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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Neue (Wand-)Farben für die „Alten Meister“ im Städel Museum

Doch vor allem ein neues Lichtkonzept bringt die Bilder zum Strahlen

Von Uwe Kammann

Für viele immer noch unglaublich: Die Götter waren bunt. Jene nämlich der Antike, die seit der Klassizismus-Verehrung in der Allerweltsvorstellung weiß waren, marmorweiß. Dabei trugen sie, wie das Liebighaus in seiner gerade beendeten zweiten Sonderausstellung zeigte, ein prächtiges und kräftiges Farbenkleid. Auch die Räume des Skulpturenmuseums selbst hatten schon vor Jahren den Farb-Wandel mitgemacht, zeigten tiefgrundierte Primärfarben.

Von blau zu grau: Der Kuppelsaal mit seinen kostbaren Gemälden; Foto: Petra Kammann

Nicht anders erging es vor zehn Jahren jenen Wänden des Städel, die in der oberen Etage jenen Bildern als Hintergrund dienten, die unter dem Ehren- und Epochentitel „Alte Meister“ als Kunst-Schatzkammer der Sonderklasse das Museum auch im internationalen Vergleich glänzen lassen – ein Hochkaräter neben dem anderen, in der Provenienz von Italien bis in die Niederlande und Flandern reichend, mit vielen Namen, die alles versprechen und noch mehr halten, darunter auch die deutschen Fixsterne von Cranach über Holbein und Dürer bis Elsheimer.

Aufgehellt: das Elsheimer-Kabinett; Foto: Petra Kammann

Die Städel-Liebhaber werden sich erinnern: Auf einmal strahlte damals der zentrale Kuppelsaal genau in der Achse des Treppenaufgangs in einem klaren Blau, verblüfften die seitlichen Blickachsen mit venezianischem Rot, überraschten Seitenräume mit kräftigem Grün. Wer jetzt die Treppe emporschreitet und die Flügeltür zu den Alten Meistern passiert, erlebt – parallel zum Großereignis der Rembrandt-Ausstellung im Peichl-Anbau – ein neues Seh-Abenteuer: alle Räume sind verwandelt in: ja, eine Abfolge von Grautönen.

Sehr edle Grautöne sind es, das teilt sich dem Auge sofort mit. Sie changieren zwischen einem dunkleren Mittelgrau, leicht zum Antrazith spielend, und helleren Abstufungen, die in sich, von Raum zu Raum verschieden, jeweils zarteste Zugabe von blau, grün, violett tragen. Wirklich, dreimal zu betonen: Es sind zarteste Anspielungen auf solche Farbwerte, in höchst delikater Weise abgetönte Spielarten des Grau.

Neu gemischt: die flämische und niederländische Malerei; Foto: Petra Kammann

Das alles wirkt ausgesprochen edel, kostbar, ist auch handwerklich perfekt ausgeführt auf sorgfältig geglätteten Wänden. Doch ist es tatsächlich eine Reminiszenz an den inneren Nachkriegs-Umbau des Städel, ein Reflex des Geistes der 50er Jahre, wie es Städel-Direktor Philipp Demandt in einer Journalistenrunde erläuternd anführte? Da sind Fragen erlaubt. Während Städel-Sammlungsleiter Jochen Sander sicher uneingeschränkt zuzustimmen ist, wenn er sich nur noch mit Grausen an den Rauhputz erinnern mag, der bis zur Neugeburt mit Primärfarben den Meisterwerken einen dusteren Schmutzhintergrund zumutete – und die Besucher sich abwenden ließ.

Gründlicher Sanieren der Substanz: Städeldirektor Philipp Demandt, Foto: Uwe Kammann

Jetzt also die erneute Verwandlung, in einer vereinfachten Formel von Demandt gekennzeichnet als „von knallig zu dezent“, mit der Generalintention, die Bilder „zum Strahlen zu bringen“. War die vorherige Konstellation also ein Irrtum, waren die kräftigen Farben ein Irrweg, dessen Fehlleitungen sich schon nach einem Jahrzehnt erkennen ließen? Nun, so einfach kann es nicht sein, denn die gerade vollständige restaurierte und im Inneren neugestaltete Semper-Galerie in Dresden setzt genau auf diese kräftigen Farben. Und die in der Substanz ebenso reiche Berliner Gemäldegalerie hat von Anfang an ein solch sattes Farbkonzept verfolgt, allerdings mit stoffbespannten Wänden. Und das Wallraff-Richartz-Museum in Köln hat diese Mittel ebenfalls geradezu exzessiv eingesetzt.

Aus der Mode? Botticelli auf roter Wand?; Foto: Petra Kammann

Insofern: Die jetzige Neukonzeption in den Alte-Meister-Sälen des Städel hat sicher auch damit zu tun, wie es die Verantwortlichen andeuteten, dass ab und an, wie in einem Haushalt, der Wunsch da ist, das Vorhandene abzulösen und Neues an die Stelle zu setzen. Der Laie würde schlicht sagen: Tapetenwechsel. Und wahrscheinlich ebenso simpel feststellen, dass es eben Moden gibt, deren innere Beweggründe in musealen Zusammenhängen natürlich gerne mit Hinweisen auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und internationale Präsentationsentwicklungen erklärt werden.

Sammlungsleiter und Stellvertretender Städel-Direktor Prof. Dr. Jochen Sander, Foto: Uwe Kammann

Nun, solche Beweggründe sind natürlich nur schwer einzuschätzen. Hier, so sagen dies neben Philipp Demandt auch überstimmend die für alten Meister zuständigen Sammlungsleiter Jochen Sander und Bastian Eclercy, sei es ein sehr aufwändiger innerer Abstimmungsprozess gewesen, der zur jetzigen (eben: „dezenten“) Lösung geführt habe; ein Prozess ohne aufwändige Reisen, um noch einmal den letzten Stand anderer Institutionen mit ähnlichem Rang vergleichend heranzuziehen.

Eines lässt sich mit Blick auf das Ziel, die Glanzstücke der Sammlung in bestmöglicher Weise „zum Strahlen zu bringen“, ganz uneingeschränkt sagen: Dies ist vor allem gelungen, weil das mit der Renovierung ebenfalls verbundene neue Lichtkonzept tatsächlich alle Werke in ganz anderer Weise als zuvor ins rechte Licht setzt. Dank einer LED-Technik auf aktuellem Stand ergibt sich eine Mischung aus einer gleichmäßigen Oberlicht-Flächen-Beleuchtung und einer individuellen Punkt-Beleuchtung (die aber als solche kaum wahrzunehmen ist);  eine Mischung, die allen Bildern zu einer geradezu körperlich spürbaren Präsenz verhilft.

Sammlungsleiter: Bastian Eclercy; Foto: Uwe Kammann

Wer von den so erhellten Alte-Meister-Sälen in die übrigen Räume des Museums wechselt, der nimmt die Unterschiede nahezu schmerzlich wahr. So ungünstig, geradezu falsch erscheint dort das Licht, so unentschieden und blässlich (ein automatischer Reflex?) auch die dortige Farbgebung der Wände. In der Summe, das wird mehr als deutlich, ist das neue Licht- und Farbkonzept für die Alten Meister ein deutlicher Gewinn.

Derzeit noch eine Baustelle: Die Umgestaltung des Städelgartens; Foto: Uwe Kammann

Und sicher, so heißt es auf eine entsprechende Frage aus dem Städel, werde man – es ist ja einiges auf den Weg gebracht, so wie jetzt die Umgestaltung der Gartenanlagen – nach und nach auch die anderen Säle neu ausstatten; was natürlich in erster Linie eine Frage der Mittel sei. Mittel übrigens, die im jetzt abgeschlossenen Fall mit einer Dreiviertelmillionen Euro erstaunlich niedrig ausgefallen sind. Was sicher damit zu tun hat, dass die neue Wandgestaltung mit eigener Binnen-Arbeitskraft gestemmt wurde. Auch dürfte dazu beigetragen haben, dass es für einen Lichtspezialisten wie die Firma Zumtobel eine Prestigeangelegenheit, sprich: ein werbendes Aushängeschild ist, ein solches ambitioniertes Lichtprojekt – das per App viele individuelle Steuerungen erlaubt – auszuarbeiten und zu installieren.

Besseres Licht für die kostbaren „Italiener“; Foto: Petra Kammann

Kenner wissen: Es gibt auf der Welt vornehmlich zwei Unternehmen, welche vor allem bei Kulturbauten oft die erste Wahl sind, weil sie mit puristischer Gestaltung und ultramoderner Technik die Gebäude und die Objekte per Licht inszenieren können: Zumtobel und Erco. Wie edel und zurückhaltend Zumtobel Licht ‚setzen’ kann, davon kann sich jeder Besucher seit Jahren im Liebighaus überzeugen. Erco wiederum ist gerade in der Dresdner Gemäldegalerie zum Zuge gekommen. In diesen und allen vergleichbaren neuen Objekten kann man nur staunen: Ja, das ist heute möglich. Und wirklich meilenweit entfernt von den früheren Installationen (hier hat Jochen Sander noch Albtraum-Erinnerungen an die Neonröhren über den mattierten Oberlicht-Glasfeldern).

Also, ganz eindeutig: In der Summe ist die Neugestaltung der Räume für die Alten Meister ein Gewinn. Vor allem, das sei noch einmal betont, wegen der hervorragenden Lichtführung. Über die eine elegante Graupalette umspielende Farbgestaltung wird sicher eher debattiert werden. Manche werden diese zurückhaltende, ins Neutrale driftende Farbgebung als angemessene Zurückhaltung loben; andere werden die vorherige Frische und Sattheit vermissen, welche den Meisterwerken der frühen Epochen eine schöne Lebendigkeit verliehen haben.

Asymmetrischer Empfang auf der Ebene der „Alten Meister“; Foto: Uwe Kammann

Was aber, so jedenfalls der erste Eindruck, ziemlich misslungen ist, erlebt der Besucher auf dem oberen Treppenumgang. Denn in merkwürdiger Asymmetrie beherrschen jetzt wenige Großformate die nun ins Schwarze spielenden Wände. Sie wirken mit ihrer mehrfach gewachsten Putzoberfläche ausgesprochen edel, deuten an, dass wir hier Kostbares erwarten dürfen. Doch gleichzeitig scheinen sie zu sagen: Hier stimmt irgendetwas nicht, hier ist der Gesamtauftritt aus der Balance geraten.

Ein Leichtes wäre es, das zu ändern. Es sei denn, das sich einstellende Gefühl der Unsicherheit ist gewollt. Das wäre natürlich modern, entspräche den gängigen Dogmen – sonst würde man sich vielleicht zu behaglich im Kunst-Arkadium einrichten. Wir werden sehen. Und können uns auf eines verlassen: Die materielle Moderne wird im immer wieder fulminanten Städel-Keller weiter in schneeweißen Räumen ihre Heimat haben. Der White Cube dürfte ziemlich unsterblich sein, Mode hin oder her. Es sei denn …

 

 

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