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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Rissa – Ich male wieder“ – Back to painting. Eine erstaunliche Ausstellung

Poppig, peppig und vertrackt schön

von Petra Kammann

Die Ausstellung „Rissa – Ich male wieder“ widmet der Ehefrau des 2017 verstorbenen Quadriga-Künstlers  Karl Otto Götz eine umfangreiche Werkübersicht. Die 1938 als Karin Martin in Chemnitz geborene Künstlerin war einst die Studentin des Meisters des Informel, der von 1959 bis 1979 an der Kunstakademie Düsseldorf lehrte. Bereits 1964 hatte sie sich jedoch von Götzens informellen Malstil abgewandt. 1965 wurde sie seine Ehefrau und langjährige Gesprächspartnerin. Mit ihrer figurativen und narrativen Bildsprache entwickelte sie dabei einen ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Um die 30 ihrer Gemälde, Papierarbeiten und Zeichnungen sind derzeit in DIE GALERIE zu sehen.

Blick in den unteren Galerieraum – Starke Farbigkeit und kompositorische Strenge dominieren in Rissas Gemälden wie „Von der Erde kommend“, „Die Braut“ und „Schnurren“;  Foto: Petra Kammann

Schon beim Betreten der Galerie ist man auf Anhieb von der Wucht der Farbigkeit und Klarheit der jeweiligen Komposition von Rissas Gemälden überwältigt. Hier scheint sich eine ganz junge unvoreingenommene Frau ans Werk gemacht zu haben. Bei näherer Betrachtung stößt man auf die in den Bildern versteckten tückisch-provokativen Motive, die auf eine gewisse Lebenserfahrung schließen lassen. Hier geht es nämlich um weit mehr als um farbig Dekoratives.

Der Galerist Peter Femfert vor Rissas Bild „Beatrice“ aus dem Jahr 1969, Foto: Petra Kammann

Rissas Blick auf „Beatrice“ etwa zeigt zwar die Schönheit der Heldin aus Dantes „Divina Commedia“ mit ihrem kubisch strukturiert lockigen Haar und den sinnlich vollen Lippen, aber anders und weniger schmachtend als sie uns der präraffaelitische britisch-italienische Maler Dante Gabriel Rossetti nahelegt.

Beatrices Kopf und ihr Gesicht stehen im Mittelpunkt, die Kopfneigung wie auch ihre Augen strahlen trotz der heiteren Farben so etwas wie tiefe Melancholie aus. Die Schöne schaut über ein Gitter oder Geländer?, hinter dem auch geheimnisvoll zwei Hasen gefangen hocken, ein schwarzer im Profil, ein weißer, der den Betrachter unmittelbar anschaut. Hat Dürers Hase hier Modell gestanden? Und warum auch gleich zwei?

Das Künstlerpaar Rissa/ K. O. Götz befasste sich über viele Jahre intensiv mit dem Austausch von Kunst und Gesellschaft. Gemeinsam forschten, arbeiteten, schrieben und dachten die beiden und kamen doch zu so unterschiedlichen Ergebnissen. Vielleicht gibt auch der Titel der Ausstellung „Ich male wieder“ schon Aufschluss über gewisse biografische Stränge, die Rissas Werk bestimmt haben.

15 Jahre lange hatte die Vollblutkünstlerin sich selbst zuletzt zurückgenommen und eine Pause in ihr künstlerisches Schaffen eingelegt, weil sie sich um Karl Otto Götz gekümmert und ihn gepflegt hat. Der 103-Jährige starb vor vier Jahren in ihrem gemeinsamen Haus und Atelier im Westerwald. Dort, in Niederbreitbach-Wolfenacker, besuchte sie auch der mit dem Ehepaar Götz befreundete Galerist Peter Femfert und nahm ein Gespräch mit ihr auf, das von ihrer hohen Lebendigkeit und frischen Streitbarkeit zeugt.

Besuch bei Rissa  im Westerwald; Snapshot vom Interview: Petra Kammann

Erst jetzt findet sie mit über 80 Jahren wieder Zeit und Herausforderung für die eigene Malerei. Und die ist bemerkenswert. Ihre Lust, immer noch wie ein junges Mädchen Highheels zu tragen, ist nach wie vor ungebremst und wird konterkariert durch eine sich in ihren Fuß festbeißende Hornisse, als die Füße losgehen wollen.

2019 entstand das selbstkritische Bild „Hornissenanflug, Tattoo und die kann ich nicht mehr tragen“, dem sie auf einem anderen Bild einen bequemen Turnschuh gegenüberstellt, auf den sich eine Schmeißfliege gesetzt hat. Es trägt den selbstironischen Titel: „Schmeißfliege, und die kann ich noch tragen„. 2021 entstand das Gemälde „Sonne-Meer oder gescheiterte Hoffnung“ mit der im Meer kämpfenden Schwimmerin mit erhobenem Kopf.

Hellwach nimmt Rissa sowohl die Grenzen ihrer eigenen Körperlichkeit wahr als auch aktuelle Ereignisse wie etwa das uns verfolgende Corona-Virus, das sich als gespicktes Virusbällchen in das aufgerissen aggressive Maul der Fledermaus hineinkugelt: „Fledermaus spuckt und schluckt„.

Blick in den oberen Ausstellungsraum; Foto: Petra Kammann

Natürlich sind all diese Gemälde von der Empfindung der Vanitas gekennzeichnet, aber keinesfalls von Larmoyanz geprägt. Voller Kraft malt und zeichnet die Künstlerin gegen die Vergeblichkeit an wie im Falle des Affenkopfs, der unter dem Titel „Wie lange noch in Freiheit?“ hinter dem roten Gitter glotzt. Nicht zuletzt dieses Bild zeigt auch ihr unverändert gesellschaftliches Engagement.

Tröstlich vielleicht und kraftvoll zugleich zieht auch das riesige Gemälde gleich unten mit dem nach oben schwebenden Engel aus dem Jahre 1994 „Von der Erde kommend“ unweigerlich den Blick an. Ja, auf der Erde scheint sie immer noch mit beiden Füßen zu stehen, die Erde ist ihr auch keinesfalls fremd, aber sie löst sie ganz konsequent in Kompositionen auf und hebt damit vom Boden ab wie im Bild vom Engel, hinter dessen Flügeln ein Touch Götz-Pinselschwung mit schwebt. Eine Reminiszenz an den Meister.

Dass es über viele Jahre echte Dialoge mit K.O. Götz über Abstraktion und Schönheit gegeben haben muss, davon zeugt eine weitere Kabinettausstellung mit seinen Werken im oberen Stock, die ganz anders sind, ebenso kraft- und schwungvoll, aber eben einem ganz anderen Rhythmus folgend.

Rissa – Ich male wieder
begleitet von einer
Kabinettausstellung
mit Gemälden und Papierarbeiten
von K.O.Götz
bis zum 3. November 2021
DIE GALERIE
Grüneburgweg 123
60323 Frankfurt am Main
www.die-galerie.com
info@die-galerie.com

Sehen Sie sich hier das Interview mit der Künstlerin an

 

 

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