„Preis der Stiftung Buchkunst“ 2020 für „Das Jahr 1990 freilegen“ (Spector Books, Leipzig)
Preisverleihung in frischer Luft, im Restaurant und in kleinem Kreis mit gebührendem Abstand
Von Petra Kammann
Glücklicherweise spielte das Wetter mit, als Geschäftsführerin Katharina Hesse und Dr. Joachim Unseld, Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt und Vorstandsvorsitzender der Stiftung, in das Frankfurter Restaurant Margarete einluden, um dort den Preis in kleinem Kreis im Rahmen eines Festessens zu verleihen.
Begrüßung der Gäste durch Dr. Joachim Unseld, Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt und Vorstandsvorsitzender der Stiftung, und Geschäftsführerin Katharina Hesse, Fotos: Petra Kammann
Alles ist anders in diesem Jahr, so auch das Procedere einer schon zur lieb gewordenen guten Tradition: die Preisverleihung im Frankfurter Museum Angewandte Kunst… Dort nämlich wurde der Preis bisher im Rahmen eines großen Gästekreises und mit ausführlichen Lobreden verliehen. Man wuselte im großzügigen Museums-Entree herum, sprach mit diesem und jenem. Im vergangenen Jahr war dort der Titel „Name Waffe Stern. Das Emblem der Roten Armee Fraktion“ (Institut für Buchkunst) ausgezeichnet worden.
Nun war im Hof des Restaurants Margarete, gleich neben dem Sitz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, ein Büchertisch mit den in diesem Jahr ausgezeichneten „schönsten“ Bücher aufgestellt. Die Teilnehmerzahl der Veranstaltung war den Umständen der Coronakrise entsprechend aber begrenzt, die Reden fielen knapper aus, die Atmosphäre war dicht und alle waren froh über die Live-Begegnungen. Endlich! Und an den vorbereiteten Tischen mit verbindlicher Tischordnung kamen durchaus Fachgespräche auf.
An den Büchertischen drinnen und draußen konnte man sich nochmal einen Einblick in die 25 schönsten Bücher des vergangenen Jahres verschaffen…
Der „Preis der Stiftung Buchkunst“ ging in diesem Jahr an das Buch „Das Jahr 1990 freilegen„. Das von Spector Books-Verleger Jan Wenzel herausgegebene Werk – mit knapp 600 Seiten ein echter Wälzer mit zum Teil unveröffentlichten Fotos – lässt sich wohl wegen der fadengehefteten Broschur gut aufklappen. Inhaltlich beschäftigt er sich mit den verschiedenen Aspekten des Jahres 1990 und seiner Aktualität. Im Gegensatz zum Wendejubeljahr 1989 war 1990 in Ost und West für viele das Jahr der Mühen des Alltags und der Realisierungen des Umbruchs und blieb in der Erinnerung eher als „ein blinder Fleck“.
Die großformatige Publikation war in enger Zusammenarbeit des Verlegers Jan Wenzel mit dem Grafiker Wolfgang Schwärzel entstanden. Mit unterschiedlich gestalteten doppelseitigen Text-Bild-Montagen bietet sie überwiegend Schwarzweiß-Bildstrecken von FotografInnen wie Ute Mahler, Andreas Rost und Christiane Eisler, welche einen individuellen Zugang zu dem umwälzenden Jahr 1990 ermöglichen.
Preis für „Das Jahr 1990 freilegen“ – Ein „Bergwerk der Erinnerung“ 30 Jahre nach dem umwälzenden Wiedervereinigungsjahr, © Stiftung Buchkunst / CHOREO, Leipzig
Begleitet werden diese Bilddokumente, die in unserem Knipszeitalter per Handy eher wie aus der Zeit gefallen wirken, von essayistischen Texten, Sitzungsprotokollen, etwa vom „Runden Tisch“, von Briefen und Gesprächen, von Wahlkampfbildern mit Helmut Kohl, daneben Fotos von aufgerissenen Leipziger Straßen und Kohlenhalden. Lauter vergessene Momente, die von der Hoffnung und der Last der Verantwortung dieses ungewöhnlichen Jahres künden, natürlich auch vom Verschwinden der DDR, was heute so manch unverständliche Situation erklärt, daneben 32 Assoziationsgeschichten von Alexander Kluge, die einen alternativen Geschichtsentwurf nahelegen.
Preisverleihung im Restaurant Margarete mit einer Laudatio des Juryvorsitzenden und Leipzig-Kenners Andreas Platthaus
Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, sagte in ihrer Laudatio dazu:“Fundstücke dieses prägenden Jahres wurden ausgebreitet und sortiert: aufwendig recherchiertes Fotomaterial: Zitate, Aufsätze, Interviews. Einzelne Sätze wirken wie Zwischenüberschriften, einzelne Wörter wie Schlagzeilen. Einer Zeitungsseite ähnlich werden die Text-Bild-Verschachtelungen mit fetten Linien verfugt. Aufschlagen und hinabfahren ins ‚Bergwerk der Erinnerung‘.“
Eine Jahrestorte für die Gewinner Jan Wenzel und Wolfgang Schwärzel
Der Siegertitel wurde an Jan Wenzel und Wolfgang Schwärzel zum Abschluss des Mittagessens für die Preisträger mittels einer Überraschungstorte enthüllt. Das ausgezeichnete Buch war von einer fünfköpfigen Jury aus den 25 „Schönsten Deutschen Büchern“ ausgewählt worden, welche die Stiftung Buchkunst bereits im Juni bekannt gegeben hatte. Im Rahmen der Preisverleihung im September in kleinem Kreis wurden nun auch die BuchgestalterInnen, HerstellerInnen und VerlegerInnen dieser „Schönsten Deutschen Bücher“ gefeiert, ebenso wie die GewinnerInnen der „Förderpreise für junge Buchgestaltung“.
Die Freude am Zusammensein hob die Stimmung in der feinen kleinen Feiergesellschaft
Die mit je 2.000 Euro dotierten Preise gingen an drei Titel, welche das Medium Buch weiterdenken: Ausgezeichnet wurden Paulina Mohr („Die Bibel – Über Frauen“), Robert Steinmüller („Aphelion“) sowie Cristina Zickert, Rieke Bogena und Zora Asse vom Institut für Buchkunst, Leipzig („OFF/ON STAGE“).