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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

L’Esprit – Absolventenausstellung 2020 der Städelschule im Portikus (2)

Von Erhard Metz

Nur noch bis Sonntag, 18. Oktober zu sehen: die Absolventenausstellung der Frankfurter Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, dieses Jahr unter dem Witz, Geist und Brillanz versprechenden Titel „L’Esprit“ (FeuilletonFrankfurt berichtete). Zeit also für eine abschließende Betrachtung.

Rückkehr in den Portikus

Zuletzt 2009 fand die – bis dahin sechste – Absolventenausstellung der Städelschule im Portikus statt, der seit ihrer Gründung im Jahr 1987 als essentieller Bestandteil der Städelschule angehörenden Ausstellungshalle auf der Frankfurter Maininsel. Kehrt nun die – inzwischen siebzehnte – Abschlußausstellung der ihre Ausbildung beendenden Studierenden an ihren sozusagen heimatlichen Ort zurück, oder handelt es sich, nach Jahren der Ausstellungen in der MMK-Dependance Zollamt oder im Ausstellungshaus des Städel Museums, um ein – vielleicht der Corona-Krise und den Verwerfungen im Ausstellungsbetrieb geschuldetes – Intermezzo? Die verfügbaren Ebenen sowie der Garten des Portikus wurden bespielt (nur einmal wurde auch der sonst für die Öffentlichkeit unzugängliche steil aufragende Spitzboden geöffnet), die Verwaltung der Institution mußte heuer dafür eigens ausquartiert werden. Die Unterkunft in dem – über eine von der Alten Brücke abzweigenden weiteren Brücke erreichbaren – Gebäude ist der Abschlußschau der Studierenden wahrlich nicht schlecht bekommen, erzeugte sie doch eine ganz besondere Atmosphäre von Verdichtung und Konzentration

Drei Absolventenpreise

Den Absolventenpreis des Städelschule Portikus e.V. erhielt Nadia Perlov für ihre faszinierende fünfzehnminütige Videoinstallation Jardin Jadore.

Nadia Perlov, Jardin Jadore, 2020, Installationsansichten

In der poetischen Arbeit agieren die Künstlerin mit ihrer Schwester Lia Perlov und Tamir Eting, die Cinematographie stammt von Hillel Ben-Zeev, die Musik von Johann Sebastian Bach (Andante aus dem Violinkonzert a-Moll BWV 1041), Natan Alterman und Moshe Levinsky sowie einer Originalmusik der Geschwister Perlov.

Nadia Perlov (Klasse Judith Hopf), 1990 in Israel geboren, erforscht in ihrer interdisziplinären Arbeit Strömungen von Migrationskulturen in deren Erzählungen und komplexen Identitäten in Bezug auf Politik, Architektur und Territorium. Sie „zieht Grenzen zwischen jüdischer Geschichte und Identität und dem kulturpolitischen Diskurs der Dekolonialisierung in Israel-Palästina“ (Portikus).

Verliehen wurde in diesem Jahr erstmals ein Absolventenpreis der Sammlung Pohl; er ging an Matt Welch und Shaun Motsi.

Shaun Motsi, 1989 in Simbabwe geboren, studierte bei Judith Hopf. Der überaus vielseitige, begabte Künstler arbeitet mit den Medien Malerei, Video, Installation und Schrift. Zu sehen sind drei malerisch fein ausgeführte Leinwände, die sich einem vielfältigen Interpretationspektrum öffnen.

Shaun Motsi, Tafel (Verso), 2020, Öl auf grundierter Aluminiumplatte, 60 x 50 cm (oben); a Bad-Bar Blues, 2020, Öl auf Leinwand, 49 x 42 cm

Matt Welch, 1988 in Liverpool geboren (Studium bei Haegue Yang), konfrontiert den Betrachter mit seiner herrlich ironisch-kritischen Reflexion über sein Studium mit schwer verdaulicher Kost: In einem aufgeschnittenen riesigen Magen-Darm-Trakt präsentiert er allerlei Utensilien einschließlich Mensa-Geschirr, die er gleichsam in sich hineingefressen hat. Was nun – so stellt sich die Frage angesichts der Entlassung aus der Geborgenheit der Hochschule in die freie Welt der Kunst und eine ungesicherte künstlerischen Existenz.

Matt Welch, Mechanical assimilation into a bad environment (die Verdauung), 2020, Glasfaser, Harz, Pigment, Acrylfarbe, Sperrholz, Öl, Stahl, Erde, Wasser, Hausmüll, organische Stoffe, Schlüssel, Münzen, Küchengegenstände, 280 x 250 x 60 cm

Was uns noch auffiel

Die diesjährige Absolventenausstellung gefällt in ihrer gelungenen Kombination von gehaltvollen Arbeiten in der bemerkenswerten Ausstellungsarchitektur des Portikus (kuratiert von Sophie Buscher und Alke Heykes). Im Rahmen unseres Resümees kann wieder einmal nur eine kleine Auswahl aus der reichhaltigen Werkpräsentation gezeigt werden. Andrew Wagner fügt seine großformatigen Kohlezeichnungen in die spezifische Architektur des Portikus ein, ebenso Lukas Heerich seine mächtige Glocke. Pia Ferm zeigt eine schöne Textilarbeit, Louise Giovanelli überzeugt mit ihren malerischen, hier altmeisterlich anmutenden Leinwänden.

(↑) Andrew Wagner (Klasse Judith Hopf), „IT!“ One and „IT!“ Two, 2020, Kohle-Wandzeichnungen, je 160 x 113 cm
(↓) Lukas Heerich (Klasse Tobias Rehberger), Glocke, 2020, Gummi, rostfreier Stahl, verkohltes Holz, magnetischer Motor, Maße variieren;
im Hintergrund: Nadja Adelmann (Klasse Tobias Rehberger), This is air, 2020, Installation, Aluminium, High performance LED-Matrix, Black 3.0, Fadenvorhang, 285 x 6 x85 cm;
u.d. Decke: Fiona McDonald (Klassen Peter Fischli, Hassan Khan), Sunflower, 2020,Zeichnung, Papier, Marker, Farbe 1, 50 x 150 cm

(↑) Pia Ferm (Klasse Tobias Rehberger), Das große Selbstporträt, 2020, handgetufteter Woll- und Leinenteppich, 185 x 240 cm
(↓) Louise Giovanelli (Klassen Amy Sillman, Monika Baer), Idyll (li.), Mal Air, jeweils 2020, Öl auf Leinwand, 24 x 18 und 30 x 22 cm

Zur Ausstellung erschien eine originell gestaltete, üppig ausgestattete Begleitpublikation mit Vorworten der neuen Städelschul-Rektorin Yasmil Raymond, die man getrost als ein Künstlerbuch bezeichnen darf. Wer sie eher als einen Katalog verstehen möchte, wird lediglich bei Nadja Adelmann und Nicholas Warburg fündig. Eine Versprechung wurde noch nicht eingelöst: die eigens eingerichtete Website „lesprit.online“ beließ es lediglich bei einem Standbild.

Im Fenster: Fiona McDonald (Klassen Peter Fischli, Hassan Khan), Playing Cards, 2020

Die Ausstellung wurde durch die großzügige Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, von Graf von Westphalen, dem Städelschule Portikus e.V., von Allen & Overy und der Sammlung Pohl ermöglicht.

L’Esprit – Absolventenausstellung 2020, Portikus, nur noch bis 18. Oktober 2020

Abgebildete Arbeiten © jeweilige Künstlerinnen/Künstler; Fotos: Erhard Metz

→ L’Esprit – Absolventenausstellung 2020 der Städelschule im Portikus (1)

→ Absolventenausstellungen der Städelschule 2007 bis heute

 

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