Hans Jürgen Diez: Synchronoptische Welt
Von transparenter Figuration zu informeller Abstraktion
Mit den Zeichnungen von H. J. Diez, die ab dem 23. August im Kunstverein Eulengasse ausgestellt sind, beschäftigt sich die Kunstwissenschaftlerin Brigitta Amalia Gonser
Handy-Boy, 2021, Farbstifte, Farbkreiden auf Leinwand, 175 x 85 cm©©Hans Jürgen Diez
„Il disegno è una cosa mentale“, verkündeten schon die Meister der italienischen Renaissance. Die Zeichnung ist für Hans Jürgen Diez zugleich eine sehr persönliche, intuitive und geistige Angelegenheit.
In seinen bisherigen Zeichnungen konzentrierte er sich, im Unterschied zu seiner abstrakten Malerei, vor allem auf die ästhetische Figuration, die er als dynamisches soziales Netzwerk von untereinander abhängigen Individuen gestaltet. Wobei er die Beziehungen zwischen den Akteuren untersucht, weil er darin das Wesen jeder sozialen Gemeinschaft sieht.
Schichtungen kehren als technische Methode in Diez künstlerischem Schaffen immer wieder: so in seinen großformatigen lasierenden Fließ- und Gieß-Schichtbildern, in Übermalungen von Printmedien sowie in den aktuellen Überzeichnungen.
Mit seinem jüngsten außergewöhnlichen Projekt „Synchronoptische Welt“, in zurzeit 14 Großformaten auf Leinwand und rund 200 DIN A3-Formaten, vollzieht Hans Jürgen Diez einen experimentellen Qualitätssprung in Richtung des offenen Kunstwerks nach Umberto Eco. Denn er erweitert sein radikal zeitlich-dynamisches Verständnis von Figuration und setzt es in den autonomen Überzeichnungen ein, in denen er multiple transparente Bildebenen sukzessive zu einem dichten Netzwerk überlagert, das er „Meta-Bildraum“ nennt.
Real time, 2021, Farbstifte, Farbkreiden auf Leinwand, 190 x 190 cm,©Hans Jürgen Diez
Hans Jürgen Diez gelingt damit die Transzendierung der Binarität figurativ abstrakt. So gelangt er von figurativer Transparenz zu informeller Abstraktion, zur Auflösung der Form und der überkommenen Formenhierarchie zugunsten eines gestischen und prozessartigen Moments. Anstelle der Form tritt eine offene Farbstruktur.
Euroland, 2021, Farbstifte, Farbkreiden auf Leinwand, 190 x 180 cm, ©Hans Jürgen Diez
Hans Jürgen Diez zeigt eine grundsätzliche Prozessualität in seinem Schaffen. Dabei entstehen sich überlappende Paralleluniversen, die sich zu einem Multiversum verdichten, in denen der Künstler seiner kreativen Imagination freien Lauf lässt. Seine Figurationen haben oft narrative Prägung. Zitathaft greift er auf Elemente aller kultureller Epochen, aber auch der Alltagswelt zurück, die er in freier offener Kombination zusammenfügt.
Dergestalt erzeugt Hans Jürgen Diez in diesen Überzeichnungen eine polyvalente Simultaneität divergenter ‚Overlay‘-Bildwelten, die vom Betrachter nur durch diskursive Wahrnehmung erschlossen werden können.
Hans Jürgen Diez (*1950)
absolvierte das Studium der Malerei und Kunsttheorie an der Frankfurter Hochschule für Bildende Künste – Städelschule – als Meisterschüler und war Dozent mit einem Lehrauftrag für Farbe an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach.
Ausgezeichnet wurde er mit dem „Certificate of Excellence“ der New Yorker Art Horizons und mit dem „New digital Art Award“ der Videor Art Foundation aus Rödermark.
Galerien aus Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Eltville, München, Kassel und Miltenberg haben seine Arbeiten ausgestellt und auf internationalen Kunstmessen präsentiert.
Das Kunstprojekt »Synchronoptische Welt« von Hans Jürgen Diez wurde von der Hessischen Kulturstiftung gefördert:
2020: Projektstipendium im Rahmen des Förderprogrammes »Hessen kulturell neu eröffnen«
2021: Brückenstipendium im Rahmen des »Kulturpaket II: Perspektiven öffnen, Vielfalt sichern.«
Montag, 23.08.2021, ab 18 Uhr: Eröffnung der Ausstellung “Synchronoptische Welt” von Hans Jürgen Diez im Ausstellungsraum Eulengasse, Seckbacher Landstraße 16, 60389 Frankfurt am Main
Der Künstler wird vom 23. – 26. August 2021 zwischen 17 – 21 Uhr anwesend sein.