„Katastrophe. Was kommt nach dem Ende?“- Eine Ausstellung im Deutschen Filmmuseum
Katastrophen im Film – Panikmacher oder ein Abbild der Realität?
von Renate Feyerbacher
Die Katastrophe, ein ursprünglich aus dem antiken Drama kommender Begriff, beschreibt ein elementares Naturereignis, eine „Wendung zum Niedergang“, also keine alltägliche Erfahrung. Dennoch fragt man sich, ob Katastrophen die Zukunft bestimmen, vor allem Naturkatastrophen: angefangen von Erdbeben, Tsunamis, Überflutungen wie durch die Hamburger Sturmflut von 1962, über Dürren, Waldbrände, Vulkanausbrüche –wie derzeit auf La Palma, Einschläge von Himmelskörpern – die vor allem durch den Klimawandel bedingt sind. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Einschläge von Himmelskörpern kann der Mensch nur geringfügig beeinflussen, wohl aber den Klimawandel.
Blick in die Ausstellung „Katastrophe. Was kommt nach dem Ende?“, Foto: Renate Feyerbacher
Volker Moosbrugger, bis 2020 Generaldirektor der Senckenberggesellschaft, Professor für Paläontologie und historischer Geologe an der Frankfurter Goethe-Universität, schreibt im Katalog zur Ausstellung „Katastrophe“, der viele wissenschaftliche und visuelle Informationen bietet: „Demgegenüber greift der Mensch massiv in alle exogenen und biogenen Prozesse der Erde ein und kann entsprechend so das Auftreten von Naturkatastrophen positiv oder negativ beeinflussen. Zu den aktuell größten, vom Menschen ausgelösten globalen Risiken gehören sicher der Klimawandel durch Ausstoß von Treibhausgasen und der rasche Verlust biologischer Vielfalt durch Zerstörung von Natur und Eintrag von Schadstoffen in die Natur.“ (DFF-Katalog S. 34)
SPIEGEL-Titelblatt vom untergehenden Kölner Dom, Foto: Renate Feyerbacher
Ursprünglich sollte die Ausstellung im November 2020 eröffnet werden, das verschob sich nun auf den 13. Juli diesen Jahres. In der darauf folgenden Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 fielen in Teilen von Rheinland Pfalz und Nordrhein Westfalen dann innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter.
Die Folgen für die Menschen vor Ort waren verheerend. Waren sie gewarnt oder haben sie Warnungen, die Behörden Tage zuvor ausgesprochen hatten, überhört oder auf die leichte Schulter genommen? In vielen Orten kam der Katastrophen-Alarm zu spät. Dieses Ereignis, in einem Gebiet, das prädestiniert zu sein scheint für vergleichbare Katastrophen, ähnelt den Hochwasserereignissen von 1804 und 1910 im Ahrtal. Wurden notwendige bauliche oder technische Maßnahmen ausgesetzt?
Naturkatastrophen kann der Mensch nicht entkommen. Jährlich gibt es etwa 20 Millionen „Umweltflüchtlinge“. Eine neue Prognose spricht aufgrund des Meeresspiegel-Anstiegs durch den Klimawandel von einer großen Steigerung. Umsiedlungen, so heißt es, werden die Folgen sein.
Kuratorin Stefanie Plappert, Foto: Renate Feyerbacher
Zwei Jahre haben die Vorbereitungen zur Ausstellung im Deutschen Filminstitut gedauert. 300 Filme wurden dafür gesichtet, so Kuratorin Stefanie Plappert. Unterstützt wurde sie dabei unter anderem von der neuen Leiterin des Senckenberg Museums Brigitte Franzen, die zunächst zwar Kunstgeschichte studierte und ihre Doktorarbeit über das Verhältnis von Kunst und Natur schrieb, aber schon als Kind mit dem Thema vertraut war. Mit ihrem Vater, dem Paläontologen und Messelforscher Jens Lorenz Franzen, besuchte sie ständig das Senckenberg Museum.
Sie erinnert an „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome von 1972. Doch was ist seither geschehen? „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ (Zitiert nach Wikipedia).
Was ist bisher passiert? Ständig ist vom Wachstum die Rede, nicht aber vom Schutz der Erde.
Brigitte Franzen, Foto: Renate Feyerbacher
Gleichzeitig gibt es eine Katastrophen-Faszination. Entsprechende Abbildungen von Höhlen, auf Flugblättern, Fotografien und in Zeitungen haben die Menschen schon immer fasziniert. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist es der Film. Die Auswahl-Filmografie im Katalog, an dem sich viele Wissenschaftler beteiligt haben, beginnt mit dem französischen Film „La Martinique“ aus dem Jahr 1902.
Die Darstellungen von Katastrophen gliedern sich in sechs Themenbereiche: Idylle, Warnsignale, Katastrophe, Rettungsbemühungen, Apokalypse und Neuanfang.
Warnsignale: Roland Emmerichs Eissturmthriller „The Day after tomorrow” von 2004, der Furore machte, hatte die globale Erwärmung und ihre Folgen ebenso zum Thema wie den erfolglosen Versuch des Wissenschaftlers, die politischen Entscheidungsträger zu warnen. Wird die akute Eiszeit durch die Umlenkung des Golfstroms Fiktion oder eine mögliche Realität?
In dem Film „Briefe eines Toten“ (UdSSR 1986) geht es um die Zeit nach einem Atomkrieg, der durch einen Computerfehler ausgelöst wurde. Ein Wissenschaftler schreibt an seinen Sohn. Apokalypse total. Premiere hatte der Film in der Bundesrepublik – genau ein Jahr nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986. In einem Podcast, der im Internet zugänglich ist, spricht die Kuratorin über drei Plakate, die in der Ausstellung zu sehen sind.
Plakat „Briefe eines Toten“; Foto: Renate Feyerbacher
Plakate, Objekte vor allem Filmausschnitte beleben die Ausstellung, die von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung wie Dr. Martin Cepek und Professorin Katrin Böhning-Gaese begleitet wurde. In filmischen Statements bringen die Doktorinnen Irina Ruf und Jutta Zipfel sowie die Professoren Andreas Mulch und Thomas Hickler ihr Fachwissen ein. Spannend, ihnen zuzuhören.
Reklame für das Thema am Mainufer, Foto: Renate Feyerbacher
Texte zu Katastrophen-Vorstellungen in Kunst und Literatur sind auch darunter. Und abschließend skizzieren Experten und Expertinnen unterschiedlicher Bereiche ihre Zukunftsvorstellungen, ihre Utopien und ihre Dystopien. Ihre Antworten fallen sehr unterschiedlich aus, aber einige stellen die Forderung auf, dass etwas getan werden müsse.
Darstellungen von der Apokalypse gab es schon in früheren Jahrhunderten; Foto: Renate Feyerbacher
Man braucht viel Zeit für die Ausstellung, allein schon, um die Filmausschnitte wahrzunehmen, die nachdenklich stimmen.
Empfohlen ist sie aber besonders für Jugendliche, junge Erwachsene und Kinder. Die aufwändigen, actionreichen Blockbuster werden vor allem die jungen Menschen interessieren, die durch die gezeigten Szenarien vor allem betroffen sein könnten. Eine neue Untersuchung bestätigt das. Kindern wird ein Begleitprogramm mit Animationsfilmen angeboten.
Die aufsehenerregende Ausstellung ruft förmlich zu eigenem Handeln auf. Am Donnerstag, dem 29. September läuft der japanische Animationsfilm „Die letzten Glühwürmchen“, einen Monat später, Ende Oktober, „Happy Feet“.
Die Ausstellung ist bis zum 9. Januar 2022 im DFF zu sehen. Sowohl im DFF als auch im Senckenberg Museum finden immer wieder Begleitprogramme, Vorträge, Diskussionen, Workshops und Filmvorführungen statt, und es gibt Führungen.
Weitere Informationen:
Hygienevorschriften im DFF:
3G-Regel (geimpft, genesen, getestet, nicht älter als 24 Stunden)