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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

100 Jahre Salzburger Festspiele mit zwei Frankfurter Sänger-Künstlern

Ein Bericht von Renate Feyerbacher

Schlussapplaus: Salzburger Festspiele 2020/Wolfgang Amadeus Mozart/Cosí fan tutte/Premiere am 2. August 2020/Musikalische Leitung:Joana Mallwitz/Regie:Christof LoyBogdan Volkov (Ferrando), Ensemble © SF / Marco Borrelli

Fast auf den Tag genau, am 22. August 1920, begannen vor 100 Jahren in Salzburg die Festspiele mit Hofmannsthals „Jedermann – das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ vor dem Dom. Es war keine Uraufführung, die hatte bereits 1911 im Berliner Zirkus Schumann – heute steht dort der Friedrichstadtpalast – stattgefunden.

„Jedermann“ und das Libretto der Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss (Uraufführung 1911 in Dresden) stammten von Hugo von Hofmannsthal. Regisseur beider Inszenierungen war damals der legendäre Max Reinhardt, der in Berlin ein Theaterimperium aufgebaut hatte.

1918 beschlossen vier österreichische Theaterleute, Max Reinhardt (1873-1943) auf Schloss Leopoldskron /Salzburg, das er erworben und großartig in Stand gesetzt hatte, der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), der Maler und Bühnenbildner Alfred Roller (1864-1935), der Hofoperndirektor und Dirigent Franz Schalk (1863- 1931) sowie der deutsche Komponist Richard Strauss (1864-1949) die Gründung der Salzburger Festspiele. Sie wollten nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg das Salzburger Theater wieder beleben.

Natürlich sollte das hundertjährige Jubiläum in diesem Jahr opulent gefeiert werden. Das Pfingstfestival wurde coronabedingt abgesagt. Da nach dem Ischgl-Debakel und dem rigiden Lockdown in Österreich seit dem 1. August wieder Veranstaltungen mit 1000 Personen möglich wurden, wagte die Präsidentin der Festspiele, Helga Rabl-Stadler, einen Monat lang Oper, Theater und Konzerte anzubieten. Streng sind die Hygiene-Auflagen. Zum Beispiel wurde auch der Gebrauch von Fächern verboten. Es gibt keine Pausen, kein Buffet.

Die Künstler*innen müssen sich immer wieder einem Corona-Test unterziehen. Nicht nur der erneute Corona-Ausbruch in Wolfgang vermittelt jedoch Anspannung. Statt verkaufter 2300 Plätze täglich ist der Verkauf von 1000 Karten sehr wenig. Das Große Festspielhaus lässt aber genügend Abstand zu. Ursprünglich waren zwar 200 Vorstellungen geplant, nun werden 90 stattfinden. Das heißt auch: der  Spielplan hat sich verändert.

Davon können Joana Mallwitz und Christof Loy erzählen…

Der neue Shooting-Star – die Generalmusikdirektorin Philharmonisches Orchester – Theater Erfurt Joana Mallwitz, Foto: Lutz Edelhoff

Dirigentin Joana Mallwitz, mehrfach Gast an der Oper Frankfurt – zuletzt dirigierte sie die „Salome“ –, ist die erste Frau, die bei den Salzburger Festspielen eine Oper dirigiert und das mit den Wiener Philharmonikern. Sie hatte sich ursprünglich auf „Die Zauberflöte“ vorbereitet. Und Regisseur Christof Loy, auch kein Unbekannter in Frankfurt, war für „Boris Godunow“ verpflichtet.

Die Beiden erzählen nun, dass sie gemeinsam Mozarts „Così fan tutte“ auf die Bühne bringen sollten und das in einer gekürzten Form. Telefonisch haben sie daran gearbeitet  bzw. gekürzt, ohne die Oper zu verfälschen: von  dreieinhalb Stunden auf nunmehr zweieinhalb Stunden.

Einen Vorteil hatte Christof Loy dabei, denn er hatte „Così fan tutte“ bereits 2008 an der Oper Frankfurt inszeniert. Die Aufführung wurde ein Renner und mehrfach wiederholt.

Regisseur Christof Loy, Foto: Nicolas Franciscus

Nach Salzburg hat er nun den Bühnenbildner Johannes Leiacker und den Lichtdesigner Olaf Winter mitgebracht. Letzterer, auch eine Instanz an der Oper Frankfurt. Die Herren kannten sich bereits von der Aufführung  „Don Giovanni“, die 2014 das Frankfurter Publikum begeisterte.

Mitgebracht hat Christof Loy auch den Sänger des Don Alfonso, Johannes Martin Kränzle, der diese Rolle bereits 2008 in Frankfurt sang. Im Gespräch sagte der Sänger einmal: „Das war mit das Beste, was ich je gemacht habe.“ Nach seiner schweren Erkrankung sang er 2016 diese Rolle zum ersten Mal an der Royal Opera in London.

Johannes Martin Kränzle, © wildundleise.de

Johannes Martin Kränzle hätte in diesem Jahr in Bayreuth seinen begeistert gefeierten Beckmesser in „Die Meistersinger von Nürnberg“ singen sollen. Ich hatte sogar Tickets. Aber das Festspielhaus in Bayreuth ist im Sommer wie eine Corona -Brutstätte –untauglich eben.

Nun singt Kränzle Don Alfonso bei den Salzburger Festspielen. ARTE concert übertrug die Neuinszenierung. Obwohl ich keine Freundin von Opernübertragungen im Fernsehen bin, war ich froh, diese gekürzte, kluge, menschlich anrührende Inszenierung gesehen zu haben.

Johannes Martin Kränzle ist kein zynischer Don Alfonso, sondern eher ein väterlicher Freund, der die jungen Menschen auf die komplizierten Beziehungs-Abläufe hinweisen will. Wissen allein genügt nicht, Erfahrung ist wichtig, wenn er singt:„Welch ein Schweigen, welch tiefe Traurigkeit atmen diese Räume! Die armen Mädchen, sie haben nicht ganz Unrecht, drum müssen wir sie trösten.“

Es ist aber schon infam, wie er Gugliemo (den in Südtirol geborenen Bariton André Schuen) und Ferrando (den ukrainisch-russischen Tenor Bogdan Volkov) zum Partnertausch anstiftet. Unterstützt mit vielen Tricks und Täuschungen, komödiantisch erfrischend, wird er dabei von Kammerzofe Despina, der jungen französich-italienischen Mezzosoprnistin Lea Desandre angestachelt.

„Schöne Frauen, wie Sie, können wohl leben ohne Liebe, doch nicht ohne Liebhaber.[..]“Schon ein Mädchen von fünfzehn Jahren, muss die große Kunst verstehen, wie am besten wir Nasen drehen, wie man Männer gängelt am Band.“

Der Chor singt nur aus dem Off. Als ob es völlig selbstverständlich wäre, lassen sich die jungen Frauen verführen. So sind sie halt, alle diesse Frauen – „Così fan tutte.“ Immerhin grübeln sie eine Weile.

„Achtet, undankbare Männer, dieses Beispiel fester Treue und versucht uns nie auf’s neue,
ehret unsern heil’gen Eid!“, beschwört Fiordiligi die angeblich fremden Männer, die sich verkleidet haben und sogar mit Suizid drohen. „Sterbend hier sie zu verlassen,
wäre wahrlich Grausamkeit!“


Così fan tutte 2020: Elsa Dreisig:Fiordiligi, Bogdan Voklov:Ferrando, © SF / Monika Rittershaus

Elsa-Dreisig, die französisch-dänische Sopranistin, Ensemblemitglied der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, wächst stimmlich mehr und mehr als Fiordiligi. Ihre tiefe Reue ist echt.

Ihre Schwester Dorabella, liiert mit Ferrando, hatte vorher noch gesagt: „Die bleiben, wie sie waren; man sucht sich Unterhaltung, um nicht vor langer Weile zu sterben: das heißt wahrlich noch nicht die Treue brechen.“ Auch sie schwört am Ende tief getroffen Treue – großartig interpretiert von der französischen Mezzosopranistin Marianne Crébassa, die schon vor Jahren – sehr jung – in Salzburg debütierte. Berlin, Mailand, Wien und New York waren weitere wichtige Stationen.

Das Bühnenbild erinnert an die Frankfurter Aufführung wurde aber von Johannes Leiacker zum Orchestergraben, in dem dicht gedrängt die Musiker der Wiener Philharmoniker sitzen, mit Stufen erweitert. Ein versöhnliches Bild, wenn Don Alfonso mit den Schwestern auf den Stufen sitzt. Die Kostüme von Barbara Drohsin unterstützen das schlicht-eindrückliche Bühnenbild: weiße Rückwand mit zwei Flügeltüren und angedeuteten Hinterzimmern.

„Ja, ich hab‘ Euch hintergangen, doch zum Vorteil Eurer Freunde, Weisheit sollten sie erlangen, und Ihr habt sie klug gemacht. Gebt die Hände, seid versöhnet, schnell umarmt Euch, seid vernünftig!“

Joana Mallwitz und Christof Loy haben eine geradezu weise Deutung von „Così fan tutte“ realisiert. „Vollendetes Mozart-Glück“, schrieb daraufhin die Neue Züricher Zeitung.

Così fan tutte 2020 · Schlussapplaus: Lea Desandre (Despina), Andrè Schuen (Guglielmo), Elsa Dreisig (Fiordiligi), Bogdan Volkov (Ferrando), Marianne Crebassa (Dorabella), Johannes Martin Kränzle (Don Alfonso)

© SF / Marco Borrelli

„Elektra“ von Richard Strauss, Libretto von Hugo von Hofmannsthal.

Bisher konnte die mythologische Opern-Tragödie nur im Radio gehört werden. Ihren Fernsehauftritt wird sie am 15. August in 3 SAT haben.

Elektra 2020: Tanja Ariane Baumgartner (Klytämnestra), Ausrine Stundyte (Elektra)
© SF / Bernd Uhlig

Klytämnestra, die Königin von Mykene, hat ihren Mann Agamemnon nach der Rückkehr aus Troja ermordet. Tochter Elektra, die ihrem kleinen Bruder Orest außer Landes brachte, denkt nur an Rache für den väterlichen Mord. Ihrer Mutter sind die Gedanken ihrer Tochter bekannt. Dennoch darf sie, wenngleich Schikanen ausgesetzt, am Hofe bleiben. Ihre Schwester Chrysothemis hält zu ihr, will sich aber an keiner Tat beteiligen. Nachdem es heißt, Orest sei tot, gräbt Elektra das im Hof versteckte Beil, mit dem der Vater getötet wurde, aus.

Aber nicht sie tötet die Mutter und ihren Geliebten, sondern der Fremde alias Orest. Elektra stirbt kurz nach der Mutter, deren Ermordung ihr Lebensziel war. „Ich war ein schwarzer Leichnam unter Lebenden, und diese Stunde bin ich das Feuer des Lebens, und meine Flamme verbrennt die Finsternis der Welt.“

Orest und Chrysothemis müssen das Leben neu gestalten.

Elektra 2020: Tanja Ariane Baumgartner (Klytämnestra) © SF / Bernd Uhlig

Drei starke Frauenrollen kennzeichnen das Werk: Klytämnestra – gestaltet von der Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner aus dem Ensemble der Frankfurter Oper. Elektra besetzt mit der litauischen Sopranistin Ausrine Stundyte und die Litauerin Asmik Grigorian als Chrysosthemis, die an der Frankfurter Oper zuletzt als Manon und im Jahr davor als Iolanta faszinierte.

Der österreichische Dirigent Franz Welser-Möst, Musikdirektor des Cleveland Orchestra, leitet die Wiener Philharmoniker. Er ist angetan von dem Konzept des polnischen Theaterregisseurs Krzysztof Warlikowski:„Er versucht, diese psychologisch belasteten Figuren in Beziehungen zueinander zu setzen und spinnt ganz sensibel feine Fäden zwischen den Figuren. Dabei gebe er immer wieder kurze, helle Einblicke in das Innenleben der Familie, wie Blitze, die das Geschehen ausleuchten.“

Nun dieser Opernabend im Fernsehen steht noch bevor. Wie in jedem Jahr und das seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird „Jedermann“ gespielt, seit drei Jahren von Tobias Moretti.

Für Gespräch sorgt das neue Buch und Theaterstück „ZdenÄ•k Adamec“ von Peter Handke, in denen er sich mit den Motiven und Umständen des Verbrennungstodes des 18-jährigen tschechischen Studenten auseinandersetzt, der sich 2003 auf dem Wenzelsplatz in Prag mit Benzin übergoss und dann anzündete. Im Abschiedsbrief habe ZdenÄ•k Geld und Macht die „Erzfeinde der Menschen“ genannt. Das Deutsche Theater in Berlin wird im Oktober mit einer Inszenierung des Handke-Stücks nachziehen.

Noch bis zum 30. August wird bei den Salzburger Festspielen versucht, die Theaterlandschaft aus dem Corona-Tief zu holen. Karten scheint es auch kurzfristig noch zu geben. Und wer nicht dabei sein kann, wird mit dem einen oder anderen Beitrag im Fernsehen belohnt.

Der Jedermann findet heute, 11. August 2020, um 21 Uhr auf dem Domplatz statt.

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