home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ulf Puder: „Verbergen der Kunst“ in der Galerie Heike Strelow

Von Erhard Metz

Ein Blick auf das Portfolio an Künstlerinnen und Künstlern der Galerie bestätigt es: Zum ersten Mal, soweit wir sehen, widmet Heike Strelow mit Ulf Puder einem Vertreter der sogenannten Neuen Leipziger Schule eine Einzelausstellung – einer Künstlergruppe von zumeist Absolventen jener 1764 gegründeten späteren „Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule“ mit dem heutigen Namen „Hochschule für Graphik und Buchkunst“, die keinen Vergleich mit den entsprechenden Akademien der „alten“ Bundesrepublik zu scheuen braucht.

Holländische Landschaft, 2020, Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm

Neue Leipziger Schule – ein nicht unumstrittener Begriff; deren Protagonisten stehen sozusagen auf den Schultern der „alten“ Leipziger Schule der 1970er bis 1980er Jahre, zu deren Gründungsvätern namhafte Malerpersönlichkeiten wie Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke oder Bernhard Heisig zählen, bei dem (neben Dietrich Burger) der 1958 in Leipzig geborene Ulf Puder an besagter Hochschule mit dem Meisterschülerabschluss studierte.

Nicht wenige Betrachter werden erst auf den zweiten Blick erkennen, dass es sich bei den Werken von Ulf Puder im Grunde um Landschaftsmalerei handelt, aufbauend auf der großen Tradition vor allem der niederländischen Malerei und der späteren Romantik, vielfach mit Staffage wie Personen, Tieren oder symbolischen und allegorischen Elementen im Vordergrund versehen. Vielleicht schon von daher versteht sich der Titel der Ausstellung „Verbergen der Kunst“. Die Staffage tritt bei Puder eher sozusagen nur „vordergründig“, wenn auch mitunter dominant und bildbeherrschend hervor. Die oft kleinformatigen Leinwände sind dabei in handwerklich wie stilistisch feinster malerischer Kunst und Fertigkeit ausgeführt und muten im „landschaftsmalerischen Hintergrund“ durchaus altmeisterlich an.

Stadtlandschaft, 2020, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Die Staffage: Viele der wie bei Edward Hopper menschenleeren Bildszenerien sind am Wasser angesiedelt. Die Sujets suggerieren – gerade auch vor dem Hintergrund des aktuellen gesellschaftlichen Diskurses um Klima und Umwelt – eine Vision einer künftigen Katastrophe: Ansteigen der Temperaturen, Abschmelzen der alpinen Gletscher und polaren Eismassen, Ansteigen der Meeresspiegel, Zerstörung küstennaher Siedlungen. Gebäude stehen bereits beträchtlich im Wasser, Wände verziehen sich und kollabieren, Fenster und Türen zersplittern, verfallen zu Sperrmüll.

Das Gewitter, 2020, Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm

Zugleich künden dunkle Wolkenfelder von Regen und Gewitter, ein Blitz zuckt vom Himmel herab. Das Naturgeschehen scheint unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen und die Produkte menschlicher Zivilisation dem Untergang preiszugeben.

Und doch zeichnet die Malerei ein besonderer, geheimnis- wie spannungsvoller Antagonismus aus, scheint uns diese Staffage nicht im Fokus der künstlerischen Aussage zu stehen noch gar sich als politische Agitationsmalerei zu simplifizieren. Den Farben eignet bei allen dräuenden Wettern etwas Weiches, Sanftes, an den Gebäuden oft bonbonbunt im Stil der 1950er/60er Jahre. Immerwährende Natur im künstlerischen Prozeß fast schon versöhnt mit vergänglicher Kultur?

Riva am Gardasee 2, 2020, Öl auf Leinwand, 30 x 30 cm

Nicht umsonst spricht Heike Strelow von einem „Bildkonzept der bewussten Uninszeniertheit, also einer möglichst einfachen und natürlichen Bildsprache“. „Die Schwierigkeiten schöpferischer Tätigkeit treten in seinen Bildern zugunsten von Anmut und Lässigkeit in den Hintergrund. Das intellektuelle Grundgerüst besteht hier aus der Abwägung zwischen dem Trivialen und dem besonderen Ereignis. Die eigentliche Kunst ist mithin, die Kunst zu verbergen“. „Spannung zwischen Stille und Chaos, Idylle und Apokalypse, vertraut und doch verwirrend, ruhig und doch beunruhigend“.

Ulf Puders „Bauerngehöft“: All das von der Nähe zum Wasser Gesagte findet sich auch in der menschenleeren Einsamkeit der Bergwelt – meisterlich inszeniert und gemalt.

Bauerngehöft, im Hintergrund der Saarstein bei Aussee, 2020, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm

Ulf Puder ist weltweit in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten und stellte in renommierten Institutionen aus. Seine Arbeiten wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in der Städtischen Galerie Wolfsburg, im Stadtmuseum Oldenburg, im Moderna Museet, Stockholm, im Hamburger Bahnhof, Berlin, im Museum Ludwig, Budapest, im Neuberger Museum of Art, Purchase, New York, im Camden Art Centre, London, im Museum de Paviljoens, Almer, im Kunsthaus Dresden, im Museo Municipal de Malaga sowie in zahlreichen Galerien in Europa und den USA ausgestellt.

In seiner Studienzeit war er Fellow am Gloucestershire College of Art and Technology in Cheltenham. Ulf Puder lebt und arbeitet in Leipzig.

Nicht unerwähnt bleiben soll seine Serie von humoristischen wie tiefsinnigen Zeichnungen „Die Reisenden des U. Puder“ im Reiseteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Diese subtilen Arbeiten rechtfertigten eine eigene Besprechung.

Ulf Puder: „Verbergen der Kunst“, Galerie Heike Strelow, bis 16. Oktober 2020

Bildnachweis: Galerie Heike Strelow; © VG Bild-Kunst, Bonn

Comments are closed.