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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die 72. Frankfurter Buchmesse – Special Edition ist eröffnet

Die Hoffnung stirbt zuletzt – „Signals of Hope“ auf der Frankfurter Buchmesse –  Special Edition

Es ist üblich, dass die Buchmesse offiziell mit einem Hammerschlag eröffnet  wird – doch auch dieser Schlag war in diesem Jahr digital und die Menschen durften einander nicht zu nahe kommen. Aber die wenigen Anwesenden in der Festhalle zeigten nicht nur Engagement für die Buchkultur, sondern auch neue Wege auf…

Redner*innen und Kooperationspartner bei der Eröffnung der Buchmesse 2020;  v.l.n.r.: Buchmessedirektor Juergen Boos, der kanadische Botschafter Stéphane Dion, der hessische Wirtschaftsminister Tarek El Wazir, hr-Intendant Manfred Krupp, Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters, Börsenvereinsgeschäftsführer Alexander Skipis, OB Peter Feldmann und Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Fridrichs, Foto: Petra Kammann

„Die Frankfurter Buchmesse bringt Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die sich der Verbreitung des Wortes verpflichtet fühlen und Wissen zugänglich machen. Die Pandemie erzwingt in diesem Jahr ein Umdenken: Auch wenn Verlagsprogramme und neue Technologien nicht in den Messehallen präsentiert werden können, wollen wir – wenn auch überwiegend virtuell – Begegnungen und fachlichen Austausch ermöglichen. Eine zentrale Aufgabe der Frankfurter Buchmesse ist es, gesellschaftlichen und politischen Diskursen ein Forum zu bieten, die Vielstimmigkeit des literarischen Erzählens erlebbar zu machen.

Digitale Formate ersetzen zwar nicht die persönliche Begegnung, aber sie ermöglichen Kommunikation über tausende Kilometer hinweg. Die traditionsreiche, selbstbewusste Buch- und Verlagsbranche hat sich digital breiter aufgestellt – und sie ist dadurch zugänglicher geworden. Das ist für mich ein starkes Hoffnungssignal“, sagte Juergen Boos heute anlässlich der Eröffnungspressekonferenz in der Frankfurter Festhalle.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau war per Videobotschaft präsent, Foto: Petra Kammann

Gastland wäre in diesem Jahr Kanada gewesen. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der zur Eröffnung des Schwerpunktthemas Kanada gekommen wäre, war im Livestream zugeschaltet worden, ebenso Gastredner David Grossman, der israelische Autor, und Friedenspreisträger. Trudeau betonte – in den beiden Landessprachen Französisch und Englisch – die Kraft des Mediums Buch. Immerhin sei sei Kanada auf der diesjährigen Messe doch dabei – digital oder in Ausstellungen. Das beweise , dass es eine „global community“ gebe, sagte Trudeau.

Die anwesende Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) forderte bei der offiziellen Eröffnungsfeier in der Festhalle  Raum für eine offene Debattenkultur in der Gesellschaft. „Immer wieder geraten Literatur und Kunst zwischen die Fronten, wo einzelne gesellschaftliche Gruppen sich zu Richtern darüber aufschwingen, wer über welche Themen schreiben darf und wer nicht.“ In anderen Fällen würden Kunstwerke „unter Verweis auf ihr Kränkungspotenzial aus dem öffentlichen Raum verbannt“.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) förderte die Buchbranche in diesen Krisenzeiten, Foto: Petra Kammann

Die Corona-Zeit öffne auch neue Räume für das Lesen – das Buch habe eine Zukunft, betonte Buchmessen-Chef Juergen Boos, der die Buchmesse in den letzten Monate immer wieder neu erfunden habe.

Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, Foto: Petra Kammann

Dass die Branche weiter in die Zukunft investieren müsse, davon ist Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs  ebenso überzeugt wie auch vom gedruckten Buch, das in der Pandemie ein Revival erlebt hat und sogar Amazon Konkurrenz gemacht hat. Aber sie weiß auch, dass die Medienkonkurrenz nicht schläft, und die Art, wie Menschen leben, kaufen und lesen, sich drastisch verändert. „Buchhandlungen und Verlage arbeiten an neuen Wegen, wie sie heute und in Zukunft für Bücher begeistern können. Dazu sollten wir die durch Corona gestärkten digitalen Skills mit unseren klassischen Kompetenzen verbinden. Zudem werden wir weiter an der Sichtbarkeit von Büchern arbeiten und daran, dass Kinder und Jugendliche umfassend Lesen lernen.“ Aber auch das sieht sie :„Das Buch ist krisenfest und unabdingbarer Teil unserer Gesellschaft.

Normalerweise ist zu Buchmessezeiten nicht nur die Festhalle pickepacke voll; Foto: Petra Kammann

Bei der Eröffnung machte die Vorsteherin aber auch keinen Hehl daraus, dass sie traurig sei. „Denn heute wird mir klar, was mir in dieser Woche alles fehlen wird. An Begegnungen, die mein Verlegerinnen-Leben nicht nur schöner machen, sondern es beflügeln, ja, es ausmachen. Und nicht alles davon lässt sich in gleicher Qualität ins Netz verlegen.“

Im zweiten Teil ihrer Rede lobte sie außerdem Staatsministerin Grütters für ihr außergewöhnliches Engagement für das Buch und zeichnete sie mit der Plakette „Der Förderin des Buches“ aus. Denn die begeisterte Leserin und einstige Literaturstudentin Grütters habe in den herausfordernden vergangenen Monaten stets ein offenes Ohr für die Branche gehabt. Sie habe nicht nur zugehört, sondern den Literaturbetrieb auch mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. „Ihrer Zuwendung – im doppelten Wortsinne – haben wir es zu verdanken, dass wir heute hier stehen“, so Schmidt-Friderichs. Die Buchmesse hatte für die diesjährige digitale Ausgabe eine Förderung von über zwei Millionen Euro aus dem Etat der Kulturstaatsministerin erhalten, was so manche Existenz gerettet hat.

Momente der Warmherzigkeit: Karin Schmidt-Friedrichs hygienische Übergabe der Plakette “ Förderin des Buches“ an die Kulturministerin; Foto: Petra Kammann

Der zugeschaltete Festredner, der israelische Autor und Friedenspreisträger David Grossman wiederum befürchtet, dass wir in Folge der Corona-Krise „Zeuge einer Welle des Nationalismus, des religiösen Fundamentalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus werden könnten.“ Dies könne passieren, wenn die Grundlagen der Gesellschaft erschüttert werden. „Das Schreiben – auch wenn es nicht direkt mit der Pandemie zu tun hat – ist unser Mittel zum Widerstand“.

Die 72. Frankfurter Buchmesse – Special Edition macht auch in dieser minimalistischen Form der Eröffnungsfeier ohne Feier das weltumspannende Netzwerk der internationalen Verlagsbranche sichtbar: Allein der Ausstellerkatalog – ein Branchenverzeichnis mit aktuell knapp 4400 Einträgen – verzeichnet Verlage, Literaturagenturen und Dienstleistern aus über 100 Ländern. Am stärksten vertreten sind Unternehmen aus dem deutschsprachigen Bereich – 1283 digitale Ausstellern aus Deutschland, der Schweiz (104) und Österreich (90) – gefolgt von Großbritannien (418), den USA (332), Kanada und China (jeweils 126), Frankreich (116) und Brasilien (67). Auch kleinere Territorien und Länder mit kleineren Buchmärkten sind im Ausstellerverzeichnis vertreten, so sind etwa Verlage und Institutionen aus Albanien, Brunei, dem Irak, Kamerun oder Nepal und vielen anderen Ländern.

In diesem Jahr ist die zentrale Veranstaltungsplattform der Frankfurter Buchmesse – Special Edition die ARD-Buchmessenbühne in der Festhalle. An fünf Tagen werden hier rund 60 Veranstaltungen stattfinden, das Programm findet angesichts steigender Infektionszahlen in Frankfurt und bundesweit ohne Publikum statt. Alle Veranstaltungen werden daher auf http://www.buchmesse.de/live und http://www.buchmesse.ard.de gestreamt.

Über 750 Sprecher werden in den kommenden Tagen das digitale Programm der Frankfurter Buchmesse – Special Edition mitgestalten, zumal ausländischer Autoren derzeit nicht einreisen können, darunter: Margaret Atwood, Bernardine Evaristo, Edward Snowden, Joshua Wong, Chilly Gonzales und Malakoff Kowalski, Leïla Slimani, Francesca Melandri, Bruno Latour und viele anderen.

Das begeisterte auch den Intendanten  des Hessischen Rundfunks, Manfred Krupp, der betonte: „Das Medium Buch bietet eine unwahrscheinliche Vielfalt. Ich freue mich, dass wir in diesem herausfordernden Jahr als Partner an der Seite der Frankfurter Buchmesse stehen und das ARD-Angebot gestalten. Mit dem facettenreichen ARD-Bühnenprogramm, dem digitalen Auftritt buchmesse.ard.de sowie umfangreicher Berichterstattung in Radio und Fernsehen sind wir auf unterschiedlichen Wegen für unser Publikum da. Wir bilden die Bandbreite gesellschaftlicher Debatten ab, indem wir eine Plattform für relevante Diskurse bieten.“

„Signals of Hope“ heißt nicht zuletzt auch deshalb die Kampagne, mit der die Buchmesse die Sonderausgabe in den sozialen Medien bewirbt und bei der interaktiv Hoffnungsbotschaften verschickt werden können. Die braucht es dringend, nicht zuletzt, weil damit im kommenden Jahr – Pandemie hin oder her – wieder stattfinden kann.

Das Live-Programm der Frankfurter Buchmesse ist unter http://www.buchmesse.de/live zu finden. Hier wird auch das Publikumshighlight „Bookfest digital“ am Samstag, 17. Oktober, von 9.30 Uhr bis Mitternacht im Livestream übertragen sowie das internationale Konferenz- und Fachprogramm vom 12. bis 18. Oktober, das allein mehr als 70 Stunden umfasst.

Selbst das Ausstellerverzeichnis und der Veranstaltungskalender der Frankfurter Buchmesse – Special Edition können unter http://www.buchmesse.de/digitale-buchmesse/veranstaltungen-aussteller eingesehen werden.

Und last but not least steht mit Frankfurt Rights Rechtehändlern eine digitale Rechteplattform zur Verfügung, die von Verlagen, Agenten, Scouts, Filmproduzenten, Screenwritern und Merchandisern genutzt wird. Hier werden Programmverantwortliche fündig, die auf der Suche nach neuen Titeln für ihre Programme sind. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung aus dem Neustart-Kultur-Programm der Bundesregierung können die digitalen Angebote in diesem Jahr und bis Sommer 2021 kostenfrei genutzt werden.

 

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