Spaziergänge mit Ensemblemitgliedern des „Theater Willy Praml“
Auf ein Stündchen!
von Renate Feyerbacher
Feiern wäre angesagt, denn das Theater Willy Praml wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Corona vermasselt derzeit die Feier und alle Theaterproduktionen. Gegründet wurde das Freie Theater von Theatermann Willy Praml und Michael Weber, beide, Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner. Auch widmen sich beide der Bearbeitung von Texten. Nach neun Jahren des nomadenhaften Umherziehens, des Spiels an außergewöhnlichen Orten, konnte das Theater 2000 in die Naxoshalle ziehen.
Naxoshalle: Erinnerung an Pramls Inszenierung vom Kleist-Drama „Das Erdbeben in Chili“; Foto: Petra Kammann
Die über hundert Jahre alte Industriehalle drohte, nachdem der letzte Industriebereich weggezogen war, zu verfallen, wurde von einem Frankfurter Immobilieninvestor gekauft und an die Stadt Frankfurt vermietet. Ab 1992 steht die Haupthalle unter Denkmalschutz, Nebenhallen wurden mittlerweile abgerissen. Heute gehört die Halle der Stadt Frankfurt. Eindruck von der Halle bei der Aufführung von Anna Seghers „Transit“
2018 drohte jedoch die Schließung des Theaterbetriebs und aller anderen Kulturaktivitäten, weil die Berufsfeuerwehr und die städtische Bauaufsichtsbehörde schwere Mängel in puncto Brandschutz feststellten. Die Lösung ist 2020 gefunden worden: Sanierung statt Schließung.
Willy Praml im Haus am Dom am 26.5.2018 bei der Verleihung des Walter-Dirks Preises, Foto: Renate Feyerbacher
Der gebürtige Bayer Willy Praml studierte in München, war hauptamtlicher Referent für musische Bildung beim Bund Deutscher Pfadfinder in Berlin, über 30 Jahre hauptamtlich für Theater- und Kulturarbeit an der Hessischen Jugendbildungsstätte Dietzenbach engagiert, suchte neue Theaterformen in hessischen Dörfern, war Dozent an der Frankfurter Fachhochschule.
Willy Praml wird im August 80 Jahre alt. Da sollte Corona für diesen außergewöhnlichen, unermüdlich wirkenden Theatermann eine Feier zulassen.
Pramls Theaterarbeit mit Laien, Jugendlichen aus Arbeiterfamilien und den damals sogenannten Gastarbeiterfamilien war einmalig und prägt auch heute noch entscheidend die Projekte und das Geschehen im Theater Willy Praml in der Naxoshalle im Ostend.
1979 erhielt Praml mit seinem Mitstreiter Hansjörg Maier den Brüder-Grimm Preis des Landes Berlin, eine Auszeichnung für die Förderung des Kinder- und Jugendtheaters, 2011 den Binding Kulturpreis im Frankfurter Römer und 2018 den Walter-Dirks Preis.
Micheal Weber im Schilderwald; Foto: Herbert Cybulska
Spektakulär, raumgreifend, der Rauheit des Ortes entsprechend wird gespielt und inszeniert. Provozieren, diskutieren, neue Perspektiven aufzeigen, das gehört zu den Markenzeichen des Theaters.
Derzeit probt Michael Weber „Schwarz/Weiss. Die Verlobung in St. Domingo“, eine Erzählung von Heinrich von Kleist – Webers erste alleinige Regie. Die Premiere wird laufend verschoben. Keine Aufführungen, keine Einnahmen.
Spaziergang Willy Praml und Begleitung; Foto: Peter Grün
Spaziergänge. Diese Idee, auch, um nicht in Vergessenheit zu geraten, hat sich Michael Weber daraufhin einfallen lassen. Spaziergänge organisiert auch das Berliner Ensemble, aber das Besondere beim Theater Willy Praml ist die persönliche Note. Ein Mitglied des Kernensembles geht mit einer Zuschauerin, einem Zuschauer ein Stündchen spazieren. Es geht quer durchs Nord- und Ostend. Dabei sprechen sie über Gott und die Welt und wahrscheinlich über die Nöte der Kulturszene. Natürlich sind Mundschutz und Abstand vorgeschrieben.
Aber: Sich wieder zu sehen – welch ein Glück!
Die Spaziergänge finden noch bis Ende Mai jeden Freitag und Samstag um 16 Uhr statt und sie sind kostenlos. Über eine Spende wird sich natürlich gefreut.
Treffpunkt ist das Theater in der Naxoshalle. Es wird gelost, wer mit wem spazieren geht. Der Zufall bestimmt.
Anmeldung : 069-43054733
http://theaterwillypraml.de/spaziergang-auf-ein-stuendchen/