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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„SCHLIMM“ von Greser & Lenz im Caricatura Museum Frankfurt 

Provokative „Witzemacher“ mit Aufklärungspotential

Von Hans-Bernd Heier

Karikaturen von Greser & Lenz zieren seit einem Vierteljahrhundert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Achim Greser und Heribert Lenz gelten als „Könige der Karikaturen-Gilde“. Aus Anlass der 25-jährigen Zusammenarbeit des mit Abstand bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Karikaturisten-Duos mit der FAZ präsentiert das Caricatura Museum Frankfurt unter dem Titel „Schlimm“ eine Auswahl der wichtigsten Karikaturen aus dieser Zeit. 

Ausstellungsplakat, Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

Achim Greser, Jahrgang 1961, und Heribert Lenz, Jahrgang 1958, lernten sich während ihres Studiums für Graphik- und Kommunikationsdesign in Würzburg kennen. Ihre Begeisterung für die Werke der Neuen Frankfurter Schule mündete bald in erste gemeinsame humorzeichnerische Experimente.

In den 1980er Jahren zog es sie nach Frankfurt zum Satiremagazin „Titanic“, wo sie auf prominente Mitglieder der Neuen Frankfurter Schule, wie F.K. Waechter, F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth und Hans Traxler trafen. Zunächst waren beide in freier Mitarbeit für die Gebrauchsgrafiken des Satiremagazins zuständig. Schnell fiel ihr komisches Talent auf und es wurden erste Cartoons und Comics, die in Einzel- und Gemeinschaftsarbeit entstanden waren, veröffentlicht.

Bundesweite Bekanntheit erlangte das Duo durch die äußerst erfolgreiche Comicserie „Genschman“, die den damaligen FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher als Superman zeigte, und die Reihe „Die roten Strolche“, die die SPD unter dem damaligen Vorsitz von Rudolf Scharping aufs Korn nahm.

© Greser&Lenz, Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

Mitte der 1990er Jahre wurde der Mitherausgeber der konservativen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Johann Georg Reißmüller, auf das Zeichnerduo aufmerksam. Achim Greser hatte zuvor bereits eine lose Reihe komischer Zeichnungen zur Literatur und dem literarischen Leben im Feuilleton der F.A.Z. veröffentlicht.

Als Reißmüller die beiden für tagesaktuelle Karikaturen im Politikteil gewinnen wollte, kursierten in Journalisten-Kreisen rasch Wetten, wie lange diese Zusammenarbeit Bestand haben werde. Denn Greser & Lenz entstammen dem linksideologisch geprägten Milieu. Obwohl sie, wie Greser sagte, „skeptisch beäugt worden sind – von der Leserschaft und der Redaktion“, nahmen sie das Angebot und die Herausforderung der konservativen Tageszeitung an und publizierten in ihrem eigenen Stil und ihrer Herangehensweise ihre tagespolitischen Karikaturen.

Wer hätte damals geahnt, dass diese Kooperation über ein Vierteljahrhundert währen könnte? Denn „die beiden haben es mit ihrem turbulenten, unverwüstlichen Humor fertiggebracht“, so der Kunstkritiker Eduard Beaucamp, „eine zutiefst seriöse Zeitung wie die F.A.Z. wider die politische und bürgerliche Korrektheit aufzumischen und zu verjüngen“.

© Greser&Lenz, Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

In der führenden überregionalen Zeitung Deutschlands erschien 1996 die erste Karikatur des Duos zur BSE-Krise, auf der zwei sich freudig abklatschende Fliegen über einem Rind zu sehen sind mit dem Untertitel: „Die gute Nachricht für Eintagsfliegen: BSE-Inkubationszeit liegt bei 10 Jahren.“

Es sollte aber noch über ein Jahrzehnt dauern, bis 2007 erstmals eine Zeichnung auf Seite eins abgedruckt wurde. Zu sehen ist Angela Merkel neben dem Weihnachtsmann im Schlitten, Angela Merkel sagt: „Ich reise nur noch mit Ihnen. Ihre CO2-Bilanz ist sagenhaft.“

Weitere Veröffentlichungen auf Titelseiten folgten, unter anderem 2013 mit der Karikatur „Die Baupläne des Irren von Limburg“ über den römisch-katholischen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in Limburg, der als Protz-Bischof unrühmliche Schlagzeilen machte. Seit 2008 erscheinen zudem in der F.A.Z.-Rubrik „Staat und Recht“ zweiwöchentlich farbige Tierzeichnungen, in denen die Zeichner ihre Faszination für die Vielfalt und Skurrilität der Fauna ausleben.

Greser & Lenz

© Greser&Lenz, Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

Die Redaktion der F.A.Z. lässt dem Künstler-Duo bei den Zeichnungen fast alle Freiheiten, lediglich Fäkalhumor und Obszönitäten müssen ausgeklammert werden. Die Karikaturen erscheinen meist in thematischer Nähe zu einem Artikel. Sie behandeln politische, kulturelle, sportliche, wirtschaftliche, aber auch religiöse Themen.

Getreu ihrem Motto: „Jeder Krieg hat seine Opfer, das gleiche gilt für den guten Witz“ zeichnen sie zur Finanz- und Immobilienkrise, zur Klimakatastrophe, zur Flüchtlingskrise ebenso wie zum Erstarken des Rechtsextremismus und Covid-19. Nicht immer stoßen die bewusst provozierenden Karikaturen auf Zustimmung des Publikums, einige führten sogar zu heftigen Kontroversen unter der Leserschaft.

Mit ihrem feinsinnig hintergründigen Witz setzen Greser & Lenz auf den Moment des Unerwarteten und nicht auf die bloße Illustration des Leitartikels. Damit revolutionierten sie die tagespolitische Karikatur. „Sie breiten einen eigenen Kosmos aus. Bei ihnen wird auf Witz gezeichnet, mit bis auf das Kleinste ausformulierten Sujets. Ihre Pointen sind messerscharf und illustrieren den Kern komplexer Sachverhalte“, lobt Museumsleiter Achim Frenz.

Nicht allein Größen aus der Politik, Wirtschaft oder Kirche finden Eingang in ihre Zeichnungen. Häufig karikieren die beiden auch die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf das Alltagsleben, wie in der thematisch gut gehängten Schau im Caricatura Museum zu sehen ist – immer unterhaltsam, immer entlarvend, aber nie mit erhobenem Zeigefinger! Als „Witzemacher“ lautet ihre oberste Prämisse: Hauptsache das Publikum lacht!

© Greser&Lenz, Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

Greser & Lenz leben in einem Jugendstilhaus in Aschaffenburg, in getrennten Wohnräumen, aber gemeinsamer Zeichenwerkstatt. Ihre Aufgabe ist es, das Zeitgeschehen mit heiteren gezeichneten Kommentaren zu begleiten. Aus diesem Grunde werden in der Aschaffenburger „Witze-Manufaktur“ tagtäglich aktuelle Themen studiert und diskutiert, ausgewählt und skizziert, wie die beiden in der Pressekonferenz ihre Arbeitsweise erläutern.

Ihre Vorschläge übermitteln sie zunächst als Skizzen der F.A.Z. Sobald sie die Auswahl der Redaktion erhalten, arbeiten sie die Karikatur mit künstlerischen Mitteln, handwerklicher Präzision und Liebe zum Detail aus – nach alter Schule mit Tusche, Feder und Aquarellfarben auf Papier, die eingescannt an die Redaktion gesendet werden. In den vielen Jahren der Zusammenarbeit haben sie ihren gemeinsamen Stil entwickelt. Inzwischen lässt sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr sagen, von wem die Karikatur stammt; s. a. www.feuilletonfrankfurt.de vom 3. Februar 2009. „Greser & Lenz im caricatura museum frankfurt: Bedarf es noch der Worte?“

Auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung werden regelmäßig Karikaturen der kreativen Team-Worker veröffentlicht. Seit 2005 versammelt die F.A.Z. jährlich in den „Chroniken eines Jahres“ Karikaturen der „Witzemacher“, die laut ihrem Selbstverständnis „aufklären und provozieren“ wollen. Gleich zweimal gewannen sie den Deutschen Karikaturenpreis, 2004 und zuletzt 2018; 2015 erhielten sie den Ludwig-Emil-Grimm-Preis für Karikatur und 2016 den „Karikaturpreis der deutschen Anwaltschaft“.

Begleitend zu der kurzweiligen und äußerst humorvollen Schau im Museum für Komische Kunst ist der opulente Bildband „Greser & Lenz SCHLIMM“ mit über 1.700 Abbildungen erschienen; Preis: 48 Euro.

Greser & Lenz: „SCHLIMM“ bis zum 21. November 2021 im Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst; weitere Informationen unter: www.caricatura-museum.de 

Fotos: Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

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