Pläne für Theater und Oper: Der Kotau
Denkmalschutz treibt Stadt in die Sackgasse
Eine kommentierende Einordnung von Uwe Kammann
Springprozession – so kennzeichnete FeuilletonFrankfurt im Oktober die Theaterdebatte. Jetzt, nur acht Wochen später, kann die Überschrift zum neuesten Stand nur lauten: Der Kotau. Denn mit dieser uralten chinesischen Unterwerfungsgeste – als Unterwürfigkeit gegen den herrschschaftsgesättigten Absolutheitsanspruch – hat sich die Stadt in eine Sackgasse manövriert.
Unübersehbar farbig: das Theater in der Südsicht
Besser/schlechter: Es war nicht die Stadt mit ihren politischen Entscheidungsorganen, sondern es war Planungsdezernent Mike Josef, der zur Überraschung vieler dem hessischen Landesamt für Denkmalpflege klipp und klar mitteilte, dass die Stadt die Entscheidung der Behörde begrüße, das gläserne Foyer (welches Oper und Schauspielhaus am Willy-Brandt-Platz verklammert) mit seinem inneren Wolkenschmuck unter Denkmalschutz zu stellen. An die Seite ihres Dezernatskollegen mit dem SPD-Parteibuch stellte sich Kulturdezernentin Ina Hartwig (ebenfalls SPD), in Form einer gemeinsamen Presseerklärung.
Dezernenten-Dialog im Architekturmuseum: Ina Hartwig und Mike Josef
Was das bedeutet, lässt sich kurz und bündig beschreiben: Die Modelluntersuchungen für andere Standorte und Varianten der Städtischen Bühnen können eingestellt werden. Denn wenn die gemeinsame Front der beiden Häuser erhalten bleiben soll, wäre es wohl keinem mit Ratio versehenen Menschen verständlich zu machen, das gesamte Bauensemble dahinter – mit seinen relativ neuen Bühnen, seinen neuen Werkstätten, seinem Magazin und den weiteren Innereien – aufzugeben. Ein Ganz- oder Teilabriss, vielleicht auch die Aufgabe eines Hauses zu Gunsten einer Neubaulösung an anderem Ort: Das ließe das Ganze für nicht wenige als Projekt aus Absurdistan erscheinen.
Mithin: Ein Erhalt des Frontbaus aus den 60ern, das hieße mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit, den in Volumen und Technik einzigartigen Großkomplex doch zu sanieren – sei es in einem Rutsch mit einer Zwischenlösung für beide Häuser, sei es im laufenden Betrieb, Schritt für Schritt. Womit Frankfurt dann wieder am Anfang der Debatte stünde, mit dem damaligen Erschrecken vor der hohen Sanierungssumme, die eine Machbarkeitsstudie vor vier Jahren kalkuliert hatte.
Objekt des Denkmalschutzes: das Foyer aus den 60er Jahren
Und eine solche Wendung geschieht einfach so, mit einem Bescheid aus dem Hause Josef an die Denkmalsbehörde in Wiesbaden? Ein zustimmender Bescheid in Sachen Denkmalschutz, der noch vor der formalen Frist für eine Stellungnahme am 15. Dezember abgegeben wurde, einer Frist zudem, die auch hätte verlängert werden können. So hingegen fiel die positive Antwort (das ganze Verfahren läuft unter dem Herstellen des Benehmens mit der Stadt) erstaunlich eilfertig aus. Und, erstaunlicher noch: ohne ein internes Benehmen mit den politischen Partnern und den Entscheidungsträgern zu suchen.
Dabei hatte doch das Stadtparlament mit großer Mehrheit den Beschluss gefasst, über die Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen vier Modell- und Standortvarianten zu untersuchen. Natürlich unter der nicht ausgesprochenen, aber innerlich geteilten Prämisse, dass über Perspektiven und engere Lösungshorizonte für die Städtischen Bühnen auf der Grundlage der Prüfungsergebnisse erst nach den Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr und der Etablierung einer neuen Stadtregierung konkreter debattiert werden könne. Was natürlich einschließt: auch mit möglicherweise neuen Konstellationen und Koalitionen.
Die Rückseite der Theaterdoppelanlage: Magazin und Werkstätten
Auch vor diesem Hintergrund ist der Denkmalvorstoß von Mike Josef (dessen Dezernat die lokale Zuständigkeit hat) ein Affront gegenüber den anderen Parteien und Akteuren in dieser Sache. Natürlich, die Politik kann mit starker Argumentation auch den Denkmalschutz für ein Gebäude wieder aufheben (vor allem die Wirtschaftlichkeit und die Nutzungsmöglichkeiten spielen dabei eine wichtige Rolle). Aber die jetzige Zustimmung, gar die verbindliche „Begrüßung“ wird von vielen als städtisches Präjudiz empfunden und verstanden werden, die Kombination spielt den Verfechtern des unbedingten Denkmalschutzes in die Hände, stärkt ihre Position ungemein.
Damit haben sich die Aktionen der erst Anfang des Jahres in die Öffentlichkeit gestürmten Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt voll ausgezahlt. Zuletzt hatten sich weitere Institutionen des Denkmalschutzes für deren Ziel ausgesprochen, das gläserne Foyer der Städtischen Bühnen samt Skulptur unter Schutz zu stellen und zu erhalten.
Ziel und Abfahrt: Willy-Brandt-Platz
Auffällig dabei: Die jetzigen Hauptteiligten haben sich anscheinend einen Maulkorb – pardon: eine Transparenzsperre – in dieser Sache verordnet. Was heißt: Trotz ganz normaler Presseanfragen verweigerten das Landesdenkmalamt und das Planungsdezernat einen Einblick in ihren Schriftwechsel, der zum Benehmensvorgang gehört. Vor dem Abschluss des formalen Verfahrens, so das Landesdenkmalamt, könne man gar nichts herausgeben (nicht einmal das Datum der im Oktober ergangenen Bitte an die Stadt um die Stellungnahme in dieser Sache). Auch das Josef-Dezernat mauerte in Bezug auf den Text, verwies auf seine auch von Ina Hartwig mitgetragene Pressemitteilung und den förmlichen Rahmen des Prozesses. Inhaltlich kam – nichts.
Was soll man von dieser Strategie des Einmauerns halten – bei einem Vorgang, der doch für die Stadt von eminenter Bedeutung ist, jetzt mehr denn je wegen der Frage, wie das große Vorhaben in einen durch Corona für viele Jahre gebeutelten städtischen Haushalt eingepasst werden kann. Wie oft hat die Kulturdezernentin die schöne Formel von der Selbstvergewisserung der Stadtgesellschaft beschworen. Und nun, da es um zentrale Faktoren eben dieser politisch-gesellschaftlichen Debatte geht, wird ein wichtiger Bestandteil unter Verschluss gehalten.
Das Gegenüber am Platz: Hochsicherheitstrakt der Bankenaufsicht
Völlig unverständlich auch – aber in der inneren Logik genau dieser Abwehr entsprechend – Ina Hartwigs Haltung zum Bürgerbegehren der Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus, welche für eine Rekonstruktion des ursprünglichen Baus aus dem Jahr 1902 ficht, eines Baus in einer Mischung aus Neorenaissance und Jugendstil, der nach dem Krieg noch bepielt, dann aber in den 60er Jahren teilweise abgerissen und mit Restbeständen in die jetzige Theaterdoppelanlage integriert wurde.
Gut 20.000 Unterschriften für einen Wiederaufbau hat die Aktionsgemeinschaft gesammelt und damit das Quorum – also die Mindestzahl – für einen Bürgerentscheid erheblich übertroffen. Was sich in diesem Votum einer doch erstaunlich großen Zahl von Bürgen ausdrückt – beispielsweise: welche Signale sich dahinter verbergen beim Erleben von Architektur, welche Wünsche hinsichtlich einer Formensprache für die Stadt, was das alles auch bedeutet für die allgemeinen Debatten um die urbane Gestaltung und die Vorstellungen von identitätsstiftenden Bauten –: Solchen Fragen wich Hartwig aus, verwies in einem Statement hinsichtlich des Bürgerbegehrens gegenüber FeuilletonFrankfurt allein auf die bekannten formalen Schritte und Punkte. Den im Bürgerbegehren steckenden Kern wollte sie nicht erörtern.
Was belegt: Mit dieser Rekonstruktions-Position und deren inneren Beweggründen fremdelt sie ungemein, sie scheint ihr – als Vermutung ganz grob ausgedrückt – zuwider, sie darf nicht einmal mit spitzen Fingern angefasst werden. Stattdesse verweist sie – um das Rekonstruktionsvorhaben vor allem aus praktischen Gründen abzuschmettern – auf die Unvereinbarkeit eines Theaterbaus aus der Kaiserzeit (sic!) mit dem heutigen modernen Spielbetrieb. Dabei blendet sie aus, dass viele Theater weltweit in solchen Traditionshäusern spielen – erfolgreich. Und in Opernhochburgen wie Barcelona und Venedig wurden unter größten Mühen, aber mit höchstem Bürgerengagement, die abgebrannten Opernhäuser Liceu und Fenice in ihrer usprünglichen äußeren Gestalt wieder aufgebaut.
Warenannahme der Oper an der Neuen Mainzer Straße
Zur Veranschaulichung hier die Daten: Das 1847 eröffnete Gran Teatre del Liceu in der Altstadt von Barcelona brannte 1994 völlig aus, wurde dann schon nach fünf Jahren wiederöffnet, bei modernisierter Bühne. Der Zuschauersaal (2.300 Plätze) wurde in alter Form rekonstruiert. Auch das 1792 eröffnete Teatro La Fenice in Venedig wurde weitgehend originalgetreu wieder aufgebaut, nachdem es 1996 wegen einer internen Brandstiftung fast völlig zerstört war. Auch hier arbeitete der große italienische Architekt Aldo Rossi Funktionserweiterungen ein, wurde die Technik modernisiert. Der Architekturhistoriker Luigi Monzo lobte das Ergebnis so: „So zeigt sich das Theater heute zwar in seinem historischen Gewand, doch ist an vereinzelten, wohl ausgewählten Stellen deutlich zu erkennen, dass die Gegenwart, in der es errichtet worden ist, in der Architektur des Theaters reflektiert wird.“ (sein sehr lesenswerter Beitrag zur Baugeschichte und Rekonstruktion findet sich hier: https://luigimonzo.com/2012/01/17/auf-der-suche-nach-der-verlorenen-identitat/).
Identität: Das ist der springende Punkt. Den einen gefällt die reiche Formensprache historischer Bauten, sie sehnen sich nach solchen Bildern und Ornamentfolgen in Steinen, so wie sie jetzt auch im kleinen Frankfurter Altstadtareal zu finden sind. Dies als rückwärtsgewandt oder reaktionär abzutun (noch vernichtender der Hammer des Theoretikers Stephan Trüby: hier gehe es um schuldtilgendes Einrichten „rechter Räume“), das ist schlicht verfehlt und infam. Andere wiederum sehen in der auf Abstraktion und rigiden Purismus setzenden modernen Architektur die Befreiung von lastender Geschichte und zugleich das Versprechen eines lichten demokratischen Aufbruchs.
Dass jetzt bei der Paulskirche unter diesem Vorzeichen restaurative Argumente aufscheinen, ist eine unerwartete Volte der Einschätzung. Bei den Theaterargumenten, wie sie von den Befürwortern des gläsernen Foyers so vehement verfochten werden, steht zu vermuten: Hier suchen sie eine Bestätigung eben ihrer Identität, die geprägt war/ist durch eine glorreiche Mittel-Nachkriegsgeschichte des Schauspiels und der Oper in Frankfurt, aufscheinend in solch emblematischen Namen wie Peter Palitzsch und Michael Gielen. Zu dieser Emblematik gehören Grundbegriffe wie Aufbruch und Transparenz, Mitbestimmung und Teilhabe, demokratische Öffentlichkeit und kritische Gegenöffentlichkeit, Dekonstruktion und Widerstand, Intellektualität und Emotions-Reflexion. Was sicher nicht dazu gehört: Jegliche Form von positiver Beheimatung oder gar Heimeligkeit.
In dieser Intellektualität fühlt sich eine ganze Generation (mit allen ihren angrenzenden Gruppen) überaus wohl, es ist ihre lustvolle Lebensrealität und angestammte Deutungsheimat. Auch dies erklärt ihren Kampf für das 60er-Jahre-Gehäuse der Theateranlage. Das Äußere steht für das Innere, das Innere für das Äußere. Aber kann dann der Denkmalschutz einfach eine Klammer um diese Epoche ziehen und sie als die allein schützenswerte Zeitschicht deklarieren (wobei inzwischen in einer neueren Betrachtung durchaus auch der 1902-Bau in die Überlegungen einbezogen wird)?
Nun, die Frage darf man so nicht stellen. Denn Denkmalschutz ist auch äußerst zeitgebunden und nicht zuletzt auch äußerst autoritär, auf allein subjektiver Grundlage. Objektive Kriterien gibt es nicht, auch hier geht es immer um Interpretation, deutende Zuschreibungen. So dass der Denkmalschutz (stark geworden nach den Abrissorgien in der Nachkriegszeit und den Praxis-Diktaten einer Banal-Moderne) seine von den Mitarbeitern dekretierten jeweiligen Urteile qua Verfahren für sakrosankt erklärt und damit die politischen Entscheidungsgremien bereits im Vorfeld ausmanövriert oder in einer späteren Phase unter hohen Zugzwang setzt, mitunter auch unverfroren düpiert, und das immer mit dem besten Gewissen des expertisegestärkten Besserwissers.
Inzwischen Objekt des Denkmalschutzes: das ehemalige Lorey-Haus
Hat die elegante Rundung des Rundschau-Hauses ohne Einspruch des Denkmalschutzes ersetzt: Grobstrick-Fassade gegenüber dem Eschenheimer Turm
Sicher, ein verfügter Denkmalschutz kann auch wieder aufgehoben werden. Das prominenteste Beispiel in Frankfurt ist sicher das Zürichhaus am Opernplatz, dessen Schutzstatus von der Stadt aufgehoben wurde, zugunsten des jetzigen Opernturms mit seiner blockhaften Randbebauung. Zum Umstimmungsargument gehörte: ein Akt der Stadtreparatur. In der damals geführten vehementen Pro- und Contra-Debatte (das Contra überwog) gab es auch gleichsam geschichtsironische Wendungen. Denn die Aktionsgemeinschaft Westend, welche das Traditionsviertel am Ende erfolgreich gegen das Vordringen immer weiterer Bürotürme verteidigt hatte, setzte sich in diesem speziellen Fall für das in seiner Entstehungszeit so zeitgemäße Zürichhaus mit seiner um den Sockel herum lockeren Pavillonarchitektur ein: Es war jetzt ein Teil ihrer Heimatgeschichte geworden.
Mithin: Es stand ein Status-Quo-Gefühl gegen die aufziehende Stimmung Anfang des 21. Jahrhunderts, Städte wieder nach den historischen Grundprinzipien der europäischen Stadt zu gestalten – Prinzipien, wie sie mit Macht der Architekt des Opernturms, Christoph Mäckler, verficht, organisiert auch im von ihm dirigierten Institut für Stadtbaukunst. Äußerst lesenswert zum damaligen Streit ist ein Artikel des Kunsthistorikers Markus Dauss aus dem Jahr 2009 (https://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/36050590/forschung-frankfurt-ausgabe-3-2009-die-revolution-frisst-ihre-eignen-kinder-opernturm-statt-zurich-haus-hochhausdebatten-im-frankfurt-der-gegenwart.pdf). Fast spiegelbildlich lassen sich darin die auch ideologisch geprägten Untergrund-Linien der jetzigen Theaterdebatte erkennen.
Wie subjektiv und zugleich autoritär Denkmalschutz ist oder sein kann, belegt geradezu exemplarisch ein aktuelles Berliner Beispiel. Dort soll die Komische Oper erweitert werden (Richtung Unter den Linden) und zugleich denkmalgerecht saniert werden (Kostenplan: 227 Millionen Euro). Mit einem für viele kuriosen Ergebnis für das 1892 errichtete ehemalige Unterhaltungstheater, das um den alten Saal aus der Gründerzeit herum Mitte der 60er Jahre in DDR-Regie umfangreich modernisiert worden war, dann vor fünfzehn Jahren nochmals eine Umgestaltung speziell im Foyerbereich durch den renommierten Architekten Stefan Braunfels erfuhr.
Vom Berliner Denkmalschutz prinzipiell abgelehnt: Braunfels-Entwurf für einen Umbau der Komischen Oper, Computersimulation: Stephan Braunfels
Jetzt aber besteht der neue Berliner Landeskonservator darauf, dass vor allem die „Zeitschicht“ DDR herausgestellt wird. Mit der Vorgabe, dass bei der jetzigen Generalsanierung der „Originalzustand“ von 1956 wiederhergestellt werden soll. Dass jetzt das Kulturforum in Berlin mit seinen Bauikonen (wie Philharmonie und Nationalgalerie) durch einen monströsen Museumsbau in allen Belangen zerstört wird, kümmert den obersten Denkmalschützer in Berlin nicht die Bohne: Vielleicht, weil es in gewissen Kreisen (und auch mit Blick auf den rot-rot-grünen Berliner Senat) viel schicker ist, sich als junger Westler für das DDR-Architekturerbe in die Bresche zu schlagen.
Nun, vieles bleibt in solchen Fällen natürlich Spekulation, was Motive und Vorlieben betrifft. Aber dass solche sehr subjektiven Faktoren im Spiel sind, ist nicht zu leugnen. Auch, dass der Denkmalschutz generell eine starke Position hat, in Hessen dank des novellierten Denkmalschutzgesetzes besonders. Wie fundiert oder überzeugend seine Urteile sind, auch, wie bindend und zukunftsweisend, das ist fraglich, wird aber in der Regel nicht in Frage gestellt.
Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Stadt Frankfurt durch den von Mike Josef vollzogenen Kotau vor dem Landesdenkmalamt in ungebührlicher Form in allen weiteren Bewegungen gebremst, eingeengt oder gar gefesselt wird. Allerdings, ein Grummeln lässt sich im anders gepolten Polit-Umfeld der Stadt kaum vernehmen. Es habe zu dem Thema auch keine Magistratsvorlagen gegeben, so Umweltdezernentin Rosemarie Heilig gegenüber FeuilletonFrankfurt, auch keine Beschlüsse – eben, weil die Stadt an der Entscheidung des Landesdenkmalamtes nicht beteiligt sei, „auch nichts daran ändern“ könne. Insofern hätten aus ihrer Sicht Josef und Hartwig positiv darauf reagiert und im Schreiben an die hessische Behörde ihre Position „klargestellt“, mit dem Satz: „Die Ausweisung des Foyerbaus als Einzelkulturdenkmal wird ausdrücklich begrüßt. Damit wird der mögliche Standort des Theaters gestärkt.“ Sie sehe auch nicht, dass die Entscheidung etwas damit zu tun habe, „ob es eine Doppelanlage oder Neubauten an unterschiedlichen Standorten geben soll.“
Auch Mark Gellert, Sprecher des Planungsderzernenten Mike Josef, sieht in der Sache keinen großen Spielraum. Gegenüber FeuilletonFrankfurt äußerte er sich so: „Die Benehmensherstellung hat eher formalen Charakter, da die Stadt Frankfurt kein Veto oder ähnliches hat (im Gegensatz zum ‚Einvernehmen’, das in diesem Zusammenhang aber nicht vorausgesetzt wird.)“ Die Frist für die „Benehmensherstellung“ zum vom 29. Oktober datierenden Auszug aus dem Denkmalverzeichnis Hessen sei der 15. Dezember 2020 gewesen. Diese Frist, so Gellert weiter, sei aber aber „nicht unumstößlich“, Fristverlängerungen seien „grundsätzlich möglich“. Hierfür liege die Zuständigkeit laut entsprechender Verwaltungsvereinbarung „ausschließlich beim Planungsdezernenten“. Gellert fügt hinzu: „In diesem Fall hat er (was tatsächlich ungewöhnlich ist) in diesem Zusammenhang gemeinsam mit Stadträtin Dr. Hartwig eine kurze Stellungnahme abgegeben. Eine Abstimmung im Magistrat ist im Rahmen der Denkmalausweisung nicht vorgesehen.“
Unter Denkmalschutz: die Universitätsbibliothek in Bockenheim
So also steht es, ganz formal, um diese Selbstfesselung in Sachen Theater. Ina Hartwig, so der Gesamteindruck aus einer Stellungnahme gegenüber FeuilletonFrankfut und auch aus einem FAZ-Interview, redet diese Selbstfesselung schön, glaubt an eine zu meisternde Integration oder Teilintegration des jetzt bestandsgeschützten Foyers auch in einen Neubau; glaubt auch an eine Stärkung und Verbesserung der Gesamtsituation des Willy-Brandt-Platzes; sieht keine Einschränkungen, auch nicht mit Blick auf ihre bislang so euphorisch vorgetragene Vision einer Kulturmeile mit einem neuen Opernhaus an der Neuen Mainzer Straße.
Ja, ja. Allerdings: Könnte sie jetzt, nach dieser Festlegung, anders sprechen? Dürfte sie jetzt feststellen, dass mit dem nur über das Glasmaterial transparentem, aber ansonsten hermetisch verschlossenen Langfoyer mit seinen Mauseloch-Eingängen die gewünschte Öffnung des Theaters auch tagsüber nicht zu schaffen ist; auch, dass jeder der bisher vorgestellten Platzhalter-Entwürfe für Neubauten wesentlich attraktiver und einladender ist? Dürfte sie jetzt bedauern, dass beim jetzigen Status eine so bereichernde Platzgestaltung und Erweiterung der Wallanlagen wie im Entwurf von Christoph Mäckler hinfällig wären?
Nein, so kann sie jetzt nach der gemeinsamen tiefen Verbeugung vor dem Generalurteil der hessischen Denkmalschützer nicht mehr sprechen. Stattdessen lässt sie über ihre Pressesprecherin verlauten: „Die Dezernentin begrüßt die Entscheidung bezüglich des Denkmalschutzes ausdrücklich, weil sie die notwendige Klarheit schafft, die wir uns schon lange gewünscht haben. Seit 1963 hat das Theatergebäude einschließlich des Foyers eine wechselvolle Planungs- und Baugeschichte erfahren. Über alle Veränderungen hinweg hat sich jedoch der identifikatorische und damit auch emotionale Wert des Glasfoyers unserer Städtischen Bühnen behauptet. Auch wenn sich für einen anschließenden Neubau mit Integration des Kulturdenkmals eine herausfordernde Aufgabe stellt, wird damit der Traditionsstandort des Theaters gestärkt.“
Identifikatorisch. Emotional. Das, keine Frage, gilt sicher für einen Teil der so oft beschworenen Stadtgesellschaft. Ob dies auch anderen Gruppen zugesprochen wird? Die rund 20.000 Unterschriften des Bürgerbegehrens zum Wiederaufbau des alten Theater sind ein deutliches Signal: Es gibt auch andere Gruppen, mit anderen Identifikationswünschen und Emotionen. Wie dies jetzt in den nachfolgenden Schritt eines Bürgerentscheids münden wird: Das scheint durchaus offen. Die Aktionsgemeinschaft fürchtet ein Mauern der Stadt.
Was schwer wiegt: In diesem so bedeutsamen Prozess um die Zukunft der Städtischen Bühnen waren Teilhabe und Teilnahme, waren eine offene Diskussion und transparente Debatten nicht immer die Favoriten der Hauptbeteiligten – es sei denn, sie konnten Argumentationen zugunsten ihrer Lieblingspositionen erwarten. Allerdings, die Qualität der Diskussionen war auch nicht immer für Applaus bestimmt. So brachte vor kurzem ein Architekt in einer Pro-Denkmals-Debatte sogar die Variante ins Spiel, für die Bühnen an anderer Stelle Neubauten zu errichten und das denkmalgeschützte Foyer einfach als Riegel in den Wallanlagen stehen zu lassen.
Strahlende Schönheit, saniert: das Düsseldorfer Schauspielhaus
Ein Theater-Motto in Düsseldorf: Vorbild für Frankfurt?
Sein vielfach wiederholtes Hauptargument bei der Grundtheorie: es gehe stets um eine Neuinterpretation eines bestehenden Gebäudes. Die Beispiele waren eher alte Hüte, nicht leicht übertragbar auf das Theater. Und den Großmeister der Neuinterpretation und des behutsamen An-und Neubaus, den Diözesanbaumeister Karljosef Schattner aus Eichstätt, hatte er nicht einmal im Referenz-Repertoire.
Schade, damit hätte man sich in der ideologiegesättigten Online-Debatte trösten können. Aber vielleicht taucht ja auch in Frankfurt am berüchtigten „Ende des Tages’“ ein neuer Schattner oder ein uraltweiser David Chipperfield auf. Und erlöst die Stadt mit einer Collage, die alles überzeugend neuinterpretiert und verbindend sichtbar macht, was da am Willy-Brandt-Platz zu finden ist: vom Seeling-Bau aus dem Jahr 1902 über die Otto-Apel-Version der Nachkriegs-Reflexion und die Gefängniswand des Magazins bis zu den Strahlstreben aus dem Hause Gerkan für die Werkstätten.
Frankfurter Bild aus glücklichen Vor-Corona-Zeiten – ein Himmelszeichen
Könnte … Aber hier wird, ohne großes Risiko, eine Wette gewagt: Auch 2035 sieht das Ensemble äußerlich noch genauso aus wie heute. Und im Innern wird saniert, bei laufenden Betrieb. Von einer Milliarde ist dann nicht mehr die Rede. Sondern von vielleicht zwanzig, dreißig Millionen pro Jahr. Der Einsatz für diese Wette ist nicht groß. Ob sie Gewinn bringt? Wer weiß …
Fotos: Uwe Kammann
Siehe auch:
https://www.feuilletonfrankfurt.de/2020/07/13/staedtische-buehnen-zukunftsmodelle-ein-zwischenstand/
https://www.feuilletonfrankfurt.de/2020/06/04/zupacken-jetzt-zur-zukunft-der-staedtischen-buehnen/
https://www.feuilletonfrankfurt.de/2020/01/24/zukunft-der-staedtischen-buehnen/
https://www.feuilletonfrankfurt.de/2018/05/09/die-diskussion-um-schauspiel-und-oper-frankfurt/
https://www.feuilletonfrankfurt.de/2017/10/21/45-roemerberggespraeche-was-soll-das-theater/