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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„August Macke – Paradies! Paradies?“ im Museum Wiesbaden (1)

Lichtdurchflutete Bilder von einzigartiger Farbharmonie

Von Hans-Bernd Heier

August Macke, einer der bedeutendsten deutschen Expressionisten und beliebtesten Maler des 20. Jahrhunderts, verlor sein Leben schon mit 27 Jahren als Soldat in der Champagne – wenige Wochen nach Beginn des schrecklichen Infernos des Ersten Weltkriegs. Zu Ehren ihres Mannes und um die Erinnerung an sein beträchtliches Oeuvre wachzuhalten, organisierte seine Frau Elisabeth nach dem Krieg aus dem Nachlass des Künstlers eine „August Macke Gedächtnis-Ausstellung“ mit über 190 Werken. Diese gastierte im Herbst 1920 schon im Museum Wiesbaden. Aus Anlass dieser vor 100 Jahren gezeigten umfassenden Retrospektive präsentiert das Museum Wiesbaden in enger Kooperation mit dem Kunstmuseum Bonn jetzt sein vielfältiges Werk mit dem Titel „August Macke – Paradies! Paradies?“

„Park im Süden“, Aquarell und Bleistift auf Papier, 1914; Privatsammlung; Foto: Bernd Fickert

„Die Gedächtnisausstellung von 1920 am gleichen Ort aufzugreifen und August Macke mit dem Blick des 21. Jahrhunderts zu betrachten, ist eine ebenso spannende wie schöne Aufgabe“, sagt Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden „Ich bin überzeugt, dass diese Ausstellung zum richtigen Zeitpunkt kommt. Vielen Werken dieses Malers entströmen Impulse der Freude und Lebensleichtigkeit, sie scheinen uns regelrecht mit dem Leben versöhnen zu wollen“.

In der großartigen Schau „August Macke – Paradies! Paradies?“ sind 80 Werke aus allen Schaffensphasen des Bonner Expressionisten zu sehen – darunter auch 16 Gemälde und Aquarelle, die bereits vor hundert Jahren im Museum Wiesbaden gezeigt wurden. Ergänzt wird die Präsentation um 23 Werke von „Rheinischen Expressionisten“, die von Macke maßgeblich inspiriert wurden.

Grundstein für das Projekt waren die enge Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bonn, mit dem das Landesmuseum Wiesbaden schon seit Jahren kooperiert, ebenso wie die Leihgabe wichtiger Schlüsselwerke aus der Bonner Sammlung. Im Gegenzug hat Wiesbaden Hauptwerke von Alexej von Jawlensky ausgeliehen, die dort die Basis für eine umfangreiche Präsentation bilden. Dieser „Tauschhandel“ von Werken der beiden Künstler, die einst der Künstlergruppe „Blauer Reiter“ angehörten, dürfte sich kostensenkend auf die Budgets beider Häuser auswirken, erspart er doch Transportkosten und die teilweise beträchtlichen Leihgebühren.

„Gartenbild“, Öl auf Leinwand, 1911; Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe des Landes Nordrhein-Westfalen; Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen, Wolfgang Morell

„Unsere Ausstellung zeigt den weltberühmten Lichtmaler aus dem Kreis des ‚Blauen Reiters‘. Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit verstand es August Macke in seinen lichtdurchfluteten optimistischen Bildern, kurz noch einmal das irdische Paradies wie in einem flüchtigen Schnappschuss festzuhalten, bevor es mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs infrage gestellt war,“ erläutert Kustos Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung.

Der am 3. Januar1887 in Meschede (Westfalen) geborene August Macke hat die Kunstströmungen seiner Zeit im „Eiltempo“ erkundet und weiter entwickelt, bis er seinen unverwechselbaren Stil und seine einzigartige Farbharmonie fand. In der Ausstellung wird Mackes stilistische Entwicklung deutlich nachvollziehbar: Ausgehend vom impulsiven Impressionismus eines Lovis Corinth, der ein halbes Jahr sein Lehrer in Berlin war, trug er durch seine Begegnung mit dem Fauvismus und Futurismus in Paris (Henri Matisse, Robert Delaunay) und die Zugehörigkeit zur 1911 in München gegründeten Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ um Wassily Kandinsky und Franz Marc entscheidend zum künstlerischen Aufbruch der Avantgarde nach der Jahrhundertwende bei.

„Stickende Frau auf dem Balkon“, Öl und Tempera auf Leinwand, 1910; Kunstmuseum Bonn; Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen, Wolfgang Morell

Die in Wiesbaden thematisch gehängte Schau beleuchtet anhand gut gewählter Beispiele alle Schaffensphasen des produktiven Künstlers. Auch werden die Medien vorgestellt, in welchen er tätig war – vom Gemälde über Zeichnungen und Druckgrafik, über Skulpturen bis hin zu den herrlichen atmosphärischen Aquarellen, die er am Thuner See in der Schweiz und während der berühmten Reise mit Paul Klee und Louis Moilliet im afrikanisch-orientalischen Tunis im April 1914 schuf.

Die farbenprächtigen Arbeiten – Macke gilt als einer der größten Farbmaler des 20. Jahrhunderts – vermitteln Lebensfreude und Harmonie. „Seine Begegnungen mit Wassily Kandinsky, Franz Marc und Robert Delaunay inspirierten ihn dazu, durch und durch schöne, elegische Bildwelten zu erschaffen, in welchem sich der Mensch sicher und aufgehoben fühlt. Das Wissen jedoch, dass ein Paradies blitzartig verloren gehen kann, schwingt dabei stets unterschwellig mit“, so Zieglgänsberger. Aus diesem Grund ist dem Titel der Schau beim zweiten Paradies? ein Fragezeichen angefügt.

Seine Bilder sind, wie Macke selbst sagte, ein „Gesang von der Schönheit der Dinge“, die seine Schaffensfreude deutlich zeigen. „…bei mir ist Arbeiten ein Durchdringen der Natur“ – voller Harmonie und Optimismus. Höhepunkt seines Schaffens sind die Aquarelle und Zeichnungen, die er während seiner Tunis-Reise gefertigt hat. Wie in einem Schaffensrausch hat er in den zwei Wochen über 50 Werke gemalt und gezeichnet, die zu den besten seines künstlerischen Werkes zählen.

Als Macke im Alter von nur 27 Jahren im Ersten Weltkrieg bei Perthes-les-Hurlus in der Champagne fiel, schreibt sein Freund Franz Marc in einem Nachruf: „Er hat von uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell wie seinganzes Wesen war“. (Teil II informiert über Mackes Leben und der Suche nach seinem eigenen Stil)

„Seiltänzer“, Öl auf Leinwand, 1914; Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe des Landes Nordrhein-Westfalen; Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen, Wolfgang Morell

Auch wenn Mackes lebensbejahende „Bilder, die von Licht und Farbe durchpulst werden, mehr als ‚Wohlfühl-Malerei‘ seien“, so Museumsdirektor Henning, passe die Schau gut in die durch die Corona-Pandemie beschränkte Zeit. Leider musste die vom Kulturfonds RheinMain geförderte äußerst sehenswerte Ausstellung bereits nach dem ersten Ausstellungswochenende temporär wieder schließen – möglicherweise bis zum 30. November 2020.

„Die Schließung des Museums Wiesbaden wie der anderen Kulturinstitutionen stimmt uns natürlich sehr traurig“, betont Dr. Henning. „Doch bin ich überzeugt, dass jetzt von uns allen tatsächlich eine große gemeinsame Anstrengung erforderlich ist, damit wir eine verheerende Ausbreitung der Covid-19-Pandemie verhindern. … Doch gerade in dieser Zeit wäre es auch wichtig, Seele und Geist des Menschen zu ernähren. Museen sind dafür ausgezeichnete Orte. Und nach allem, was wir wissen, sind es auch sichere Orte, denn man kann jederzeit genügend Abstand zu anderen Gästen wahren. Wir hoffen und wünschen uns daher sehr, im Dezember wieder BesucherInnen im Museum Wiesbaden begrüßen zu dürfen. Damit sie hier Anregung und Freude finden, Auf- und Durchatmen können, Sinne und Denken in Schwung bringen.“

Nach dem Lockdown soll „August Macke – Paradies! Paradies?“ bis zum 14. Februar 2021 im Landesmuseum Wiesbaden zu sehen sein.

„Spaziergang auf der Brücke“, Öl auf Leinwand, 1913; Hessisches Landesmuseum Darmstadt; Foto: Wolfgang Fuhrmannek

 

Weitere Informationen unter: www.museum-wiesbaden.de

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