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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Dilettantisches Vorgehen“: Scharfe Kritik an Josef und Hartwig in Theaterfrage

Interview mit dem kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Dürbeck

Sie sei „sehr froh“, dass es beim Schutz des Foyers mit seiner Wolkenskulptur jetzt „Sicherheit“ gebe, sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig bei der jüngsten Diskussion (8. Dezember 2020) im Deutschen Architekturmuseum zur Zukunft der Städtischen Bühnen. Denn dieser Bauteil sei der „Markenkern“. Zu dieser deklarierten Sicherheit hatte sie selbst beigetragen, indem sie gemeinsam mit dem formal zuständigen Planungsdezernenten Mike Josef öffentlich die Unterschutzstellung des Wolkenfoyers durch das hessische Denkmalsamt „begrüßt“ hatte. Das förmliche sogenannte Benehmens-Verfahren war vorher seitens der Stadt offen. Über diese bedeutsame Wendung in der Debatte über die Zukunft der „Theaterdoppelanlage“ sprach Uwe Kammann mit dem kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, Thomas Dürbeck.

FeuilletonFrankfurt (FF) Gab es irgendeine Vorabinformation oder eine Sondierung, bevor der Planungsdezernent Mike Josef und die Kulturdezernentin Ina Hartwig in einer gemeinsamen Aktion die Denkmalschutzverfügung für das Wolkenfoyer der Städtischen Bühnen positiv aufgenommen und auch öffentlich begrüßt haben?

Thomas Dürbeck

Thomas Dürbeck (TD) Nein. Die Äußerung der beiden Magistratsmitglieder kam für mich überraschend und für die Fraktionskollegen auch.

FF Mit dieser Aktion des formal für städtische Denkmalschutzfragen zuständigen Planungsdezernenten ist unter die bisherige komplexe Diskussion zumindest vorläufig ein Schlussstrich gezogen, auch in der Standortfrage. Wie beurteilen Sie das?

TD Das Vorgehen der beiden Dezernenten ist dilettantisch. Es hätte vollkommen genügt, den Denkmalwert des Wolkenfoyers einfach nur zur Kenntnis zu nehmen. Die beiden Stadträte haben aber die Ausweisung des Wolkenfoyers als Einzelkulturdenkmal ausdrücklich begrüßt. Damit besteht die Gefahr, sich buchstäblich nicht nur eine Sanierung oder einen Neubau der Bühnen an dieser Stelle zu verbauen, sondern die beiden machen sogar ihren eigenen Vorschlag einer Kulturmeile unmöglich.

FF Inwiefern?

TD Das lässt sich einfach beschreiben. Für die Oper in der Neuen Mainzer Landstraße müsste nicht nur das Grundstück der Frankfurter Sparkasse von mehr als 6.300 Quadratmetern in Anspruch genommen werden, sondern zusätzlich noch über 3.400 Quadratmeter aus den Wallanlagen mit einem wertvollen alten Baubestand. Dies geht aus einem Magistratsbericht vom 21. September und aus dem Baumkataster hervor. Wenn aber das Wolkenfoyer bleibt, dann wird es am Willy-Brandt-Platz kaum gelingen, auf der Stelle des jetzigen Opernhauses Ausgleichsflächen für die wegfallenden Grünflächen bei der Neuen Mainzer Straße zu schaffen.

Für den Glas- und Wolkendenkmalschutz: Mike Josef; begrüßt Denkmalsicherheit: Ina Hartwig

FF Wie das Beispiel des Abrisses des Zürich-Hauses zugunsten des Opernturm mit einer Blockrandbebauung belegt, kann eine Denkmalschutzverfügung wieder aufgehoben werden, falls gewichtige Gründe für diese Aufhebung sprechen.

TD Das ist richtig. Auch nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz besteht die Möglichkeit, Baudenkmäler – darunter auch Kulturbauten – abzureißen. Aber im jetzigen Fall wird die Stadt eines der Hauptargumente, nämlich wirtschaftliche Unzumutbarkeit, kaum noch vorbringen können. Denn beide Stadträte haben ja, wissend um diese Situation, die Entscheidung des Landesamtes für Denkmalpflege ausdrücklich begrüßt. Darüberhinaus haben sie sogar noch hervorgehoben, dass die Integration des Kulturdenkmals eine herausfordernde Bau- und Planungsaufgabe sei.

FF Kritische Stimmen sehen in diesem Schritt, der noch vor Ablauf der Frist für eine städtische Stellungnahme erfolgt ist, eine kaum erklärliche und in der Sache völlig unnötige Verbeugung vor dem Denkmalschutz. Teilen Sie diese Kritik?

TD Nun, die beiden Dezernenten hätten ja schon vor Jahren ihre Position kundtun können, dass sie die Städtischen Bühnen oder zumindest das den Willy-Brandt-Platz dominierende Wolkenfoyer unbedingt für denkmalwürdig halten und entsprechend für eine Unterschutzstellung eintreten. Dann hätte man darüber debattieren können und möglicherweise hätte der Auftrag für die Stabsstelle Zukunft Städtischen Bühnen und die Überprüfung der Machbarkeitsstudie aus dem Jahre 2017 anders ausgesehen.

Ausschnitt des Wolkenfoyers

FF Findet diese Überprüfung, der ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vorausging, jetzt im luftleeren Raum statt, weil die platzbestimmende Großfigur förmlich und praktisch den Erhalt der Doppelanlage mit Oper und Schauspiel erzwingt, egal, ob in sanierter Form oder als Neubau?

TD Nach dem Vorpreschen der beiden Dezernenten ist jedenfalls die Sinnhaftigkeit der bisherigen Arbeit der Stabsstelle stark in Frage gestellt. Aber man sollte die Prüfung der Alternativstandorte dennoch nicht aufgeben. Denn ein unter Denkmalschutz gestelltes Wolkenfoyer bezieht sich auf ein Bauteil, nicht aber auf die restlichen Gebäude und schon gar nicht auf die Nutzung als Bühnenbetrieb. Und wenn es keinen Bühnenbetrieb mehr gibt, wozu soll dann das Wolkenfoyer dienen?

FF Wie sehen Sie das im Gesamtzusammenhang, speziell auch unter städtebaulichen und architektonischen Gesichtspunkten?

TD Das Wolkenfoyer hat unstreitig architektonische und künstlerische Qualitäten. Aber wenn es erhalten werden soll oder muss, dann wird sich an der Situation des Willy-Brandt-Platzes nichts ändern, ein Platz, den in der jetzigen Form alle städtebaulich für unbefriedigend halten. Zudem wird eine in jeder Hinsicht attraktive und phantasieoffene Architektur erheblich eingeschränkt, eigentlich auf Null gesetzt. Das gilt auch für Zugänglichkeit und Funktionsmischung, wenn eine über hundert Meter breite Fassade mit Wolkenfoyer und den Arkaden erhalten bleibt.



Eingang zum Schauspielhaus (oben); das gemeinsame Foyer für Schauspielhaus und Oper (mitte); Eingang zur Oper (unten)

FF Beim Denkmalschutz wird oft heftig gestritten, wie authentisch das Denkmal bleibt, wenn es nach heutigen Anforderungen mit strikten Auflagen wie für Brandschutz oder Energieeffizienz saniert werden muss, um die Substanz erhalten zu können.

TD Ja, es muss unbedingt gefragt werden, was von dem Kulturdenkmal übrigbleibt, wenn es nach modernen energetischen Auflagen saniert wird. Die aktuelle Konstruktion des Wolkenfoyers wird keine moderne und zeitgemäße Wärmeschutzverglasung tragen können. Sie müsste konstruktiv verstärkt, die filigrane Fensterkonstruktion müsste massiv verändert werden. Von der ursprünglichen Aura des Wolkenfoyers würde nichts mehr oder nur ganz wenig übrigbleiben.

FF Mit welcher Folge?

TD Im Prinzip käme es zu einem Nachbau oder einer Rekonstruktion, ja fast zu einer Nachahmung des Foyers aus dem Jahre 1963.

Zeitschicht der 80er: mit Architekturpreis ausgezeichnet, noch nicht unter Denkmalschutz (oben); Schutzversprechen in Frankfurter Normalästhetik, noch nicht denkmalgeschützt (unten)

FF Eine Bürgerinitiative hat sich, mit dem Dezernatsbescheid erfolgreich, für den Denkmalschutz des 60er-Jahre-Baus eingesetzt. Eine andere Initiative hat über 20.000 Unterschriften für ein Bürgergehren gesammelt, das die Rekonstruktion des ursprünglichen Schauspielhauses aus dem Jahr 1902 zum Ziel hat. Das war in der Nachkriegszeit noch die Theaterspielstätte, bevor es teilweise abgerissen und überbaut wurde, zugunsten der Doppelanlage. Steht damit Denkmal gegen Denkmal? Lässt sich da etwas kombinieren, wäre das zu wünschen, wenn überhaupt?

TD Das lässt sich meiner Meinung nach nicht kombinieren. Und zu den Befürwortern der Rekonstruktion, sei es von 1902 oder von 1963, sage ich mit einem Gedanken aus Hegels Phänomenologie des Geistes: Beide Rekonstruktionen wären doch am Ende eingehüllte Erinnerungen einer vergangenen Wirklichkeit, wobei die Hülle nicht einmal authentisch wäre und, was den Seeling-Bau betrifft, nicht mal mehr zehn Prozent der Originalbausubstanz erhalten ist.

FF Die CDU hat lange Zeit ein ganz anderes Modell favorisierend ins Spiel gebracht, mit einem anderen Standort, nämlich einem derzeit gewerblich genutzten Gelände am Osthafen. Dort, so dieser Vorschlag, könnte eine neue Theaterdoppelanlage errichtet werden. Ist daran noch in irgendeiner Form zu denken?

TD Der CDU ging es immer um eine ergebnisoffene Standortsuche, mit der kostspielige Interimsstätten – mit allen Risiken für Künstler, auch mit dem Manko reduzierter Zuschauerplätze – vermieden werden sollten. Der Standort im Hafenparkquartier würde einen Umzug in einem Rutsch ermöglichen, ohne andere Übergangsspielstätten und ohne die damit für Künstler, Zuschauer verbundenen Einschränkungen. Und wir würden uns Kosten für Interimsspielstätten sparen. Ich finde, das sind wir in Anbetracht unserer Gesamtverantwortung für diese Stadt und der enormen Kosten einer Sanierung oder eines Neubaus schuldig.

Sperre für die Bankenaufsicht am Willy-Brandt-Platz

Drei Bauepochen am Willy-Brandt-Platz

FF Bei einem Neubau in Kombination mit dem Foyer oder bei einer Totalsanierung des jetzigen Großkomplexes in einem Rutsch wären Interimslösungen unumgänglich?

TD Genau diese Gefahr besteht aber jetzt, verursacht durch das Verhalten der beiden Dezernenten, und das in einer Zeit, in der die Stadt Frankfurt jeden Euro zweimal umdrehen muss, bevor sie ihn ausgibt. Und das gilt für eine Reihe von Projekten, so auch für das projektiere Kinder- und Jugendtheater. Es ist so vieles anzupacken, denkt man auch nur an den Zoo. Hier muss alles noch einmal und immer wieder auf den Prüfstand.

Europäische Zentralbank im Osten (im Hintergrund): Theater-Standort-Option für die CDU

FF Könnte es sein, dass wegen der nun völlig neuen, höchst angespannten Finanzlage der Neubaubeschluss der Stadtverordnetenversammlung noch einmal neu debattiert und am Ende gekippt wird, zugunsten der vorher verworfenen Sanierung im Bestand, Schritt für Schritt?

TD Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es wird sicher im kommenden Jahr dazu eine Debatte geben, was die Stadt sich leisten kann und was nicht. Auf keinen Fall kann es mit Bauunterhaltskosten von 3 Millionen Euro im Jahr am Willy-Brandt-Platz weiter gehen. Hier bedarf es in Zukunft viel mehr Geld.

FF Was folgt aus der jetzigen Situation für Ihre Fraktion, welche Schlüsse zieht sie aus der geänderten Ausgangslage? Tut sich da noch etwas vor den Kommunalwahlen im nächsten Frühjahr? Oder warten Sie, wie womöglich alle anderen Akteure auch, die neue Konstellationen in der Stadtverordnetenversammlung ab?

TD Wir sollten jetzt das Ergebnis der Arbeit der Stabsstelle abwarten. Und natürlich ist es richtig, jetzt – wenige Wochen vor der Kommunalwahl am 14. März kommenden Jahres – keine Entscheidungen mit langfristigen Folgen zu fällen. Aber danach werden wir darum nicht umhinkommen.

Fotos: Uwe Kammann

 

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