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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Gastronomie: Start up setzt auf regionale Produkte und regionale Kultur

Mut zur Neugründung in Zeiten der Pandemie – „Bonoloco“ und „Kraken“ in Le Bono

 von Petra Kammann

Das irische public house hat Pate gestanden für eine Einrichtung, in der Bar, Café, Teesalon, Pub, Restaurant und ein Feinkostladen mit regionalen Spezialitäten Platz unter einem Dach Platz finden, der als Zentrum des Ortes und der regionalen Kultur fest  in das alltägliche Leben der Menschen eingebunden sein soll…

Der ökologisch engagierte Start up-Unternehmer Mathieu Fortin kommt eigentlich aus dem Umweltschutz; alle Fotos: Petra Kammann

Die sommerliche Terrasse am Haus von „Kraken“ und „Bonoloco“

Eigentlich wollte Matthieu Fortin (45), der etliche Jahre im Natur-, Umwelt- und Küstenschutz des Morbihan in der südlichen Bretagne gearbeitet hat, schon im Frühjahr seine Idee eines Irish Pubs, der liebevollen Abkürzung von public house verwirklichen, wo  nämlich Jung und Alt, Fremde und Freunde vorbei – und zusammenkommen, gemeinsam essen, trinken, erzählen, Klatsch und Tratsch austauschen, musizieren und improvisieren. Alle von nah und fern sind da herzlich willkommen.

Ein Haus hatte Matthieu Anfang des Jahres dafür am Eingang des bretonischen Örtchens  mit zweieinhalbtausend Einwohner gefunden, in Le Bono. Der Wirt des früheren Restaurants Alizés hatte das Lokal verkauft. Und nun sollte umgestaltet werden, um die Räume dem neuen Konzept anzupassen. Doch dann kam das „Confinement“, wie der Lockdown auf Französisch heißt, und hat ihm, wie er rückblickend betrachtet, ein wenig Zeit zum Nachdenken geschenkt. Der kleine Laden mit regionalen Produkten, eine Epicerie fine, ein Laden mit bretonischen Spezialitäten, den er zuvor am Marktplatz mit seiner Frau Gabrielle eröffnet hatte, sollte im neuen Gebäude integriert, die Terrasse für die Sommerzeit erweitert werden. Doch dann stand erst einmal alles still. Nicht zuletzt die Handwerker waren im „Confinement“. Das hat es ihn schon einmal davor bewahrt, Mitarbeiter entlohnen  bzw. sie gleich wieder in die Kurzarbeit schicken zu müssen.

Der Name der früheren Epicerie fine weiter oben auf dem Marktplatz, l’Annexe, in dem für die Zeit des Leerstands übergangsweise ein paar Kunsthandwerker aus der Umgebung ihre Produkte ausstellen,  war  – passend zum Ort – schon gefunden: Bonoloco. Inzwischen steht das kreisrunde Logo auf der blitzweißen Fassade, die nur vom neuen Schriftzug mit den minimalistisch roten Einsprengseln und schwarzen Fensterrahmen unterbrochen ist.

Blick in die Epicerie „Bonoloco“

Ab Mitte Juni waren in Windeseile Wände versetzt worden, unentwegt wurde von vielen jungen Leuten bis tief in die Abendstunden Schutt herausgetragen, aus- und eingeräumt, gehämmert und geschleppt . Die neuen schwarzgerahmten Fenster wurden eingebaut und eine Terrasse gezimmert, so dass sich am 3. Juli ein kleiner Kreis von Bekannten und Freunden zum Probeessen im Restaurant einfinden konnten. Da hat der Koch Davide im Restaurant Kraken seine Kochkünste zum Einstand vor einer Gruppe von etwa 30 Freunden und Bekannten vorgeführt.

Auf dem Dach segelt seither ein Schiffchen zur einen Seite im Wind und zur anderen Seite dreht sich die schwarze „Krake“, ein Tintenfisch, Namensgeber des Lokals, und streckt seine Arme aus. Das mythologische Tier erinnert an viele verschollene fantastische Legenden aus dem Altertum. An langen Winterabenden können sie dann im Innern des Restaurants erzählend wieder aufgefrischt werden, ganz nach dem Vorbild des Irish Pub. So jedenfalls sieht es Matthieus Plan vor.

„Les Fanfares du Bono“ – die örtliche Bläsergruppe spielt zur Eröffnung auf

Am 5. Juli dann wurde auch das Dorf zum „Apero“ eingeladen, und „Les fanfares du Bono“, die örtliche schräg-lustige Fanfarentruppe, zog blasend durchs Dorf und spielte gutgelaunt auf der gerade fertiggewordenen Terrasse, auch wenn die noch keine Geländer hatte. Aber alle waren froh, dass es nun endlich losging. Selbst der ehemalige Bürgermeister Bernard Le Scoarnec, der inzwischen auf der Insel Hœdic lebt, war angeradelt gekommen. Ja, auch das gehört zum Konzept. Vor Bonoloco stehen inzwischen – aus ökologischen Gründen – Leihfahrräder bzw. E-Bikes für den Nahtourismus, denn die Steigungen hier vor Ort sind beträchtlich und mit einem normalen Velo nur von sehr geübten Radlern zu bewältigen.

Der frühere Bürgermeister kam mit dem Rad zur Eröffnung

Ein Glück für Matthieu, der inzwischen mit neun Mitarbeitern – ein Drittel davon sind Saisonarbeiter – den Laden am Laufen hält. Denn seither boomt es. Die Terrasse ist fast immer besetzt. Noch lädt der Sommer dazu ein, hier am Marktplatz des Ortes, immer wieder mal vorbeizuschauen, einen Drink zu nehmen oder die Gerichte des Gourmetkochs Davides, der eine frische regionale Marktküche mit den herrlichen Fischprodukten des Landes anbietet, zu genießen. Ob das Konzept dann auch im Winter aufgeht, das wird die Zeit zeigen.

Aber auch das hat Mathieu bedacht, der sich mit 4 weiteren Freunden zusammengeschlossen  hat, die ihrerseits ein regionales Freundesnetzwerk mitbringen. So ist auch die Verantwortung auf verschiedene Häupter verteilt. Und für die langen Winterabende im Inneren sind auf den derzeit noch frisch-weißen Wänden Ausstellungen regionaler Künstler ebenso vorgesehen wie großformatige Portraits junger Produzenten, deren Produkte vorgestellt und in der Küche verarbeitet werden, darunter ein Müller, der sein eigenes Mehl herstellt, aus dem Biobrote gebacken werden, die wiederum in der Epicerie zu erwerben sind. Der landestypische Apfelwein, der Cidre kommt aus einer Cidrerie, die auf dem Weg nach Auray liegt. Matthieu, der selbst Gitarre spielt, kennt auch irische Musiker, die er einladen möchte. Schon jetzt gibt es hier sonntags abends Livemusik, die vor allem viele junge Leute anzieht.

Hier ist noch Platz für Winterideen…

Das Beispiel aus dem kleinen bretonischen Dorf könnte Schule machen. Wenn auf solch ganzheitliche Weise auch die Zentren kleinerer Orte wieder belebt werden, dann können sich selbst auch die Großstädte, deren Einkaufszentren am Abend tot sind, eine Scheibe davon abschneiden.

 

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