Ikonenmuseum mit neuer Ausstellungsarchitektur und inhaltlicher Neukonzeption
Neukonzeption nach 30 Jahren
Mit dem Ikonenmuseum im Barockbau des Deutschordenshauses hatte im März 1990 das von Hilmar Hoffmann initiierte Museumsufer seinen östlichen Abschluss gefunden. Nach 30 Jahren wurde dieses erstmalig einer umfassenden Sanierung und Renovierung unterzogen. Nun, nach einer über einjährigen kompletten Umbau- und Renovierungsphase, baulich, inhaltlich und digital auf den neuesten Stand gebracht, öffnet das Ikonenmuseum mit einem neuen Präsentations- und Raumkonzept sowie einer inhaltlicher Neukonzeption wieder. Die Ikonen und weiteren religiösen Objekte aus Russland, Griechenland, Rumänien oder Äthiopien, die für das unmittelbare Erleben der sakralen Kunstwerke entwickelt wurde, können die Besucherinnen und Besucher, sobald die Museen öffnen dürfen, in einer völlig neuen Ausstellungsarchitektur entdecken.
Konstanze Runge, kuratorische Leiterin seit September 2019
Das neue Ausstellungskonzept
Die Sicherheitstechnik des Gebäudes sowie die Haus- und Klimatechnik sind jetzt grundlegend erneuert, um den für klimatische Schwankungen anfälligen Ikonen ein optimales Präsentationsumfeld zu bieten. Die Ausstellungsfläche konnte durch die Einbeziehung des Foyers deutlich erweitert werden. Damit bildet das Foyer sowohl in räumlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht den Ausgangspunkt für die neue Dauerausstellung. Hier werden der Ursprung, die Verbreitung und die vielfältige Materialität und Bildsprache von Ikonen anschaulich vermittelt.
Auf diese einführende Ebene folgt der Hauptraum, in dem ein tieferes Eintauchen in die Welt der Ikonen ermöglicht wird. Dies geschieht zum einen über den Aspekt der Bedeutung und Funktion der Ikonen im kirchlichen wie auch im häuslichen Raum und zum anderen über die erzählerische Inszenierung der Darstellungen des Lebens und der Passion von Jesus und Maria. Während der Hauptraum vorwiegend dem Auftreten der Ikonen im kirchlichen Kontext gewidmet ist, wird die Empore von einer intimen Atmosphäre des Privaten beherrscht. Hier begegnen die Besucherinnen und Besucher einer Vielzahl an Heiligen, wie etwa dem besonders verehrten heiligen Nikolaus oder dem heiligen Georg.
Die 130 ausgewählten Ikonen und religiösen Objekte erscheinen nach umfassender Konservierung und Restaurierung in neuem Glanz. Dabei wurden die besonders charakteristischen Spuren des Gebrauchs als Zeichen der Beziehung zwischen Menschen und ihren Ikonen behutsam erhalten. So werden die Ikonen weitestgehend glaslos und auf Augenhöhe präsentiert. Besonders wertvolle Ikonen, Metallikonen und kleinteilige Objekte sind durch Glas und Hauben geschützt.
Unter der Direktion von Museum Angewandte-Kunst-Chef Prof. Matthias Wagner K und der kuratorischen Leitung von Konstanze Runge, die seit September 2019 diese Position ausübt, rückt das Museum das Verhältnis zwischen Menschen und Ikonen in das Zentrum seiner komplett erneuerten Ausstellung, die hoffentlich nach dem 8. März nach Voranmeldung besucht werden kann.
Umhänge-Ikone (doppeltes Diptychon) / Icon Pendant (Double Diptych) Äthiopien, 17. Jh. Private Leihgabe Ethiopia, 17th century Private Loan 2021 © lumenphoto.de
„Mit dem neuen Museumskonzept möchten wir unseren Besucher:innen die Menschen hinter den Ikonen näherbringen und ein ganz neues Erleben der religiösen Kunstwerke ermöglichen. Die von Dr. Jörgen Schmidt-Voigt begründete und um zahlreiche, exzellente Leihgaben, wie insbesondere 84 post-byzantinische Ikonen aus der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst Berlin erweiterte Sammlung, gibt uns alle Möglichkeiten an die Hand, die beeindruckende Vielfalt und Faszination orthodoxer Bildwelten von Russland, Griechenland und Rumänien bis nach Ägypten und Äthiopien einem breit gefächerten wie internationalen Publikum zu erschließen. Die Zeitlosigkeit der Ikonen wird durch die moderne Architektur unterstrichen“, erläutert die kuratorische Leitung Konstanze Runge ihr Konzept.
Inszenierung Ikonostase / Staging iconostasis Hauptraum Ikonenmuseum Frankfurt / Main room Icon Museum Frankfurt 2021 © lumenphoto.de
„Bilder waren nie allein Sache der Religion, sondern immer auch Sache der Gesellschaft, welche sich in und mit der Religion darstellte“, schrieb der Kunsthistoriker Hans Belting in seinem Buch „Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst“. „Die damit ausgelöste kontroverse Debatte über religiöse und ästhetische Erfahrungen erfährt mit der Neukonzeption des Ikonenmuseums in Frankfurt am Main eine aktuelle und gewichtige Auseinandersetzung“, sagt Prof. Matthias Wagner K. Und weiter: „Die von Konstanze Runge und ihrer Assistentin Simone Seyboldt entwickelte Konzeption ermöglicht ein Verständnis der Besucher:innen für die Stellung des religiösen Bildes im kunst- und kulturhistorischen Zusammenhang wie auch einen Zugang zu dessen Bedeutung und Anwendung im religiösen Leben von Menschen – was die Verbindung mit dem Museum Angewandte Kunst erklärt.“
Das neue Präsentations- und Raumkonzept
Die Ikonen und weiteren religiösen Objekte aus Russland, Griechenland, Rumänien oder Äthiopien können die Besucherinnen und Besucher in einer völlig neuen Ausstellungsarchitektur entdecken, die eigens für das unmittelbare Erleben der sakralen Kunstwerke entwickelt wurde. Das auf die Belange der neuen Dauerausstellung abgestimmte Raum-in-Raum-Konzept greift die Quadraturen der postmodernen Architektur von Oswald Mathias Ungers aus dem Ende des 20. Jahrhunderts auf und verlängert sie in der Horizontalen und Vertikalen.
Hauptraum / Main room Ikonenmuseum Frankfurt / Icon Museum Frankfurt 2021 © lumenphoto.de
Durch Aussparungen, unterschiedliche Höhenmaße, Neigungen und Vorsprünge bleibt eine Änderung dieser Architektur vorstellbar. Freistehend finden sich keine direkten Wandanschlüsse, sind sowohl die historische Architektur als auch die moderne von Ungers teilweise sicht-, immer aber spürbar. Die sich nicht zurücknehmende, im Gegenteil intensive monochrome Farbgestaltung der Ausstellungsarchitektur und der neu konzipierten glaslosen Vitrineneinschübe steht im deutlichen Kontrast zum Weiß der Gebäudearchitekturen. Die Farbe bildet eine bewusst glanzlose, dafür aber äußerst körperhafte Oberfläche, welche die religiösen Kunstwerke in den Vordergrund rückt – sie lässt sie nahezu schweben – und bildet mit dem eigens entworfenen Lichtkonzept und modernster LED-Technik eine ästhetische Grundlage für die Inszenierung der neuen, inhaltlichen Ausrichtung der Dauerausstellung.
Vortragekreuz aus Messing / Brass Processional Cross Äthiopien, Ende 19. Jh. Private Leihgabe Ethiopia, 19th century Private Loan 2021 © lumenphoto.de
„In einer Stadt mit mehr als 14 christlich-orthodoxen Gemeinden und geprägt von reicher kultureller Diversität möchte das Ikonenmuseum daher nicht nur ein Ort des Bewahrens kulturellen Erbes sein, sondern darüber hinaus einen Raum der Begegnung eröffnen, der alle einlädt und zu einem gelingenden Miteinander von Menschen mit verschiedenen kulturellen, religiösen wie auch nicht-religiösen Hintergründen beiträgt“, sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig. Hartwig zeigte sich durch die Umsetzung des neuen Museumskonzepts überzeugt: „Mit seinem neuen Präsentations- und Raumkonzept stellt es nicht nur eine Bereicherung für die Frankfurter Museumslandschaft dar, sondern unterstützt auch die Verständigung in unserer multikulturellen Stadt.“
Das Ikonen-Museum im Deutschordenshaus als Annex des Museums Angewandte Kunst mit Prof. Wagner K. als Direktor