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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Weiterer Glücksfall für Wiesbaden: Baechle-Schenkung schließt Lücken im Landesmuseum

„Galerie des 19. Jahrhunderts“ das  Zukunftsprojekt rückt näher

Von Hans-Bernd Heier

Die Schenkung der Sammlung Baechle ist ein weiterer Glücksfall für das Museum Wiesbaden. Nach dem Jahrhundertgeschenk der exzellenten Jugendstil-Kollektion von Ferdinand Wolfgang Neess vor vier Jahren erhält das Museum die hochkarätige Sammlung von Jan und Friederike Baechle. Schwerpunkt sind qualitativ hochwertige Werke des 19. Jahrhunderts, die Lücken im Museumsbestand schließen. Die Arbeiten werden in der Sonderausstellung „Exquisit – Kunst des 19. Jahrhunderts“ präsentiert.

Hans Thoma „Erinnerung an Orte“, 1874, Öl auf Holz,  Museum Wiesbaden/Bernd Fickert 2020

„Das ist endlich einmal eine positive Nachricht aus dem Kulturbereich“, freut sich Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. „Wir sind Jan Baechle und seiner verstorbenen Ehefrau sehr dankbar für die Stiftung dieser Gemäldekollektion. Diese Werke sind eine bedeutende Ergänzung unseres Bestands des 19. Jahrhunderts, insbesondere schließen sie schmerzliche Lücken in unserer Sammlung. Dank dieser großzügigen Geste kommen wir der Schaffung einer ‚Galerie des 19. Jahrhunderts‘ einen weiteren großen Schritt näher, mit der wir an die Gründerzeit des Museums anschließen und die kunsthistorische Entwicklung zu Jugendstil und Moderne anschaulich machen wollen.“

Wilhelm Trübner „Unbekannte Dame nach rechts“, 1882, Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen, Museum Wiesbaden/Bernd Fickert 2020

Auch Kustos Dr. Peter Forster schwärmt über die substantielle Schenkung des Ehepaares Baechle, in deren Mittelpunkt des Sammlerinteresses das „lange 19. Jahrhundert“ mit all seinen unterschiedlichen Facetten steht. „Die 27 Werke von herausragender Qualität schließen Lücken, aber stärken auch unsere Stärken in unserem Sammlungsbestand an Kunstwerken jener Zeit. Sie sehen deshalb einen glücklichen Kustos“, betont Forster in einer Video-Konferenz. „Die Schenkung der Sammlung Baechle darf als weiterer Glücksfall im Kontext einer geplanten ‚Galerie des 19. Jahrhunderts‘ bezeichnet werden“. Das Langzeitprojekt soll in dem geplanten Erweiterungsbau realisiert werden. Darüber sei die Museumsleitung in engen Verhandlungen mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.


Carl Morgenstern „Carl Pont du Gard bei Nimes“, 1841, Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, Museum Wiesbaden/Bernd Fickert 2020

Mit „klein aber fein“ umschrieben Jan und Friederike Baechle selbst ihre Sammlung. Damit treffen sie den Kern ihrer über Jahrzehnte behutsam aufgebauten Kollektion. Baechles Interesse für die Kunst des 19. Jahrhunderts wurde schon in Kindheitstagen geweckt. Mit seinem kunstbegeisterten Großvater besuchte der Junge öfter die Hamburger Kunsthalle, die über eine große Sammlung an exzellenten Kunstwerken dieser Zeit verfügt.

Die Kollektion des Stifterpaars bietet herausragende Qualität, hegt aber nicht den Anspruch, ein eigenes Museum zu füllen. Die Künstlerliste ihrer Werke weist indes signifikante Positionen auf, wie beispielsweise Max Liebermann, Carl Morgenstern, Anton Burger, Heinrich Hasselhorst, Eugen Spiro, Hans Thoma und Fritz Wucherer. Auch Wilhelm Trübners „Unbekannte Dame“ ist darunter. Dieses Gemälde wollte Forster einst für das Museum erwerben, als es auf dem Kunstmarkt angeboten wurde. Aber er kam nicht zum Zuge. Jetzt gelangt es mit der Schenkung doch noch ins Haus.


Peter Becker „Uferpartie in Saarburg von Beurig gesehen“, 1855, Öl auf Leinwand, auf Karton aufgezogen, Museum Wiesbaden/Bernd Fickert 2020 

Viele Künstler der Sammlung des Mäzens stammen aus dem Rhein-Main-Gebiet und haben die Region zum Zentrum ihres Schaffens gemacht. Vor allem die Kronberger Malerkolonie bildet einen Schwerpunkt der Baechleschen Sammlung, die sich nahtlos in den bestehenden Museumsbestand einfügt. Die Werke der Kollektion reichen von der Romantik bis zum Realismus und zeugen von den gesellschaftlichen Veränderungen in jener Zeit.

Diese qualitätsvolle Schenkung würdigt das Landesmuseum jetzt mit der Sonderausstellung „Exquisit“. Die Präsentation schließt an die Räume der Sammlung Alte Meister an und gibt mit Spitzenwerken – darunter Porträts, Gemälde mit idyllischen Landschaften und fernen Reisen bis hin zu Stillleben – einen Überblick über die bedeutendsten Maler der Region Frankfurt-Rhein-Main.

Otto Scholderer „Krammetsvögel“, 1866, Öl auf Leinwand, Museum Wiesbaden/Bernd Fickert 2020

In der Sammlung befinden sich auch zwei bedeutende Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay (1902—1968), die das Stifterpaar als Geschenk von ihren Eltern erhielt. Diese Arbeiten der klassischen Moderne werden ebenfalls in einem eigens eingerichteten Nay-Raum gezeigt.

Das kinderlose Paar wollte ursprünglich ihre Sammlung als testamentarische Schenkung erst nach ihrem Ableben dem Museum vermachen. Nach dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren beschloss der Wahl-Wiesbadener – aus Anlass seines 80. Geburtstags – jedoch, die Werke bereits zu Lebzeiten dem Landesmuseum zu übergeben, um damit seine enge Verbundenheit mit dem Hause zum Ausdruck zu bringen. Für ihn sei das „Museum zur zweiten Heimat geworden“, sagt der 1940 in Madrid geborene Jan Baechle. Für ihn sei es eine Genugtuung, seine Sammlung in guten Händen zu wissen – gepflegt, aufbewahrt und beschützt. „So gut wie heute haben die Bilder noch nie gehangen“, sie kämen hier voll zum Tragen.

Die Schenkung reiht sich ein in mäzenatisches Engagement von Stiftern wie Ferdinand Wolfgang Neess, der dem Museum 2019 seine superbe Jugendstilsammlung anvertraute, oder Frank Brabant, der 2017 verfügte, dass seine umfangreiche Kollektion der Klassischen Moderne nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden solle und je zur Hälfte die Bestände des Museums Wiesbaden sowie des Staatlichen Museums in Schwerin, seiner Geburtsstadt, bereichern soll.

Jan Baechle im Museum Wiesbaden, 2017; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Das Ehepaar Baechle engagierte sich über viele Jahre für den Förderverein „Freunde des Museums Wiesbaden e.V“. Der Mäzen ist eines der 300 Gründungsmitglieder des Fördervereins und gehört seit fast zwanzig Jahren dessen Kuratorium an. Ab 2005 startete Jan Baechle die sog. „Depotfrühschoppen“. Bereits die erste Veranstaltung „Maler aus dem Kreis um Wilhelm Leibl“ zeigte, dass der Fokus seiner Sammelleidenschaft auf der Kunst des 19. Jahrhunderts liegt. „Gerne stellte er in seiner populären Reihe Überblicksthemen vor, die es dem Publikum ermöglichten, größere Zusammenhänge zu erfassen und ihr Wissen zu vertiefen“, erzählt Forster.

Das Besondere dieser jährlichen Veranstaltungsreihe war, dass Jan Baechle in seinen Vorträgen nicht nur Werke aus dem Depot launig thematisierte, sondern diese auch präsentierte. Dafür musste das Museumsdepot durchstöbert werden, wobei auch der Kustos selbst noch manch lohnenswerte Entdeckung machte. Zum Ritual der beliebten „Depotfrühschoppen“ gehörte auch, nach dem Kunstgenuss zu feiern. Dann schenkte Friederike Baechle Wein aus, dessen Erlös dem Förderverein zu Gute kam.

Frank Gerritz „Center 1“, 1991; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Eine weitere Sonderausstellung „Temporary Ground“ mit Skulpturen und Zeichnungen von Frank Gerritz ist fix und fertig und wartet auf Besucher*innen. Die Schau vereint 22 Werke und Serien des Hamburger Künstlers aus den letzten 30 Jahren. Eigens für die Ausstellung im Museums Wiesbaden entstanden zwei neuartige, raumbezogene „Strangguss-Arbeiten“.

„Exquisit — Kunst des 19. Jahrhunderts – Schenkung Jan und Friederike Baechle“ wird bis zum 26. September 2021 gezeigt und die Schau „Temporary Ground“ bis zum 29. August 2021; weitere Informationen, besonders zu den Öffnungszeiten unter: www.museumwiesbaden.de

Abbildungsnachweis: alle Abbildungen stammen aus der Schenkung Jan und Friederike Baechle, die Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

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