. Für seine herausragenden Verdienste um das kulturelle Leben in Montepulciano erhält er die Ehrenbürgerschaft.

Keiner habe diese Händel Oper gekannt, so Böer in Oper extra. Er macht aufmerksam, dass Melissas erste Arie und Dardanos letzte Liebes-Todes-Arie in e-Moll stehen.

Beth Taylor (Dardano) und Kateryna Kasper (Oriana)

Und er macht besonders auf die beiden weiblichen Rollen aufmerksam: Elizabeth Reiter als Melissa und Kateryna Kasper als Oriana. Zwei Sopranistinnen mit sehr unterschiedlichen Klangfarben, die diese Charakterunterschiede eindrücklich darbieten. Sie tragen entscheidend diese Inszenierung.

Der amerikanische Countertenor Brennan Hall, immer wieder an der Oper Frankfurt zu hören, zuletzt als Andronico in „Tamerlano“, singt Amadigi. Im ersten Teil ist seine ausgeprägte  Stimme stark, lässt später aber nach – zu verhalten am Schluss.

Dardano wird von der jungen schottischen Mezzosopranistin Beth Taylor gesungen. Ihre Stimmtiefe gefällt.

 

Aufführung noch am 7.10.2021

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