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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Slawomir Elsner erhält Otto-Ritschl-Preis 2020

Verwirrend unscharf wirkende Farbarbeiten

Von Hans-Bernd Heier

Der Museumsverein Ritschl e. V. und das Museum Wiesbaden haben Slawomir Elsner mit dem Otto-Ritschl-Preis 2020 ausgezeichnet. Die Ehrung ist mit einem Preisgeld von 15.000 Euro dotiert und mit einer Ausstellung im Museum Wiesbaden verbunden. Der Maler, der sich der Farbverteilung und Lichtregie alter Meister annähert, legt in seinen Arbeiten Farbschicht um Farbschicht übereinander, um so leuchtende Farbräume zu erschaffen. Dabei hat er eine sehr eigenständige Position im zeitgenössischen Kunstgeschehen entwickelt.

Slawomir Elsner „Allegorie der Liebe oder Venus küsst Amor“, Farbstoff auf Papier, 2020 (nach Agnolo Bronzino, London, National Gallery); Courtesy of the Artist

Der 1976 in Polen geborene Künstler, der jetzt in Berlin lebt und arbeitet, wuchs in Hessen auf. Er studierte von 1995 bis 2002 Freie Kunst an der Kunsthochschule Kassel und war  Meisterschüler bei Norbert Radermacher. 1999 erhielt Elsner eine Studienförderung durch das „Cusanuswerk“. Seine Werke befinden sich u. a. in der Sammlung der Deutschen Börse, im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in der Staatlichen Graphischen Sammlung München, im Bechtler Museum of Modern Art (North Carolina, USA), in der Rubell Family Collection (USA), in den Museen Böttcherstraße und im Märkischen Museum in Witten.

„Mit Elsner haben wir einen Preisträger gewonnen, der die Beschäftigung mit Farbräumen zu seinem zentralen Anliegen gemacht hat. Er widmet sich dabei auf innovative Weise einer wesentlichen künstlerischen Frage, die auch für den Maler Otto Ritschl von elementarer Bedeutung war“, erläutert Tom Sommerlatte, Vorsitzender des Ritschl-Museumsvereins. Der Künstler nutzt dazu „vermeintlich niederschwellige“ Medien, wie Buntstift und Aquarell. Mit akribisch ausgeführten Buntstiftzeichnungen nähert sich der Maler der Farbverteilung und Lichtregie alter Meister an. In den großformatigen, abstrakten Aquarellen legt Elsner Schicht um Schicht übereinander, bis zu einhundert beispielweise für die Serie „Just Watercolors“ von 2015, um leuchtende Farbräume zu erschaffen.

Slawomir Elsner „Dame in Weiß (nach Tizian)“, Farbstiftzeichnung 2016; © Slawomir Elsner

Über diese Auszeichnung zeigt sich der Maler hoch erfreut: „Es ist mir eine große Ehre, durch diese Preisverleihung mit dem Werk Otto Ritschls verbunden zu sein. Ich erlebe diesen Preis nicht nur als ein großes Glück und als eine wahre Kraftquelle, sondern auch als eine Bestärkung, meinen künstlerischen Weg fortzusetzen. Ich bedanke mich von ganzem Herzen für das Vertrauen!“

Elsner, der meistens in Serien arbeitet, ist international sowohl für seine naturalistische Malerei und seine abstrakten Aquarelle bekannt, vor allem für seine virtuosen farbigen Zeichnungen. „Seine Technik der Farbstiftzeichnung ist so faszinierend wie einmalig und wird von Elsner auf innovative Art angewendet, so dass daraus Gemälde entstehen. Typische Arbeiten von ihm in dieser Technik sind die außergewöhnlichen, verwirrend unscharf wirkenden, aber scharf mit Farbstiften gezeichneten Adaptionen von berühmten Bildern der Kunstgeschichte. Als Grundlage für seine Zeichnungen und Malereien dienen meist Fotografien“, erläuterte seinerzeit Jean Christophe Ammann, der ehemalige Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst. Dabei geht Elsner stets der Frage nach, ob Bilder die Wirklichkeit wiedergeben oder sie deformieren. Den Betrachter möchte er dazu anregen, dessen eigenen Seherfahrungen kritisch zu prüfen.

Slawomir Elsner; Foto: Sebastian Schobbert

„Schon seit vielen Jahren beobachte ich das hohe künstlerische Niveau und die beeindruckende Konsequenz, wie Elsner sich den malerischen Grundphänomenen Licht und Farbe zuwendet und dabei eine sehr eigenständige Position im zeitgenössischen Kunstgeschehen entwickelt“, sagt Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. Das Landesmuseum wird dem Ritschl-Preisträger eine umfassende Ausstellung „Slawomir Elsner – Präzision und Zufall“ vom 8. Oktober 2021 bis zum 23. Januar 2022 widmen. Die Preisverleihung erfolgt anlässlich der Ausstellungseröffnung – es ist Elsners erste umfassende museale Ausstellung.

Der Otto-Ritschl-Preis wird seit 2001 vom Museumsverein Ritschl in Kooperation mit dem Museum Wiesbaden in mehrjährigem Rhythmus verliehen. Bisherige Preisträger*innen sind Gotthard Graubner, Ulrich Erben (2003), Kazuo Katase (2009) und Katharina Grosse (2015).

Der Verein, der Erbe des Nachlasses des 1976 in Wiesbaden verstorbenen Malers Otto Ritschl ist, vergibt laut Statuten den Preis an Künstler*innen, die langfristig ein interessantes, profiliertes und anerkanntes Werk schaffen, das eine künstlerische Perspektive aufweist, wobei die Preisträger*innen das 40. Lebensjahr überschritten haben.

Museumsverein Ritschl e. V., der sich mit großem Engagement für die Würdigung der Lebensleistung dieses herausragenden abstrakten Wiesbadener Künstlers einsetzt, hat vor drei Jahren nach akribischen Recherchen ein voluminöses Werkverzeichnis des ebenso produktiven wie kreativen Malers erarbeitet.

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