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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Beckmanns Selbstporträt “ Selbstbildnis mit Sektglas“ gehört ins Städel Museum

Eine Ikone der Moderne bekommt ihren festen Platz im Städel

von Petra Kammann

In Frankfurt am Main schuf Max Beckmann (1884 bis 1950) einen Großteil seiner bedeutendsten Werke, die schon ab 1918 in den Besitz des Städel gelangten. 1937 verlor das Museum durch die Beschlagnahmungsaktion der Nationalsozialisten dann seinen ersten Beckmann-Bestand fast vollständig. Nun hat das Museum das Selbstporträt, das bereits seit 2011 dort als Leihgabe zu sehen war, erwerben können. Es kehrt damit an den Ort zurück, in dessen unmittelbarer Nähe es 1919 entstanden ist, in ein Museum, in dem heute eine der größten Beckmann-Sammlungen gepflegt wird.

Die einstige Kunstwissenschaftlerin und Kulturstaatsministerin Monika Grütters erkannte die Bedeutung des Gemäldes „Selbstbildnis mit Sektglas“ von Max Beckmann; Alle Fotos: Petra Kammann

Eine Sternstunde sei es, wie der drei Jahre lang zäh um das Bild ringende Städel Direktor Philipp Demandt voller Stolz verkündet:„Das Selbstbildnis mit Sektglas“ ist nicht nur eines der bedeutendsten Gemälde unseres Hauskünstlers Max Beckmann, sondern auch eine Ikone des 20. Jahrhunderts. Seit meinem Amtsantritt in Frankfurt war der Erwerb dieses Schlüsselwerks von Beckmann mein Herzenswunsch. Was zunächst angesichts des Wertes dieses weltweit begehrten Gemäldes unerreichbar schien, ist nun, nach drei Jahren, zu einem glücklichen Abschluss gekommen“.

Noch nie zuvor habe das Städel Museum eine einzelne Erwerbung in dieser Dimension gestemmt, ergänzte Demandt und nimmt die neugierige Frage der Journalisten nach dem Preis schon vorweg. Darüber werde er nichts sagen. Das sei es wert. Wie hoch der Preis war, das lässt sich nur erahnen, wenn man die Praktiken des internationalen Kunsthandels verfolgt. Zwischen 17 und 22 Mio Dollar seien auf der letzten New Yorker Auktion für einen Beckmann geboten worden. Möglich sei der Erwerb nur durch private und staatliche Förderer gewesen, verkündete der sichtlich glückliche Städeldirektor Philipp Demandt. Für die Enthüllung des Gemäldes war die an der Finanzierung beteiligte Staatskulturministerin Monika Grütters auch eigens aus Berlin angereist.

Enthüllung des Gemäldes “ v.l.n.r: Nikolaus Schweickart, Ex-Altana-Chef,  Städel Direktor Philipp Demandt, Kulturstaatsministerin Monikas Grütters, Sylvia von Metzle, Städelscher Museums-Verein, und Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung

Das 1919 entstandene Selbstporträt, das dritte seiner Selbstporträts, war 1921 auf der Max-Beckmann-Ausstellung im Frankfurter Kunstverein gezeigt worden. Es sei ein Schlüsselwerk für die Entwicklung und das Verständnis des Künstlers, eine Art „Auftaktbild“ der „Weimarer Republik“, so Demandt.

Das Gemälde stammt aus der legendären Privatsammlung des Krefelder Seidenfabrikanten Hermann Lange, dessen Privathaus – eine Bauhaus-Ikone – kein geringerer als Mies van der Rohe gebaut und dessen damalige Partnerin Lilly Reich ausgestattet hatte. Der Gründer und Vorsitzender der Verseidag (Vereinigte Seidenwebereien AG Lange), der sich damals für die Kunst der Avantgarde interessierte, hatte das Beckmann-Porträt dafür bereits in den 1920er-Jahren erworben. In seinem Besitz befanden sich außerdem besondere Kubisten und Expressionisten, darunter Pablo Picasso, Juan Gris, Marc Chagall und Ernst Ludwig Kirchner. 

Nach dem Tode von Hermann Lange 1942 war das Gemälde lückenlos im Besitz seiner Nachkommen, von denen es nun für das Städel Museum in Frankfurt erworben wurde, verblieben. Ein Glück, denn so konnte direkt mit den Erben – vermutlich mit seiner Urenkelin Christiane Lange – verhandelt werden. Deswegen war es auch nicht wie die Werke anderer „entarteter Kunstler“  beschädigt oder gefirnisst und auch noch noch auf dem Keilrahmen.

Ausstellungsansicht Max Beckmann; Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

Das 1919 unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Porträt zeigt den traumatisierten Künstlers als eleganten Lebemann mit einem müden Gesichtsausdruck, der in einer vermutlich luxuriösen Bar (vermutlich im Frankfurter Hof) ein Glas Champagner zur Entspannung trinkt. Im Hintergrund scheinen zwei fratzenhafte Gesichter die Szene höhnisch zu kommentieren. Stürzende Linien bestimmen das Bild, und die fahle Farbigkeit erinnern an Grünewalds „Isenheimer Altar“.

1937 floh Beckmann, als „entartet“ diffamiert, aus Deutschland, noch im selben Jahr brachte der nationalsozialistische Bildersturm das Städel Museum um nahezu seine gesamte Sammlung der Klassischen Moderne. Mit über hundert Werken, darunter allein zehn Gemälden, war Max Beckmann der von der Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ am stärksten betroffene Künstler. 1950 starb er an einem Herzinfarkt in New York. 

Auch die Sponsoren waren zur Rede der Kulturstaatsministerin geladen

Diese Tatsache hat wohl auch die Kulturstaatsministerin dazu bewogen, Demandts hartnäckige Bitte um Unterstützung nachzukommen. Viele der Bilder seien außer Landes verkauft worden. „Aus gutem Grund kann Max Beckmanns Selbstbildnis mit Sektglas als ein national bedeutsames Kunstwerk bewertet werden: Innerhalb seines bedeutenden umfangreichen Schaffens markiert es das Spannungsverhältnis zwischen den noch frischen Wunden des Ersten Weltkrieges und den Anfängen der Weimarer Zeit. Unzweifelhaft handelt es sich um ein Schlüsselwerk im beeindruckenden OEuvre des Künstlers. Der Bund hat deshalb die Bemühungen zum Ankauf dieses Meisterwerks unterstützt. Für das Städel Museum und für das nationale Erbe ist der erfolgreiche Erwerb ein echter Glücksfall.“ 

Vorsitzende des Städelschen Museums-Vereins Sylvia von Metzler

Dass das Frankfurter Städel Museum und Max Beckmann auf besondere Weise miteinander verbunden sind, kommentierte auch Sylvia von Metzler, die dem Museum als Sponsorin schon viele Jahre verbunden ist: „Frankfurt war für Max Beckmann lange Zeit sowohl ein Zuhause als auch ein Ort künstlerischer Inspiration. Es sind die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die bereits zu Beckmanns Lebzeiten seine Kunstwerke im Städel Museum bewahrt wissen wollten. Mit der Erwerbung des Gemäldes Selbstbildnis mit Sektglas für Frankfurt schreiben wir diese Tradition nun auf eindrucksvolle Weise fort“.

Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung

Auch die Ernst von Siemens Kunststiftung, deren Generalsekretär Martin Hoernes bei der Enthüllung des Bildes anwesend war, unterstützte den Ankauf des Gemäldes mit einer beachtlichen (ungenannten) Fördersumme, dabei habe er das Städel erst einmal „auf Diät“ setzen wollen, denn noch vor nicht langer Zeit hatte er den Erwerb der Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler für die  „White Wedding“-Ausstellung mit 190 hochkarätige Kunstwerken für das benachbarte Skulpturenmuseum Liebieghaus unterstützt. Aber auch er war sich dessen bewusst, dass es einerseits in Corona-Zeiten nicht so leicht sein würde, einen Sponsor zu finden und andrerseits sei das Angebot ein besonderes gewesen, weil die Erben es in verantwortungsvolle Hände geben wollten.  „Unserem Gründer, dem Unternehmer und Mäzen Ernst von Siemens, war es ein Anliegen, Kunstwerke von höchster Qualität nicht nur für die breite Öffentlichkeit zu erhalten, sondern auch an den richtigen Ort zu bringen“, so Hernes. Und der richtige Ort ist im speziellen Fall nun mal Frankfurt und das Städel Museum, gerade mal ein paar Schritte von Beckmann damaliger Wohnung in der Schweizersraße 3. Auch für Frankfurt ein Glücksfall.

Vom 9. Dezember bis zum 5. April 2021 wird das „Selbstbildnis“ im Mittelpunkt der Sonderpräsentation „Städels Beckmann/Beckmanns Städel“ stehen.

 

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