home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Alle Farben malen Schwarz“ – Drei verschiedene künstlerische Positionen im Ausstellungsraum Eulengasse

Zwischen schwarz und weiß – Jedem sein Bild

Einblicke von Petra Kammann

Zu sehen sind die Arbeiten von Andrea Blumör, Jörn Budesheim und Margrit Gehrhus noch bis zum 1. November. Sie repräsentieren künstlerisch gestaltete Kommentare zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen des „Schwarzwerdens“. Die Ausstellung findet im Rahmen des Kooperationsprojekts zwischen dem Ausstellungsraum Eulengasse und dem Kunstbalkon Kassel, einer der ältesten Produzentengalerien Kassels, statt. Kuratiert wurde sie von Vládmir Combre de Sena, dem in Deutschland lebenden Brasilianer, mütterlicherseits Enkel einer afrikanischen Großmutter, väterlicherseits einer portugiesischen Großmutter und eines indianischstämmigen Ureinwohner Brasiliens Großvaters.

Kurator der Eulengasse – Vládmir Combre de Sena, Foto: Petra Kammann

Poetisch sozialkritische Skizzen

Während man in der Galerie zur Linken gleich auf ausdrucksvolle Porträts von meist schwarzen Frauen oder Mulatinnen stößt, liegen in einem Glaskasten die gesellschaftskritischen, subtil kolorierten Blätter von Jörn Budenheim,  die der Philosoph tagtäglich in seine Skizzenbücher hineingezeichnet hat. Da finden sich illustrierte Überlegungen zur Kunst und Philosophie, die er in einem durchaus lustvollen und überlegten Verhältnis austariert. Da stehen Fragen im Raum wie „Was tritt in Erscheinung?“ oder „was bleibt verborgen?“ Jörn Budesheim verleiht seinen kleinformatigen „Denk-Zeichnungen“, jenen Aspekten des Zeitgeschehens eine doppelbödige Gestalt. Es sind anschauliche Kommentare etwa zu der Aussage „Jedes Antlitz ist unvollständig“ ( 2. Zeichnung v. links), was die Bedeutung zwischen dem hellhäutigen und dem dunklen Gesicht relativiert und wie wir von der vorgegaukelten Maske (4. Zeichnung v. links) gewissermaßen an der Nase herumgeführt werden, so wie in einer anderen Zeichnung, dem „Entwurf“, wo ein bedeutender Dichter und Denker vom Sockel gestoßen und in den Abgrund zu kippen droht. Wir werden konfrontiert mit Aspekten, die Einfluss haben auf unser „Da-sein“, unser „So-Sein“, unser janusförmiges „Doppelt-Sein“, auf das „Nachdenken“ und das „Werden“, bleibt immer genug  freier Raum zum Nachsinnen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

„Poesie als Kultur“ Jörn Budesheims begleitende Zeichnungen zu täglichen Wahrnehmungen und Gedanken

↑ Andrea Blumör vor ihren Frauenporträts Breffu (2018), Queen Nanni (2019), Mary Read (2019), o.T. (2019) Unter der gläsernen Hörstation kann man sich deren Viten anhören, Foto: Petra Kammann, 

↓ Jedes Porträts erzählt eine eigene Geschichte von Unterdrückung und Auflehnung gegen das Schicksal © Andrea Blumör

Blumörs Heldinnen

Andrea Blumör, die in Hanau geborene und lebende Künstlerin, zeigt Porträts von Frauen, die meist im 18. Jahrhundert in der Karibik oder in Nord- und Südamerika unfreiwillig an einem bestimmten Punkt ihres Lebens zu Rebellinnen wurden. Ihre Vita ist häufig eng mit der Geschichte der Kolonisation verknüpft. Hierbei handelt es sich nicht etwa um prominente Frauen. Ausgelöst durch Blumörs Studienreisen in die Länder wie die USA, China, Russland, Ghana, Algerien, Kenia, Südafrika und auch regelmäßig in den Senegal trieb die in Offenbach in den Zollamt Studios arbeitende Künstlerin die Frage um, warum diese unbekannten Frauen bildlich nicht existent waren.

Blumör machte sich daran, uns ein Bild dieser unbekannten Frauen zu vermitteln, eines, von deren Existenz die studierte Soziologin vor allem durch das aufwändige Studium von Dokumenten wie Schiffslisten, Versicherungspolicen, Polizei- und Gerichtsakten und Zeitungsartikeln erfuhr. Unter ihnen finden sich Piratinnen, Anführerinnen und Koordinatorinnen von Aufständen oder Leiterinnen von freien Gemeinschaften, von denen wir bislang keine Vorstellung hatten. Diese Akten wollte die Künstlerin mit Leben füllen. Es gelang ihr, den Frauen auch die ihnen zustehende Würde zu verleihen. Jeder dieser so unterschiedlicher Frauen misst sie die gleiche Bedeutung bei. So entstand eine Reihe von gleichformatigen Porträts, die, obwohl Blumör dafür eine alte Ölmaltechnik verwendet, nicht etwa historisierend wirken, sondern ganz eindringlich und gegenwärtig.

An der Wand: Mustertafeln“Hautfarben, Fleischfarben“ von Margrit Gehrus an der Wand, Foto: Eulengasse

Körperfarben – konzeptionell gedacht

Margrit Gehrus, die in Lüneburg geborene und in Kassel lebende Künstlerin und und studierte Gesellschaftswissenschaftlerin wiederum, verfolgt in ihrer Arbeit einen konzeptionellen Ansatz. Sie arbeitet bevorzugt in Serien und größeren Werkkomplexen, die sie als zeichnerische oder malerische Annäherung, bzw. Untersuchung eines Themas versteht.

Seit nunmehr zwanzig Jahren, als das Thema „Black lives matters“ bei uns noch nicht so akut war, recherchiert Margrit Gehrus zum Thema ,Hautfarben, Fleischfarben‘. Dabei lässt sie sich von Farbherstellern aus allen Teilen der Welt mit dem beliefern, was sie zum Thema im Angebot haben, schlichte industrielle Farbmischungen für den malerischen Direktgebrauch. Auch wenn die Hersteller diese auch unterschiedlich stereotypisieren, so wird in der Aufreihung der jeweils nationalen Vorstellungen die Klischees deutlich, was in den unterschiedlichen Gegenden der Welt als typische Hautfarbe begriffen wird. Minimalistisch und durch quasi-wissenschaftlichen Analyse entemotionalisiert präsentiert Margrit Gehrhus diese Tafeln, welche durch die schlichte Reihung in manchem Erinnerungen an Gerhard Richters Farbtafeln wachrufen. Hier wird ohne jegliche ikonographisch symbolische Aufladung aufgereiht und die Farbe selbst zum Gegenstand der künstlerischen Arbeit gemacht.

In dieser Ausstellung heißt es bewusst nicht „Engel sind schwarz und Weiß“, wie es der Titel des ersten vizediskutierten Romans der Autorin und Suhrkamp-Verlegerin Ulla Berkéwicz nahelegt. Zwischen Schwarz und Weiß liegen eben viele nuancierte Tönungen … Alle Farben sind schwarz? Auch sie sind eine Mischung.

EULENGASSE
Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Kultur e.V.
Seckbacher Landstraße 16 · 60389 Frankfurt-Bornheim

Tel. Tel. 069. 5600 5910 oder 0179 94 34 238
Verkehrsverbindungen:
U 4 Seckbacher Landstraße, Bus 38, Bus 43

Öffnungszeiten:
Do 17-21 Uhr · Fr 15-18 Uhr · So 15-19 Uhr
und nach Vereinbarung

www.eulengasse.de

Zu der Ausstellung fanden Live Meetings mit den Künstler*innen statt: „Poesie als Kultur“ mit Jörn Budenheim“Hautfarben“ mit Margrit Gehrhus, „Mary und ich“mit Andrea Blumör 

www.andreablumoer.com

sites/google.com/view/budesheim

www.gehrhus.com 

Comments are closed.