Premiere an der Oper Frankfurt vor dem erneuten Lockdown – La Serva Padrona / Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi
Verführungskraft einer Haushälterin – Mitgefühl im Schmerz
Von Renate Feyerbacher; Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt
Plakat auf der Litfasssäule, Foto: Renate Feyerbacher
Zum 5. Mal, davon zum 4. Mal unter der Intendanz von Bernd Loebe, wurde von den Journalistinnen und – journalisten der Fachzeitschrift Opernwelt das Opernhaus Frankfurt zu gleichen Teilen mit dem Grand Théâtre de Genève zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt.
Mitte März ereilte das Frankfurter Haus der Lockdown, als gerade „Salome“ seine Premiere gefeiert hatte. Für die Ausstattungen wurde Katrin Lea Tag zur „Bühnenbildnerin des Jahres“ gekürt.
Zwei Künstler, die auch in Frankfurt schon begeisterten, wurden „Sängerin des Jahres“ und „Sänger des Jahres“: Marlis Petersen (Hanna in) „Die lustige Witwe“ und Jakub Józef Orliński (als Rinaldo) in Händels gleichnamiger Oper und als Unulfo in „Rodelinda“.
Die neue Saison 20/21 hatte vor einem Monat mit der Wiederaufnahme der Oper „The Medium“ von Gian Carlo Menotti begonnen, die im Juni vor einem Jahr zusammen mit „Satyricon“ von Bruno Maderna im Bockenheimer Depot Premiere hatte. Statt „Sartyricon“ wurden Chorwerke von Schubert und Brahms, sowie Trauermusik für Streichorchester von Lutoslawski dazu geboten. Im Spieplan wieder aufgenommen wurden „Xerxes“ und „Manon Lescaut“.
„Stabat mater“: v.l.n.r. Monika Buczkowska (Sopran), Kelsey Lauritano (Alt) und Frank Albrecht (Vespone)
Nun gibt es eine Neuproduktion. Es sind zwei sehr unterschiedliche Werke von Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736): das Intermezzo „La serva Padrona“ („Die Magd als Herrin“) und „Stabat Mater“. Lebendig geht es in der Mini-Oper zu. Serpina, schon lange in Ubertos Diensten, will nicht länger Haushälterin, sondern Hausherrin beziehungsweise Ehefrau sein. Alle möglichen Tricks wendet sie an, um Uberto von einer Heirat zu überzeugen. Doch vergeblich.
Den stummen Diener Vespone (Frank Albrecht) motiviert sie, sich als Offizier zu verkleiden, um Uberto eifersüchtig zu machen. Uberto seinerseits, völlig genervt, beauftragt Vespone, ihm eine neue Frau für den Haushalt zu besorgen. Recht penetrant und unverfroren geht Serpina vor – aus Liebe oder des Aufstiegs wegen, das bleibt zunächst die Frage. Nun ja, Uberto ist schließlich bereit zur Heirat. Beide gestehen sich ihre Liebe. Warum nur die lange Ablehnung des Priesters, kriechen sie doch gleich zu Anfang aus dem gemeinsamen Bett?
Regisseurin Katharina Thoma, einst Regieassistentin in Frankfurt, ist mittlerweile an vielen Opernhäusern engagiert, so auch in Frankfurt, wo sie im Februar mit „Tristan und Isolde“ eine kluge Inszenierung bot. Vorbereitet hatte sich Katharina Thoma eigentlich auf „Die Banditen“ von Jacques Offenbach, stattdessen kam corona-bedingt der Pergolesi-Zweiteiler.
Wie sie in Oper extra erzählt, entwickelte sie die Idee, die Geschichte bei einem katholischen Priester, da Priester auf Haushälterinnen angewiesen sind, spielen zu lassen. Gelegentlich wehrt sich der eine oder andere gegen Aufdringlichkeit und manchmal springt zwischen Beiden der Funke über. Gar nicht so selten, denn die Einhaltung des Zölibats ist wahrlich nicht leicht. So bleiben psychische Konflikte nicht aus. Die Serva, die sozial Schwächere, ist dem Mann jedoch überlegen und keineswegs still, wie die katholische Kirche es in der Vergangenheit von Frauen erwartete. Seine Unsicherheit stärkt sie.
Pergolesi hat die beiden Protagonisten musikalisch sehr unterschiedlich ausgestattet. Umberto ist sprunghaft, kurz sind seine Melodien, die seine Gefühlsverwirrung ausdrücken. Serpinas Gesang hingegen ist linear.
„La serva padrona“: Simone Osborne (Serpina) und Gordon Bintner (Uberto)
Die kanadische Sopranistin Simone Osborne, Preisträgerin mehrerer Auszeichnungen, ist stimmlich und schauspielerisch erfrischend. Der kanadische Bassist Gordon Bintner, Ensemblemitglied seit vier Jahren, gefällt als Uberto. Da die beiden Künstler ein Paar sind, brauchen sie keinen Mundschutz , so ist ihr Spiel authentisch.
Ein breites Bett, ein Harmonium, eine Betbank, ein Stehpult, Stühle und ein kleines Waschbecken hat Etienne Pluss für das Spiel zur Verfügung gestellt. Das kleine, immer mal wieder schief hängende Altar-Triptychon an der Wand zeigt gelegentlich das Bild der Magd. Zum „Stabat Mater“ verschwindet die Rückwand nach oben. Die Bühne wird dunkel, der Raum erweitert, das Harmonium bleibt, später belebt ein übergroßes Tuch das Bühnengeschehen.
Musikalisch bietet der Abend ein Kontrastprogramm. Drei Jahre nach der Uraufführung von „La serva padrona“ (1733) wurde „Stabat Mater“ auch in Neapel uraufgeführt. Im selben Jahr starb Giovanni Battista Pergolsi mit nur 26 Jahren. Dieses „Poem des Schmerzes“, wie Komponist Vincenzo Bellini das Werk ein Jahrhundert später nannte, geht nah. Katharina Thoma spricht vom „richtigen Stück für diese Zeit.“ Unweigerlich führt es zur Selbstreflexion.
Viele Zeitgenossen Pergolesis, darunter auch Johann Sebastian Bach, waren begeistert von der katholisch-spirituellen Sequenz. Dirigent Karsten Januschke spricht von der wunderbaren Dissonanz in den Gesangsstimmen, die oft über viele Takte gehalten wird. Er vermutet, dass Bach davon fasziniert war. Die wunderbare Musik wird eindringlich vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester interpretiert. Sie hat etwas Tröstliches.
Wie kann diese Musik theatralisch gestaltet werden? Zunächst betrachtet der Text das Leiden der Schmerzensmutter, leitet dann über in den Wunsch, am Leiden Jesu teilzuhaben. „Doch es bleibt nicht allein bei der Nachahmung, sondern es folgt die direkte Bitte an Maria, sie solle dem Beter Anteil an ihrem Leid und an ihrer Liebe ermöglichen, damit er ihrem Vorbild folgend unter Schmerzen standhaft im Glauben bleibt.“ (Zitat: „Stabat Mater – Ursprung und Geschichte eines religiösen Gedichts“ von Carolin Jurkat – Programmheft). Es wird vermittelt, dass der Gläubige durch Aktivität für sein Seelenheil selbst etwas tun kann.
Diese Aspekte werden Regisseurin Katharina Thoma auf die Idee gebracht haben, das Geschehen durch Statisten zu beleben. Da ist eine Familie, ein Asylant, eine arme Frau, eine junge Frau, die als Prostituierte gedeutet werden kann, ein Mann, der Süßigkeiten in sich hineinstopft. Dabei ist Frank Albrecht, der Vespone in der Kurzoper, derjenige, der am Ende zu Grabe getragen wird.
„Stabat mater“: v.l.n.r. Kelsey Lauritano (Alt) und Monika Buczkowska (Sopran)
Die beiden ausgezeichneten Sängerinnen, die Sopranistin Monika Buczkowska, und die Mezzosopranistin Kelsey Lauritano, in kunstvolle Gewänder gehüllt, die Irina Bartels entwarf, schreiten ständig umher. Ein Geschehen, das vom Publikum, es war die 2. Vorstellung, mit viel Beifall bedacht wurde.
Am Freitag, den 30.10., wird der Pergolesi-Abend um 19. 30 h im Opernhaus gezeigt. Wegen des neuen Lockdown fallen im November die Aufführungen aus. Im Dezember steht der Doppelabend, wenn Corona es zulässt, dann wieder auf dem Spielplan. Erkundigen Sie sie sich per Internet www.oper-frankfurt.de oder Mo – Fr 9 bis 19 Uhr und Sa, So 10 bis 14 Uhr, telefonisch unter: 069 / 212 49 49 4 nach dem letzten Stand, um noch an Karten zu kommen. Am 7. eines Monats ist jeweils Vorverkauf.