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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Prehns Bilderparadies“ im Historischen Museum Frankfurt

Einzigartiges Miniaturkabinett mit über 800 kleinformatigen Gemälden – Highlight: das „Paradiesgärtlein“

Von Hans-Bernd Heier

Johann Valentin Prehn, wie Johann Wolfgang von Goethe 1749 in Frankfurt geboren, war ein wohlhabender Konditor und leidenschaftlicher Kunstsammler. Seine Miniatur-Kollektion ist ein Glücksfall für die Kunstgeschichte und für die Mainmetropole. Das Historische Museum Frankfurt präsentiert mit “Prehns Bilderparadies – Die einzigartige Gemäldesammlung eines Frankfurter Konditors der Goethezeit“ das Ergebnis eines zehnjährigen Forschungsprojekts in dreifacher Form: mit einer kleinen, aber feinen Sonderausstellung, einem opulenten Auswahlkatalog und einer Online-Datenbank.

Paradiesgärtlein“, Oberrheinischer Meister um 1410-20, hängt als Dauerleihgabe im Städel Museum Oberrheinischer Meister; © Städel Museum Frankfurt

Der Zuckerbäcker Johann Valentin Prehn trug ab etwa 1780 ein Miniaturkabinett mit 812 kleinformatigen Gemälden zusammen. Er sammelte Arbeiten aller Schulen und Genres vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, die er symmetrisch in 32 hölzernen Klappkästen arrangierte. Zusammengeklappt konnte man die Kästen praktisch in Schränken verstauen. Zum Betrachten – allein oder mit befreundeten Kunstkennern – stellte der stolze Besitzer den jeweiligen Kasten einfach aufgeklappt auf eine Staffelei.

Anders als andere Gemäldesammlungen, die in einem musealen Ausleseprozess auf die für bedeutend erachteten Werke reduziert bzw. später angereichert wurden, ist die Prehn’sche Kollektion in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erhalten. Sie bietet so einen ungefilterten Eindruck davon, was Kunstliebhaber*innen um 1800 sammelten.

Die einzigartige Gemäldesammlung eines Frankfurter Konditors der Goethezeit
20. Mai 2021 – 16. Januar 2022

Bildtafel mit dem zurückgekehrten „Paradiesgärtlein“*

Das Miniaturkabinett umfasst nicht nur Werke der unterschiedlichsten Stilrichtungen, Sujets und Maltechniken, sondern zeigt auch die ganze qualitative Bandbreite künstlerischen Schaffens verschiedener Epochen. In den dicht an dicht gefüllten Kabinettschränken hängen ästhetisch banale Dutzendware, Überbleibsel von Hausaltärchen, billige Kopien und Gemäldefragmente gleichwertig neben malerischen Spitzenwerken – und das laut Dr. Wolfgang P. Cilleßen, stellvertretender Direktor des Historischen Museums „in oft gewagten und amüsanten Kombinationen“.

Absolutes Glanzstück ist das mittelalterliche „Paradiesgärtlein“, das auch Namensgeber für die ganz außergewöhnliche Schau ist. Das Gemälde zählt zu den bedeutendsten der deutschen Kunstgeschichte und gilt als Hauptwerk des sogenannten „Weichen Stils“ (Spätgotik). Es ist seit 1922 als Dauerleihgabe des Historischen Museums im Städel Museum zu bewundern und kehrt für diese Ausstellung erstmals wieder in seinen ursprünglichen Sammlungskontext zurück.

Die goldenen Bilderrahmen hat Prehn aus einer Art Zuckerteig selbst gefertigt.*

„Der Konditor Johann Valentin Prehn versammelte seinen privaten „Kosmos” in Gestalt einer privaten Kunst- und Wunderkammer in seinem Wohn- und Geschäftshaus auf der Zeil“, so Cilleßen. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte trug er unermüdlich eine Universalsammlung zusammen, die auch naturwissenschaftliche Objekte und ethnografische Raritäten enthielt. Im Mittelpunkt jedoch stand das deutschlandweit einzigartige „Kleine Gemäldekabinett”, das er in Holzladen kunstvoll anordnete. Für ein möglichst gleichmäßiges Erscheinungsbild stellte er die vergoldeten Rähmchen selbst her. Dabei verwendete er eine Art Zuckerteig (Tragant), das der Konditor auch für seine kunstvollen Konfekt-Kreationen und Tafeldekorationen brauchte.

Johann Valentin Prehn war ein erfolgreicher und vermögende Konditor und Zuckerbäcker. „Er war bekannt für sein Naschwerk und seine kunstvollen Tafelaufsätze für große Festivitäten. „Er war“, so schreibt Monika Bachtler, Geschäftsführendes Kuratoriumsmitglied der Rudolf-August Oetker–Stiftung, in dem voluminösen Ausstellungskatalog „Handwerker und Kaufmann zugleich, da er mit kostbaren Zutaten handelte und auch selbst damit für seine Kreationen arbeitete“. Er gehörte deshalb dem Stand der Kaufleute an.

Auch erotische Kunst – schamhaft hinter einem Vorhang verborgen – zählte zu Prehns Sammel-Repertoire*

In der Prehnischen Gemäldegalerie en miniature sind Originale, Kopien und Fragmente von Künstlern des 15. bis 19. Jahrhunderts vereint. Der Schwerpunkt liegt bei deutschen, niederländischen und flämischen Malern der Renaissance und des Barock sowie bei Werken zeitgenössischer Künstler der Region, darunter Werke von weltbekannten Malern wie Cranach, Holbein, Breughel, van Goyen, Ostade, Tizian, Carracci, Fragonard, Merian, Flegel und Morgenstern.

Manche der damaligen Zuschreibungen haben sich allerdings nicht halten können, aber bislang unbekannte Provenienzen konnten aufgedeckt werden, wie neue Erkenntnisse eines zehnjährigen Forschungsprojekts belegen. Das Historische Museum Frankfurt initiierte 2010 ein von mehreren Stiftungen (Ernst von Siemens Kunststiftung, Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege, Rudolf-August Oetker-Stiftung und Hessische Kulturstiftung sowie Historisch-Archäologische Gesellschaft Frankfurt am Main e.V.) gefördertes Projekt zur kunstwissenschaftlichen sowie mal- und materialtechnischen Untersuchung des Prehn’schen Miniaturkabinetts. Die Ergebnisse liegen in Form eines dickleibigen Auswahlkatalogs (über 500 Seiten) und einer Online-Datenbank (www.bildersammung-prehn.de) vor, die auch über die unterschiedlichen Zuschreibungen informiert.

Emil Gion „Porträt von Johann Valentin Prehn“, Kopie nach Jacob de Lose, ölhaltige Malerei auf Leinwand*

Prehn hegte eine besondere Vorliebe für Landschaften, sakrale Historiengemälde, Portraits und Genrestücke. „Gelegentlich macht sich ein Hang zu Kuriositäten, zu amüsanten, skurrilen und erotischen Sujets bemerkbar“, so Cilleßen. „Auch Fragmente beschädigter oder zerstörter Gemälde mit bisweilen überraschenden Details hat Prehn gelegentlich in sein Kabinett aufgenommen“. Populär waren zu jener Zeit auch Darstellungen von Kirchen-Interieurs, wie die Innenansichten der Fuldaer Kirchen von Johann Andreas Herrlein zeigen.

Klapptafel zeigt u. a. Landschafts-Pendants*

Nicht zimperlich war der kunstbegeisterte Prehn, wenn es ihm um die symmetrische und harmonische Gestaltung der Bildtafeln ging. Fehlte ein passendes Format verkleinerte oder vergrößerte er bereits vorhandene Miniatur-Bilder. Auch beauftragte er Künstler, gleich große Pendants mit ähnlichem Sujet zu malen oder ließ billige Kopien nach graphischen Vorlagen erstellen.

Zu Prehns Universalsammlung gehörte auch ein Bestand von etwa 330 mehrheitlich großformatigen Gemälden. Diese sollten nach dem Tod von Johann Valentin Prehn (1821) dem Willen der Erben zufolge versteigert werden. Etwa 100 von ihnen sind auf der aquarellierten Zeichnung zu sehen, die der Maler Carl Morgenstern – Freund und Nachbar der Familie – aus Anlass der geplanten Versteigerung der Sammlung anfertigte. Das Bild zeigt, dass die Gemälde in dem länglichen, nicht sehr hohen Raum in Petersburger Hängung die Wände wie eine Tapete bedecken. Sie sind nach barocker Art in symmetrischer Anordnung gehängt. Um jeden Platz zu nutzen, hat Prehn die Zwischenräume mit weiteren Kleinformaten gefüllt und sogar die halbhohen Schränke in der Raummitte mit Gemälden verkleidet. Auch ein aufgeklappter Kabinettschrank ist zu sehen.

Carl Morgenstern „Das Gemäldekabinett des Johann Valentin Prehn“, 1829, aquarellierte Zeichnung*

Nach dem umfassenden Auktionskatalog von 1829 handelte es sich vor allem um niederländische, flämische und deutsche Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts, darunter auch zeitgenössische Künstler der Frankfurter Region. Thematische Schwerpunkte bildeten die Landschaftsmalerei, Genrestücke, biblische Historien und Porträts. Die meisten Gemälde wurden 1829 versteigert und sind heute nicht mehr auffindbar. Nur 40 Bilder gelangten bis 1865 in den Besitz der Stadt Frankfurt – zum größten Teil als Geschenk der Johanna Rosina Sänger, geb. Prehn.

Auch die 32 hölzernen Gemälde-Klappkästen sollten zunächst nach dem Willen der Erben versteigert werden. Doch Ernst Friedrich Carl Prehn zog das „Kleine Gemäldekabinett“ von der Auktion zurück, weil er offensichtlich den Bilderschatz in ursprünglicher Zusammenstellung als Vermächtnis seines Vaters in der Stadt erhalten wissen wollte. Die Stadt Frankfurt nahm das Kabinett 1839 als Schenkung an und stellte es in der Stadtbibliothek aus.

Bildtafel mit Kirchen-Interieurs*

Der Städeladministrator Johann David Passavant ordnete die Gemälde des Kabinetts nach nationalen Schulen auf zwölf großen und acht kleinen Wandtafeln vollständig neu und verfasste einen Katalog der Kollektion. 1878 gelangte das veränderte Prehn’sche Kabinett schließlich in den Besitz des Historischen Museums. Erst 1988 unternahm Kurt Wettengl, der damalige Gemäldekurator des Historischen Museums, eine Rekonstruktion auf der Grundlage des detaillierten Auktionskatalogs von 1829 und arrangierte die Gemälde wieder authentisch in ursprünglichem Zustand in 32 Kästen.

Im Sammlermuseum des Historischen Museums Frankfurt werden jeweils acht Holzladen mit insgesamt rund 160 Gemälden gezeigt; die übrigen Laden können geführten Gruppen präsentiert werden.

„Prehns Bilderparadies – Die einzigartige Gemäldesammlung eines Konditors der Goethezeit“ ist bis zum 16. Januar 2022 zu sehen; weitere Informationen, insbesondere zu Öffnungszeiten und Anmeldungen, unter:

www.historisches-museum-frankfurt.de 

Bildnachweis: alle mit * gekennzeichneten Abbildungen: © HMF, Foto: Horst Ziegenfusz

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