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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Synthesis: Eine experimentelle Musik-Zusammenarbeit zwischen dem Schlagzeuger Philipp Danzeisen und dem Elektronik-Musiker hÄK alias Bernd Norbert Würtz

Natürlich synthetisch und spacy

Von Petra Kammann

Der Percussionist Philipp Danzeisen, aufgewachsen in Frankfurt, arbeitet derzeit in Berlin mit dem experimentellen Sounddesigner und Komponisten Norbert Würtz,(alias hÄK) zusammen. 2019 gründete er mit ihm hÄK / Danzeisen. Auf der Suche nach einer neuen musikalischen Sprache experimentiert das Duo, Danzeisen am Schlagzeug und hÄK an modularen Synthesizer- und Diy-Schaltungen, auf dem schmalen Grat gegenseitiger Verbindungen und des Austauschs bis hin zum Unisono zwischen dem Sound des akustischen Schlagzeugs und den synthetisch produzierten Klängen. Ihr jüngstes Konzert in Berlin fand dafür viel Beifall…

Der Percussionist Philipp Danzeisen, Foto: Petra Kammann

Schon als Kind kam der Drummer, Komponist und Sounddesigner Philipp Danzeisen, der in einer Schauspielerfamilie in Frankfurt aufwuchs, mit Theater, Tanz und  Tanztheater in Berührung.

1994 zog es ihn dann zum Studium an die New School University nach New York, wo er 1998 seinen BFA erlangte. Die Folge war ein Stipendium für Sounddesign am Theatre & Dance department an der UCSD in San Diego. Das machte ihn für Regisseure wie Einar Schleef / Schauspiel Frankfurt, Jan Fabre / Antwerpen / Tanzhaus NRW, Tom Kühnel/Schaubühne Berlin, Jarry Singla/ Köln and Walter Fischbacher/ New York und Choreographen wie William Forsythe/Ballett Frankfurt attraktiv, an deren Aufführungen und Performances er mitwirkte.

Daneben arbeitete er immer auch freiberuflich und schuf eigene Sound-Projekte wie 2005 etwa für eine Artaud-Ausstellung im Düsseldorfer Museum Kunstplast. Mit seinem Projekt „Ur Jazz Sonate“ ging er in Europa auf Tour und wurde daraufhin vom „Museo de arte moderno“, dem Museum zeitgenössischer Kunst, nach Mexiko-City eingeladen. 2015 trat er während der legendären Ausstellung der Gruppe ZERO im Gropuis-Bau in Berlin auf.

Danzeisens Auftritt in der Berliner ZERO-Ausstellung

Abgesehen von den vielen Kompositionen, die immer auch eine Vielzahl von Dingen festlegen können, ist bei dem Instrumentarium eines Schlagzeugers so gut wie nichts „in Stein gemeißelt“, sagt Danzeisen.

Insofern sei man insbesondere als Schlagzeuger ständig herausgefordert, weiter zu forschen, sich einzulassen, häufig auch frei auf rhythmische Töne, gescratchten Geräuschen zu reagieren oder besonderen Fortissimi oder Pianissimi zu folgen, die dem Zuhörer neue Hörerlebnisse von Dynamik und Stille verschaffen. Je leiser der Drummer spielt, desto größer wird der Sound, und das Schlagzeug rückt gefühlt näher ans Ohr heran.

2016 trat Danzeisen mit dance on auf eindrucksvolle Weise bei den Europa Kulturtagen der EZB mit der Kompanie DIEHL+RITTER gUG auf.  2018 performte Danzeisen mit dem Duo SHARPA (Elektro-Postrock/ Pop).

Daneben arbeitete der Sound-Designer immer auch für die Werbung, zum Beispiel für Fashion shows von Hugo Boss in Mailand. Nicht zuletzt auch das verbindet ihn mit Bernd Norbert Würtz alias hÄK, der ebenfalls Soundtracks für Werbespots schrieb und erfolgreiche Kooperationen mit anderen Musikern, Künstlern und Filmregisseuren wie z.B. Dante Ariola, Yves Geleyn, Alexander Herzog, Christian Graupner, Marc Teitler, Dirk Peuker and Mara De Luca einging.

Sounddesesigner-Duo Philipp Danzeisen und hÄK

hÄKs Soundtracks umfassen zahlreiche kurze Soundinstallationen und größere Werbekampagnen wie die für Johnnie Walker und Nike (Nike Addicted).

Daneben war Bernd Norbert Würtz  Co-writer and Musikproduzent für Künstler wie Dosage, Ayu and VOOV und schrieb Musik unter verschiedenen Pseudonymen wie Hänschenklein, hÄK, Glauco and Ackou.

Mit Danzeisen am Schlagzeug und hÄK an modularen Synthesizer- und Diy-Schaltungen hat sich das Duo jetzt auf den Weg gemacht, die „Frontlinie zwischen akustischem Instrument und synthetisierten Klängen zu erkunden, um eine neue musikalische Sprache zu etablieren, in der beide Elemente zu einem unverwechselbaren Klang verschmelzen“ (so Danzeisen).

Ihr Stil reicht daher von atmosphärischen Drone-Texturen bis hin zu zerhackten, abstrakt-energetischen und rhythmischen Stücken, die an die futuristische Konkrete Musik, welche technisch fixierte Klänge als Ausgangsmaterialien verwendet, erinnern, in Ansätzen auch an ihre Vorgänger der Gruppe „Kraftwerk“.

Die experimentelle Musik-Zusammenarbeit zwischen dem Schlagzeuger Philipp Danzeisen ist äußerst fruchtbar, wie ein Live-Konzert in Berlin kürzlich deutlich machte.

Da kann sowohl das Elektronische Instrument  als auch des Schlagzeugers akustisches „Besteck“ Taktgeber sein Da kann das Elektronische akustisch – das Akustische elektronisch klingen. Auf jeden Fall kommen beide so zusammen, dass es für den Zuhörer wie eine Stimme wirkt.
Aufwärts“ entsteht ebenso wie „Graph“  durch ein fortlaufende pulsartige Bewegung beziehungsweise ein Ticken, welches den Unisono-Gedanken mit all seinem Timing und seiner Stimmungsschwankung auf die Spitze treibt und den Zuhörer bis zum Ende hin in die Verschmelzung beider Instrumente mitnimmt.

Konkret bedeutet dies, dass an manchen Stellen Synthesizer und Schlagzeug fast „mit einer Stimme“ spielen, wodurch die Illusion entsteht, dass Elektronik und Schlagzeug aus derselben Quelle stammen würden. Dabei handelt es sich ausschließlich um freie Improvisationen auf vorgegebener klanglich elektronischer Basis. Die Komposition ergibt sich aus dem Aufeinanderhören und dem Aufgreifen der Stimmlage des andern.

An anderen Stellen der futuristischen Klänge werden wiederum die erwarteten Rollen vertauscht. Da übernimmt der Synthesizer den perkussiven Part, während die Trommeln die musikalischen Texturen erzeugen. Bei alledem sind in den meisten Fällen Schlagzeug und Elektronik in hohem Maße rhythmisch miteinander verwoben, was im Gegensatz zu einem eher traditionellen Ansatz steht, wo das Schlagzeug lediglich die Rhythmusparts mit den darüber geschichteten Synthesizerlinien liefert.

Verblüffend und überraschend sind aber darüber hinaus auch die konstrastierenden Momente, die eine Schlüsselrolle im Klang des Duos spielen. Dabei hinaus fließen sowohl psychoakustische Phänomene wie Risset-Glissandi als auch Phaseneffekte in die Kompositionen ein. Grandiose Trommelfeuer werden zu Momenten angehaltener Stille, wenn nur noch die sich immer stärker zurücknehmenden Drum-Sticks den Rhythmus andeuten.

Ein weiterer wichtiger Teil ist der improvisatorische Aspekt. Auch wenn die Musikstücke der Gruppe zu einem gewissen Grad komponiert sind, geht ein großer Teil der Komposition in die Gestaltung und Erstellung spurspezifischer Setups. Das ermöglicht es den beiden sehr eigenständig agierenden Interpreten, den Synthesizer, maßgeschneiderte Klangerzeuger und Sampler in der Live-Umgebung zu steuern.

Gewitzt hinterfragen die beiden Musiker die Standardrolle der jeweiligen Instrumente und verschieben die Grenzen des Machbaren, um zu neuen interessanten Ergebnissen zu gelangen, was zum Teil durch die Verwendung von Drumsensoren und Triggern und zum Teil durch das direkte Abspielen der Synthesizer geschieht.

Auf diese Weise können die Musiker ihre komponierten Stücke improvisieren, während sie ein Konzert spielen, was jede Aufführung mit ihren akustischen und rhythmischen Effekten einzigartig und unverwechselbar macht. Musik, Geräusche: Mit akustischen Effekten dringen Ruhe und Tempo, Spannung und Unterhaltung in Filme, Werbung, Theater und schließlich auch in den Alltag, der plötzlich für uns auf andere Weise hörbar wird.

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