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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Neustart Kultur: Bühne frei für Franziska Kneidls phantastische Gestalten, Porträts und imaginierte Naturbilder

Diskret verhüllt und raumgreifend

Eindrücke von Petra Kammann 

Die Kai Middeldorff Galerie zeigt neue Arbeiten auf Papier von Franziska Kneidl, die im Lockdown entstanden. Bekannt ist die Künstlerin für ihre bis zu viereinhalb meterhohen Figurinen aus bemalten und drapierten Folien, die man in Frankfurt u.a. im MMK und dauerhaft seit dem letzten Jahr auch im Museum Angewandte Kunst sehen kann. In ihren neuen Arbeiten, die seit Beginn der Pandemie entstanden, legt Franziska Kneidl ihre Arbeitsprozesse erstmals so an, dass dabei verschiedene Menschenbildnisse mit ausdrucksstarken Gesichtern und fesselnden Blicken entstehen. Die darüberliegenden teils schimmernden Roben verleihen den Bildern Glanz, Tiefe und Magie. 

Franziska Kneidl, Figurine U.W. in Kristallinfolie gewickelt; Foto: Petra Kammann

Die Halle der Galerie Middendorff in der Niddastraße strahlt eine nüchtern-konzentrierte Ruhe aus. Kaum hat man den großen Raum betreten, richtet sich der Blick auch schon  auf die verhüllte Gestalt mit dem verdeckten Gesicht zwischen den matt schimmernden alten Sprossenfenstern der einstigen Autowerkstatt so, als wäre dieser Raum als Bühne eigens für sie angelegt worden. Man glaubt förmlich das diskrete Rauschen und Knistern der drapierten Folien an der hochgeschossenen Skulptur zu vernehmen. Der unter der bemalten Kunststofffolie liegende Körper, den die überlebensgroße Figur mit ihrem voluminösen wallenden Gewand und einer hinter sich ziehenden, transparenten und raumgreifenden Schleppe zu verbergen sucht, wirkt so verstörend wie geheimnisvoll. Was steckt hinter oder in ihr, was sie im Verhüllten nicht offenbart? Man kann es nur ahnen. Die unpersönlichen Titel, welche die Künstlerin den Arbeiten gegeben hat, lassen es allemal offen.

Hereinspaziert in die Ausstellung. Franziska Kneidls Porträt H.P.2021 scheint einen leicht skeptisch anzuschauen, Foto: Petra Kammann  

Anders auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, wo seitlich an den Wänden Porträts hängen, von denen man sich unmittelbar angeschaut fühlt. Der angedeutete Blick lässt einen so schnell nicht wieder los. Mit sparsamsten Mitteln scheinen diese namenlosen Gesichter aus Aquarell, Tusche, Papier, Folie und Acryl leichthändig aufs Papier gebracht zu sein. Bei näherem Hinschauen stellt man fest, dass die wenigen Gesichtsmerkmale wie Lippen, Augenbrauen, Nase der Porträtierten nicht etwa in das Bild hinein aquarelliert worden sind, hier wurde koloriertes Papier ausgerissen und aufgeklebt, während zum Schluss die Wangen nur zart angetuscht sind, um das Gesicht plastischer erscheinen zu lassen.

Franziska Kneidl, J.L. 2021

Während der unter den jetzigen Bedingungen übersichtlichen Vernissage erläutert die Künstlerin ihre Methode des Bildaufbaus. Sie entwickelt die jeweiligen Bilder aus dem Material heraus, knüllt, drapiert und bemalt erst einmal die Plastikfolie so, dass wechselweise daraus ein gebauschter Ärmel, ein Kragen oder eine Kopfbedeckung entsteht. Dann collagiert sie mit großer Raffinesse und Sensibilität die farbigen Papierschnitzel, um durch wenige Akzente am Ende ein Gesicht entstehen zu lassen, das den Betrachter direkt anschaut.

Blick in die Halle; Foto: Petra Kammann

Die Wirkung ist verblüffend und erinnert an gewisse Zeichnungen eines Henri Matisse, der mit wenigen Strichen das Typische einer Person oder Haltung andeuten konnte. Dabei bleibt er in der zweiten Dimension, während Franziska Kneidl durch die geraffte Folie das Bild aus dem Rahmen treten lässt, was ihm eine räumliche Tiefe verleiht, die paradoxerweise durch das Schimmern und Schillern der Farben an der Oberfläche gleichsam wieder aufgehoben wird.

„Tuschezeichnung“ CT von Franziska Kneidl, Foto: Petra Kammann

In den lavierten Tuschezeichnungen ballt sich so etwas wie ein imaginiertes Bild von Natur zusammen, das geradezu nach japanischem ZEN-Vorbild entstanden sein könnte. Perfekt hat Kneidl auch hier die Komposition angelegt, die lavierten Grauflächen um den weißgelassenem Raum angeordnet und mit der tiefen Schwärze der Tusche Akzente gesetzt, was auch hier wieder dem Bild eine leichte Oberflächentiefe gibt.

Man merkt Kneidls Arbeiten an, dass sie neben ihrer Ausbildung an der Städelschule in der Malerei-Klasse bei Prof. Christa Näher auch als Theatermalerin an den Münchener Kammerspielen ausgebildet wurde. Und nicht nur das. Ihren kompositorischen Blick für Räumliches und für einfallendes Licht hat sie zweifellos schon viel früher durch die Arbeit ihrer Eltern geschult, die beide künstlerisch am Theater arbeiteten.

Die sorgsam komponierten Schwarzweiß-Fotos ihrer Mutter, der berühmten Theaterfotografin Helga Kneidl, zeugen nicht allein von deren souveränen Umgang mit dem Licht, sondern auch von der  konzentrierten Arbeit einer Theaterfotografin, bei der jeweils das einzelne Foto sitzen muss. So hat Helga Kneidl im Jahre 1973 Romy Schneider drei Tage lang völlig unkompliziert in ihrem Pariser Alltag und in ihrem Domizil begleitet, wodurch die schönsten und natürlichsten Romy-Fotos entstanden. Diese besonderen Fotos waren im vergangenen Jahr ebenfalls in der Galerie Middendorff  zu sehen.

Blick ins Depot der Galerie mit Franziska Kneidl auf die Fotos ihrer Mutter Helga Kneidl; Foto: Petra Kammann

Franziskas Kneidls Vater Karl wiederum zählt zu den profilierten Bühnenbildern. Er hat über Jahre mit den Größen des Regietheaters wie Claus Peymann, Peter Palitzsch und Peter Zadek zusammengearbeitet, nicht zuletzt mit seinen effektvollen Bühnenbildern auch die frühen Arbeiten der Choreografin Pina Bausch mit gestaltet. Spuren der gestalterischen Arbeiten dieser Bühnen-Künstler finden sich daher auch als transformierte Elemente im Werk von Franziska Kneidl wieder.

Die sehenswerte Ausstellung läuft noch bis zum 22. Mai 2021, vorausgesetzt, ein weiterer Lockdown schafft nicht neue Einschränkungen. Daher als Tipp: Man sollte sie auf keinen Fall verpassen, und lieber schnell hingehen, bevor es zu spät ist… Im Mai wird dann die Geburtstagsausstellung des Frankfurter Schriftstellers und Gestalters der konkreten Poesie Franz Mon folgen.

Kai Middendorff Galerie
Niddastr. 84. Halle
60329 Frankfurt
www.kaimiddendorff.de

Öffnungszeiten:

Mi bis Fr 14 – 18.30
Sa 11.30 – 16 Uhr

 

→ Franziska Kneidl und Heide Weidele im Kunstverein EBENE B1

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