home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Galerie Heike Strelow: „Essential Reduction“

Corona und Meditation

Von Erhard Metz

Es ist ein Sinnenfest für Freunde abstrakter und minimalistischer Kunst: „Essential Reduction“ in der Galerie Heike Strelow in Zusammenarbeit mit der Strelow und Walter Kunst GbR. Und mehr noch: ein meditatives Angebot in Zeiten der sich scheinbar unkontrolliert ausbreitenden Corona-Pandemie mit ihren gravierenden Einschränkungen des alltäglich gewohnten Lebens samt allen damit verbundenen Existenz- und Zukunftsängsten.

Minh Dung Vu, Ohne Titel, 2019, Acryl, Seide, Holz und genähte Leinwand, 50 x 40 cm

Vielleicht mag sich dieser Eindruck erst beim zweiten Besuch der Ausstellung und genauerem Hinsehen einstellen, etwa bei der stark reduzierten, feinst mit Seide und genähter Leinwand ausgeführten Arbeit des 1994 in Vietnam geborenen, in Leipzig lebenden Künstlers und zuletzt Schülers von Michael Riedel, Minh Dung Vu, einer echten Entdeckung. Je länger man schaut, desto lebhafter entwickelt sich das Bild in seiner besonderen Materialität. Erst recht, wenn man es an einem ruhigen Ort oder geeigneten Platz in den eigenen vier Wänden, reflektierend als ein sich mehr und mehr ausfüllendes Gegenüber wahrnehmen kann.

Vergleichbares ließe sich von dem von feinen malerischen Applikationen gerahmten „Spiegel“ sagen, in den uns Oliver Gröne blicken läßt. Ist die Irritation über den Werktitel erst einmal überwunden, kann sich in ruhiger Betrachtung ein „Spiegelbild“ in ungeahnten Weiten und Welten einstellen – vorausgesetzt man läßt alles vermeintlich Bedrängende los und begibt sich mit einem Glas Wein, auf den man in der Galerie in Corona-Zeiten verzichten muß, auf eine Reise, nicht frei von Abenteuern, in Raum und Zeit.

Oliver Gröne, Spiegel 2, 2020, Öl auf Leinwand, 120 x 90 cm

Oliver Gröne, 1969 in Lemgo geboren, studierte an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Hermann Albert; der auch für seine figurative und seine Landschaftsmalerei weit bekannte Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

Goekhan Erdogan, an der Städelschule Schüler von Christa Näher und an der Offenbacher HfG von Adam Jankowski, Marc Ries und Gunter Reski, seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main treu geblieben, bahnt uns insofern einen Weg, als er uns mit seiner technisch aufwändigen und ausgefeilten Arbeit bei geduldiger Betrachtung seiner Camouflage sein eigenes künstlerisches Konterfei erahnen läßt. Selbstsuche, Selbstvergewisserung in schwierigen, gerade für Künstlerexistenzen bedrohlich-herausfordernden Zeiten?

Goekhan Erdogan, Ohne Titel (Camouflage VIII), 2020, Drucke, Leim, Lack, Schattenfugenrahmen verstärkt, 126,5 x 88,5 x 6 cm

Halten wir an dieser Stelle etwas inne und überschauen die Arbeit der Galeristin Heike Strelow im Corona-Jahr 2020, so scheint sich uns eine Art dramaturgischer Bogen zu spannen in der Auseinandersetzung mit den von der Pandemie so stark bestimmten Zeitläuften: von „Paradise in Transition“ im Sommer über „Verbergen der Kunst“ im Herbst nun zu „Essential Reduction“; vom noch comic-haften „Covid King“, dem eschatologisch-höllenhaften „Engelsturz“ und den unheildräuenden, vom Untergang bedrohten Weltszenarien des Ulf Puder nun zu eher zu still-geduldsamer Insichschau, zur Suche nach Erklärungen und zu Fragen göttlichen Geschehens einladenden Bildern. Ein übriges bewirkt die Anmutung des in weißestem White Cube-Weiß gleißenden Galerieraums von – in dieser Ausstellung wird es deutlich – fast schon sakralem Charakter.

Herbert Warmuth, Orange durch Gelb, 2020, Acryl hinter und durch Plexiglas, 30 x 30 cm, © VG Bild-Kunst Bonn

Zum Verfolgen feinster Spuren in verborgenen wie geheimnisvollen malerischen Welten bringt uns die Kunst von Strelows 1960 in Schweinfurt geborenem, in Frankfurt am Main lebenden Galeriekünstlers und Städel-Meisterschülers Herbert Warmuth. Er ist mit einer Reihe weiterer wunderbarer „Acryl hinter und durch Plexiglas“-Arbeiten in der Ausstellung vertreten.

India-Serena, Square Rotation, 2019, Acryl auf leinwand, 120 x 120 cm

Mit „Square Rotation“ einen durchaus dynamisch-markanten Akzent setzt India-Serena, 1985 in Caracas geborene und in Paris lebende Graduentin der Université Paris 8 Vincennes-Saint-Denis, obschon weltweit bekannt ebenfalls eine Entdeckung für die Frankfurter Galerieszene. Schaut man die Arbeit konzentriert an, entwickelt sich um das Gelb des Bildzentrums ein ins Universelle rotierendes Geschehen.

Wagt das Künstlerduo Winter/Hoerbelt einen Ausblick in eine Zeit nach Corona? Seine Röhren-Skulpturen bergen immer wieder etwas geheimnisvoll Umschlossenes wie zugleich sich dem Durchgang Öffnendes, Perspektivisches. Verstehen wir diese Arbeiten der beiden Künstler, für deren Vita und umfängliches Wirken wir auf den verlinkten Beitrag verweisen, in der Corona-Krise im letzteren Sinn.

Winter/Hoerbelt, Röhre M 420-20, 2020, 3D-Druck, Kunststoff, Durchmesser 26 cm, Länge 79 cm

Weiter mit bemerkenswerten sensiblen, zu Einkehr und Meditation einladenden Werken  in der Ausstellung vertretene Künstlerinnen und Künstler sind Felix Becker, Monika Brandmeier, Katrin Bremermann, Artjom Chepovetskyy, Irene Grau, Mathias Kessler, Rafael Rangel und Regine Schumann.

„Essential Reduktion“, Galerie Heike Strelow (in Kooperation mit Strelow und Walter Kunst GbR), bis 30. Januar 2021

Abbildungen Courtesy Galerie Heike Strelow, Fotos: Erhard Metz

s. hier weitere Berichte zu „Galerie Heike Strelow“

 

Comments are closed.