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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Angeregtes Kochen im Lockdown

Nicht vom Brot allein…

 Humus, Copyright:© Text: Yotam Ottolenghi, Fotos: © DK Verlag/Jonathan Lovekin 

Kochbücher sind schon lange keine bebilderten Rezeptsammlungen mehr. Die Autoren stehen in der eigenen Küche oder zeigen uns die Stadt, in der sie leben. Sie erzählen wie sie zum Kochen gekommen sind und warum sie was mögen. Beliebt sind derzeit vor allem vegetarische Gerichte. Die werden beliebter. Nicht nur, weil sie gesund  sind, sondern vor allem, weil sie ganz anders zubereitet werden als totgekochtes Gemüse, Nämlich mit vielen Kräutern und Gewürzen, in gewagten Kombinationen. Rezepte der  Mittelmeerküche, Israels und Nordafrikas erobern die Küchen. Simone Hamm stellt Ihnen Kochbücher vor, die das miteinander verbinden…

Der legendäre Ottolenghi

Mit „Jerusalem“, dem Kochbuch, das der Israeli Yottam Ottolenghi zusammen mit dem Palästinenser Sami Tamimi geschrieben hat, sind hohe Standards gesetzt worden. Die beiden haben die feine Küche aus Israel und Palästina weltbekannt gemacht. „Jerusalem“ verkaufte sich hunderttausendfach. Kochliebhaber aus aller Welt warteten gespannt auf die nachfolgenden Kochbücher.
Jetzt ist „Flavour“ erschienen, das Otthlenghi zusammen mit Ixta Belfrage geschrieben hat. Zu den israelischen und levantinischen Einflüssen kommen in „Flavour“ lateinamerikanische hinzu. Denn Co-Autorin Belfrage ist in Mexiko und Brasilien aufgewachsen. Es gibt aber auch viele indische und asiatische Anklänge. Würde „Flavour“ die hohen Erwartungen einhalten können? Um es gleich vorweg zu sagen, sie wurden sogar übertroffen.

← Graupenrisotto in: Ottolenghi, „Flavour“, © DK Verlag/Jonathan Lovekin

In dem vegetarischen Kochbuch „Flavour“ Mehr Gemüse. Mehr Geschmack“ setzt Ottolenghi ganz auf drei Elemente:

Prozesse:
Rösten, bräumen, ziehenlassen. So sollte man bei manchen Rezepten etwa einen Knollensellerie stundenlang köcheln lassen.

Partner:
Welche Gemüse passen am besten zusammen? Dabei schafft Ottolenghi ungewöhnliche, originelle Kombinationen: Koreanischer Spargelpfannekuchen, Makkaroni mit Za’atar, Auberginenröllchen in Dalcurry, Spitzkohltacos mit Knollensellerie und Dattelsauce, Rote-Bete mit Limettenblatt-Butter, Miso-Butter-Zwiebeln, würzige Pilzlasagne.

Produkte:
Pilze, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch sowie Nüsse, Samen und Früchte haben einen kräftigen Geschmack, der, so Ottolenghi, seinen vegetarischen und veganen Gerichten ein Rückgrat verleiht. Dazu gehört etwa der vielseitige Blumenkohl, der in jedem Kapitel von „Flavour“ in anderer Form immer wieder auftaucht. Mal als levantinischer Krapfen, anschließend gegrillt und in Begleitung von Safran und Rosinen, dann taucht er als eine Art Bulgur in einem Taboulésalat auf, verwandelt sich in einen würzigen Kuchen, wird als fleischiges Steak gebraten oder schlicht im Ganzen gegrillt.

Aber die x-te Version von Blumenkohl auf den Tisch zu bringen, schreibt Ottolenghi, werde nicht aus dem Nichts geboren, es bedürfe vieler Versuche, ja sogar Irrtümer, bis ein neues Rezept entstehe. 20 Zutaten für guten Geschmack zählt er auf. Sie kommen aus aller Welt und reichen von Rosenharrissa über getrocknete Limetten bis zur Gochujang-Chilipaste. Ottolenghis Rezepte reichen von sehr einfach bis sehr aufwendig. Und: was immer ich nachgekocht habe, es war vorzüglich.

Yotam Ottolenghis, „Flavour“. Mehr Gemüse. Mehr Geschmack.
Übersetzt von Helmut Ertl und Regine Brams. 320 Seiten. Dorling Kindersley Verlag. 29.90 € 

Yotam Ottolenghi. Sami Tamimi. „Jerusalem“. 320 Seiten.
Dorling Kindersley Verlag. 29.90€ (Der Bestseller!)

Rezepte der Schweizer Sterneköchin

Tanja Grandits gilt als beste Köchin der Schweiz. 19 Gault Millault-Punkte hat ihr Restaurant „Stucki“.  Im  vergangenen Jahr wurde sie zur Köchin des Jahres gewählt. In ihrem vom Guide Michelin mit zwei Sterne ausgezeichnetem Lokal bietet sie Lammkarree und Ochsenbäckchen an. In ihrem Kochbuch „Tanjas Kochbuch – Vom Glück der einfachen Küche“ findet man die Rezepte dazu.

← Tanja Grandits mit ihrer Tochter Emma auf dem Markt, Foto © Lukas Lienhard, AT Verlag

Zu Haus kocht sie vegetarisch, vor allem ihrer Tochter Emma zu Liebe. Und so heißt ihr neues Kochbuch: „Tanja vegetarisch“. Schon als Kind liebte sie Früchte und Gemüse. Ihr haben es vor allem die Aromen angetan. Die Aromen der Stunde sind für sie Sesam, Limette, Rosmarin und geschroteter schwarzer Pfeffer. Zum Frühstück gibt es grüne Shakshuka, eine klassische israelisch/arabische Eierspeise. Auch Tanja Grandios setzt auf ungewöhnliche Kombinationen. Und auf Einflüsse vom Mittelmehr, aus Israel und Nordafrika.

Sie hat herrliche Suppen kreiert: Blumenkohl – Erdnusssuppe, geröstete Cherrytomatensuppe mit Kurkuma, Weiße Bohnen-Suppe mit Basilikum und Mandeln, Auberginen Suppe mit Harissa Yoghurt etwa.

Sie experimentiert meisterhaft: Rotkraut wird in Olivenöl im Wok gebraten. Japanische Udonnudeln mit Pilzpeso serviert. An den Zwiebelkuchen kommen Kapern, ans Schokoladenmousse Lavendeljoghurt. Zu den Bittersalaten gehören Roquefort und Pflaumen. Das Wokgemüse ist grün und der Tofu stark gepfeffert.

Auf den letzten Seiten ihres Kochbuchs öffnet sie ihre Schatzkammer mit Fonds, Chutneys, Pestos, Dressings, Würzsaucen und Gewürzmischungen, die sie auf Vorrat aufbewahrt.

Tanja Grandits Kochbuch trägt den Untertitel: Grüne Lieblingsrezepte für jeden Tag. Und tatsächlich ist es der Sterneköchin gelungen, alle Gerichte ihrer gehobenen, feinen Küche so zu konzipieren, dass man sie wirklich gut nachkommen kann – ohne dass man durch die halbe Stadt laufen muss, um irgendwelche seltenen Zutaten zu finden und ohne stundenlang am Herd stehen zu  müssen.

Große Küche für jeden Tag eben. Das ist schon eine hohe Kunst!

Tanja Grandits: Tanja vegetarisch. Grüne Lieblingsrezepte für jeden Tag. at Verlag. 320 Seiten. 35 €

 

 

← Grüne Lieblingsrezepte für jeden Tag;
Foto © Lukas Lienhard, AT Verlag

Griechische Küche vegetarisch

→ Nicolette Bousdoukou und Theopoula Kechagia: Tante Poppis Küche – Griechische vegetarische Familienrezepte. 232 Seiten. Dumont Buchverlag 28 €

 

Wer an griechische Küche denkt, denkt an trockene Souflaki, fettige Mousakka. Dabei hat man in Kreta etwa früher wenig Fleisch gegessen, ein Osterlamm zwar und mal eine Ziege. Ernährt haben sich die Kreter aber vorwiegend vegetarisch. Sie benutzten Olivenöl statt Butter. Das brachte ihnen ein langes Leben und wenige Herzkrankheiten. Es waren wohl die Touristen, durch die Fleisch und Butter auf die Speisekarten kamen.

Nicolette Bousdouko, hat in Hamburg die „Taverne“ geführt, die als Inspiration für den Film „Soul Kitchen“ diente. Jetzt kocht sie zusammen mit ihrer Tante Theopoula Kechagia, genannt Poppi im Café des Jüdischen Museums in Berlin. Theopoula Kechagia ist schon immer Vegetarierin gewesen, wenn auch keine militante, eifernde. Überhaupt ist sie ohne jedes Vorurteil. Die Grenzen zur italienischen und türkischen Küche sind fließend. Sie würzt mit Zitronengras, Kumin und Kurkuma und kauft auf dem türkischen Markt am Maybachufer in Neukölln bei einem albanischen Händler. Hauptsache, das Gemüse ist frisch und schmackhaft.

Tante Poppies griechische Küche ist nicht nur ein Kochbuch. Es ist eine ganz persönliche Einwanderergeschichte. Die vielen Fotos zeigen nicht nur die Speisen, sondern auch Poppi und ihre Nichte: beim Kochen, beim Einkaufen und Tischdecken.

Wir erfahren viel über die Heimat Griechenland, über Tische, die sich biegen unter Schafskäse, Salaten, Moussaka und anderen Köstlichkeiten. (Poppies Moussaka ist vegetarisch – Linsen statt Hackfleisch.)

Und es ist eine Erfolgsgeschichte. Poppi kam nach Hamburg, reüssierte mit zwei Lokalen, ging zurück nach Griechenland und kam nach der Finanzkrise wieder zurück nach Deutschland, diesmal nach Berlin.

Nicoletta Bousdoukou erzählt aber auch, wie schwer es für Poppi anfangs war, in Deutschland heimisch zu werden und wie glücklich sie die Abende mit der Familie am überreich gedeckten Tisch machten und machen: Damals  kam Zaziki immer in zwei Variationen auf den Tisch. Für Onkel Heiner mit und für Tante Irene ohne Knoblauch. Die Riesenbohnen werden über Nacht eingeweicht, dann mit Tomaten, Sellerie und Zwiebeln in Olivenöl gekocht. Schafskäse oder Reisnudeln werden überbacken, Auberginen, genau wie bei Yottam Ottolenghi mit Joghurt und Granatapfelkernen serviert. Aber es gibt auch Unterschiede. Bousdoukou und Kechagia betonen, dass man auch mit wenigen Zutaten gut kochen kann. Zitronenkartoffeln etwa. Tante Poppiges Küche zeigt, wie man sehr einfach überaus schmackhaft kochen kann.

Der ZEN-Meister unter den Köchen

→ Nigel Slater:  Aus dem Englischen von Sofia Blend. 336 Seiten DuMont. 28 €

Nigel Slaters gilt als Poet unter den Kochbuchautoren. Er ist Englands einflussreichster kulinarischer Journalist, der ZEN-Meister unter den Köchen. Von allen vorgestellten Kochbüchern ist „Greenfeast Herbst Winter“ das unprätentiöseste. Klein und handlich, so dass man es gut auf dem Küchentisch liegen haben kann. Englisches Understatement, wie wir sehen werden. Und seine Gerichte sind einfach köstlich.

Im ersten Band seiner Greenfeast-Serie kreierte Slater Frühjahrs-, und Sommer Gerichte. Jetzt werden Herbst- und Winter-Gerichte vorgestellt.

Bei Winterküche denken die meisten unweigerlich an Hirschgulasch und Rindsbraten. Slater zeigt, dass es auch vegetarische Wintergerichte gibt. Sie sind kräftiger als die Sommergerichte: Schmorgerichte aus saurer Sahne, Nudeln und Kräutern. Pilze auf einer Wolke von Polenta. Salate, wie sie, so Slater, die Generation seines Vaters im Winter nicht gebilligt hätte. Er will seine Liebe zu Blättern, Büscheln von Brunnenkresse und rohem knackigen Gemüse nicht aufgeben, nur weil das Feuer im Kamin brennt.

Seine Zutatenangaben sind fast immer  Dreiklänge. Und so lauten dann auch die Namen seiner Rezepte: Kartoffeln, Tomaten, Meerettich. Blumenkohl, Zwiebeln, Lorbeer. Fenchel, Sahne, Pinienkerne. Rote Beete, Sauerkraut, Dill.

Knapp und schnörkellos sind diese Rezepte. Und selten länger als 20 Zeilen, in denen alles Notwendige und nichts Überflüssiges steht. Auf der gegenüberliegenden Seite ist dann ein Foto des Rezeptes abgebildet. Mehr nicht. Für jeden, der schon einmal einen Kochlöffel in der Hand hatte, sind die Gerichte gut nachzukochen. Die Kapitel (aus der Pfanne, auf Toast, mit dem Schöpflöffel, auf dem Herd zum Nachtisch) werden jeweils mit einer Tuschzeichnung eingeleitet, einem rauhen, schwarzen Pinselstrich. Das unterstreicht das Minimalistische von Slaters Küche. Nur auf dem Umschlag ist dieser Tuschstreifen goldfarben. Wer kein ChiChi will und keine Lebensgeschichten lesen möchte, den Koch nicht in Aktion sehen möchte, sondern den Schwerpunkt auf erstklassige Küche legt, der ist hier genau richtig.

Kochen für Epikureer, Überlebenskünstler, Ästhetinnen, Traditionalisten und für Zauberer

→ Haya Molcho / Nuriel Molcho: Wien by NENI. Food. People. Stories. 272 Seiten 35 €

NENI heißen die Restaurants von Maya Molcho, die es an vielen Orten in vielen Ländern gibt, nach den Anfangsbuchstaben der Namen ihrer vier Söhne. „Tel Aviv“ hieß das Kochbuch, das sie bekannt machte. Darin führt sie uns durch Tel Aviv hin in ihre Lieblingsrestaurants, stellt die Köche und deren Konzepte vor. Da gibt es die Epikureer, den Überlebenskünstler, die Ästhetin, die Traditionalisten, den Zauberer. Dementsprechend vielfältig und bunt sind die Rezepte.

Das gleiche Konzept hat sie jetzt auf ihr neues Kochbuch „Wien“ übertragen. Wien ist für alle Familienmitglieder zur Heimat geworden. Maya Molcho ist als junge Frau der Liebe wegen nach Wien gezogen, hin zu ihrem Mann, dem Pantomimen Samy Molcho. Viele Fotos von Wien und Fotos von stolzen Köchen machen Lust darauf, die Stadt und die Restaurants zu entdecken. Und wieder verrät jeder Koch einige seiner besten Rezepte: Susanne Widl, Grand Dame des „Café Korb“, Patrick Müller, der schweigend kocht und deshalb der „silent cook“ genannt wird, Luca und Dario Formisano, die „Slow food“ anbieten.

Die Gerichte nicht immer einfach zu kochen, aber sie schmecken wunderbar. Maya Molcho stellt auch Fleisch und Fischgerichte vor. Ihre Gemüserezepte sind raffiniert. Manche erinnern immer noch eher an die Mittelmeerküche und an die maghrebinische Küche als an Wien, etwa der gegrillte Romanesco Salat mit Tahina und Knoblauchsauce oder Marokkanische Harira, ein Nudel Kichererbensgericht.

Doch es gibt auch Wienerisches: Eiernockerl mit Blattsalat (mit 16 Eiern für vier Personen!)

Andere Speisen wie kalte Brombeersuppe (kann man im Winter auch mit tiefgekühlten Brombeeren machen) sind recht eigenwillig und machen gerade deshalb Lust darauf, sie sofort nachzukochen. Wird die Suppe wohl so gut schmecken, wie sie auf dem Foto aussieht? Sie wird.

Sauerteigbrot mit Misopilzen und Rosmarin vereint wichtige Elemente der östlichen und westlichen Küche. Zwiebelschnecken mit karamellisiertem Spitzkohl und Machego klingt ungewöhnlich, sonst werden ja meist die Zwiebeln karamellisiert. Die Zutaten sind auf jedem guten Markt zu finden, doch manche Gerichte erfordern eine lange Vorarbeit. Bei den knusprigen Ofenkartoffeln mit Käferbohnen und Wildkräutersalat soll man die Käferbohnen zwei Tage zuvor in Wasser einweichen, am darauffolgenden Tag die Zwiebelmarinade herstellen und erst am dritten Tag über die Ofenkartoffeln geben. Wer sich aber die Zeit für Molcho Rezepte nimmt, wird reich belohnt werden.

← Pochiertes Ei; Foto: Nuriel Molcho/Brandstätter Verlag

Und dann gibt es noch ein Gericht, was in fast jedem der vorgestellten Kochbücher vorkommt, gleich ob bei Maya Molcho, bei Tanja Grandits, bei Tante Poppi oder bei Yottam Ottolenghi: Shakshuka. Der herzhafte Klassiker aus der Küche Nordafrikas aus pochierten Eiern darf nicht fehlen. Das scheint das Essen der Stunde zu sein. Mit Tomaten und Paprika bei Yoram Ottolenghi und Tante Poppi, mit grünen Kräutern bei Haha Molcho und Tanja Grandits.

 

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