Städtische Bühnen, Zukunftsmodelle: ein Zwischenstand
Der Grundrahmen ist gezogen – Überzeugender Vorschlag von Christoph Mäckler
Eine vorläufige Bilanz von Uwe Kammann
Letzte Fragen zu den Bühnen: Auf diesen Stand brachte die FAZ Anfang der zweiten Juliwoche die Diskussion um die Sanierung, inzwischen wohl allein: den Neubau der Städtischen Bühnen. Eine Statusbeschreibung, die annimmt, dass Ende Juli die Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen alle Fakten zusammengetragen hat, welche erlauben, über den künftigen Standort von Schauspiel und Oper entscheiden zu können.
Noch Ende Juli soll die Entscheidung fallen; Foto: Uwe Kammann
Zwar hatte unter den Modellvorschlägen des Kulturdezernats vor allem jene Variante viel Beifall gefunden, für die Oper einen Neubau an der Neuen Mainzer Straße auf dem Grundstück der jetzigen Sparkasse zu errichten und das Schauspielhaus am alten Platz neu zu bauen. Doch hatte die CDU darauf gedrungen, dass die Stabsstelle auch noch jenen Standort auf Kosten und Konditionen überprüfen soll, den die christdemokratische Fraktion im Stadtparlament schon früh mit viel Vehemenz in Spiel gebracht hatte.
Sie hält ihn weiterhin unter manchen Gesichtspunkten für den geeignetsten, um die jetzige Doppelanlage in neuer Gestalt vom Willy-Brandt-Platz in den Osthafen zu verpflanzen: und zwar auf dem Grundstück der jetzigen Baustoffhandlung Raab Karcher. Lange Zeit galt dies für die CDU als unumstößliche Wunschvorstellung, trotz des noch bis 2028 laufenden Pachtvertrags für das Grundstück, mit der Option auf eine Verlängerung bis 2035.
Doch die Verfechter verwiesen immer vor allem auf eine Trumpfkarte: dass die Theater- und Opernleute auf einen Schlag in einen gemeinsamen Neubau umziehen könnten – was Kosten für eine Übergangslösung vermeide. Zudem sei über eine Verwertung des jetzigen zentralen Grundstücks im Herzen der Stadt eine teilweise Refinanzierung der immens teuren Pläne möglich; und, nicht zuletzt, könne so der Osten Frankfurts weiter entwickelt werden.
Die mangelnde Verkehrsanbindung und die Aufgabe der städtischen Mitte wurden als vernachlässigbare Fragen bewertet. Und mit herbeigezauberten Visualisierungen für kurvenreiche Bühnenvisionen am Wasser sollten Verbündete gewonnen werden: mit der Aussicht auf kleine Elbphilharmonie-Attraktions-Verwandte, die sich im Main spiegeln. Auch eine Initiative um den früheren Planungsdernenten Martin Wentz hatte sich in den Spiegelungseffekt verguckt, lockte zudem mit reichlich Spendengeld aus Bürgerkreisen, die für einen reinen Opernbau an dieser Stelle fließen sollten.
Inzwischen ist es um diese Spenden- und Stiftungsvariante allerdings ziemlich ruhig geworden. Auch wenn eine weitere Bürger-Initiative – unter der Bezeichnung Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus – in der kalten Schulter einen Affront gegenüber positivem Bürgersinn sieht.
Aber das Hauptmotiv dieser Aktionsgemeinschaft für ihre verbale Unterstützung des Wentz-Plans ist ein anderes. Denn sie sieht in dieser finanziell günstigen Opern-Verlagerung vor allem einen Argumentationshebel, um für ihr eigenes Hauptziel zu werben: einen Wiederaufbau des alten Schauspielhauses aus dem Jahr 1902, das in den 60er Jahren teilweise abgerissen und in Partien umbaut wurde, um an diesem Platz die Oper unterzubringen, gekoppelt mit einem über das Foyer der Frontfassade in den Gesamtbau integrierten Schauspielhaus.
Simulation Wiederaufbau des Seeling-Baus des Hamburger Architekten André Gansel; Foto während der Veranstaltung: Petra Kammann
Dieser in den Augen des Aktionsgemeinschaft unverzeihliche Fehlgriff soll nach ihren Vorstellungen rückgängig gemacht werden, zugunsten einer weitgehenden Rekonstruktion des alten Theaters, das Heinrich Seeling – seinerzeit ein für diese Aufgaben gefragter und erfolgreicher Architekt – in einer Mischung von Neorenaissance und Jugendstil entworfen hatte, mit einem in der Tat schönen städtebaulichen Annex: einem kolonnadengesäumten Hof, der gastronomisch bespielt wurde. Das, so die Aktionsgemeinschaft, sei ein reizvolles Ensemble, mit dessen Wiederherstellung der Willy-Brandt-Platz leicht und wohltuend zu beleben sei.
Neueste Variante der AG Schauspielhaus mit einer Kombination von rekonstruiertem Seeling-Theater und einem Turm auf dem hinteren Grundstück; Foto: Petra Kammann
Und noch eins wird ins Feld geführt, eben auch mit Seitenblick auf eine spendenfinanzierte Oper am Osthafen: dieses Modell könne auch die in der Folge der Corona-Folgekosten klamme Stadt in hohem Maße entlasten. Nach dem Rechenmodell der Aktionsgemeinschaft würde das rekonstruierte Schauspielhaus unter dem Strich lediglich 156 Millionen Euro kosten, weil über dem Strich positive Entlastungen zu erwarten seien.
Und zwar wegen des Wegfalls von Interimskosten; wegen zu erwartender Zuschüsse von Bund und Land (optimistisch werden zusammen gut 170 Millionen Euro speziell bei einem Wiederaufbaumodell veranschlagt); wegen der mit 50 Millionen Euro veranschlagten Vermarktung des Ostteils des jetzigen Grundstücks; und wegen der Spenden, die – ähnlich wie beim Berliner Schloss oder der Frauenkirche in Dresden – von für die Rekonstruktion begeisterungsfähigen Bürgern einzuwerben seien.
Unter dieser Gesamtperspektive lobt die Aktionsgemeinschaft in ihrem „Schauspielhaus Journal“ übrigens ausdrücklich die als mutig bewertete Grundentscheidung des Kulturdezernats, eine Sanierung der jetzigen Theaterdoppelanlage nicht länger in Betracht zu ziehen, sondern entschlossen für einen Neubau von Schauspielhaus und Oper einzutreten: „Alles Jammern hilft nichts, es musste eine Zäsur gemacht werden“.
Dass eine weitere Bürger-Initiative einen Abriss vor allem des langen Foyers mit seiner vorgehängten Glasfassade zu verhindern sucht – und dazu paukenschlagartig den Denkmalschutz bemühte und die Abriss-Befürworter mit dem (hyper-)moralgetränkten Vorwurf der „Geschichtsvergessenheit“ überzog –, fand zwar kurzfristig großen Widerhall in den Medien.
Kulturdezernentin Ina Hartwig hat sich für den Abriss entschieden, Foto: Petra Kammann
Doch der Vorstoß scheint sich inzwischen weitgehend wieder verlaufen zu haben, nachdem vom Landesdenkmalamt und vom Kulturdezernat klargestellt wurde, dass die Anlage zwar denkmalwürdige Aspekte aufweist, formal aber nicht unter Denkmalschutz steht. Wobei nicht zuletzt Kulturdezernentin Ina Hartwig mehrfach betont hat, dass bei allen künftigen Planungen Aspekte der ideellen und materiellen Denkmalwürdigkeit berücksichtigt würden. Was vor allem für die Wolkenskulptur des ungarischen Künstlers Zoltán Kemény gelte, die vielen Frankfurtern ans Herz gewachsen sei.
Doch das vom einst sehr erfolgreichen Büro ABB unter der Leitung von Otto Apel errichtete Foyer ist nach allen vorliegenden Untersuchungen und Expertisen aus bautechnischen Gründen nicht zu retten, besser: zu erhalten. Es müsste – Ironie vieler Denkmalschutzdebatten mit dogmatischer Grundierung – abgerissen und dann wieder rekonstruiert werden. Und es entstünde ein aparter Konflikt: Welche gebaute Zeitschicht müsste vorrangig geschützt werden? Der einst von ABB ohne jede Rücksicht teilweise abgerissene und ‚eingehauste’ Altbau von 1902? Oder die Variante der 60er Jahre, die zudem ein Puzzle von unterschiedlichen Bauteilen und Fassaden umfasst?
Christoph Mäckler, der in Frankfurt mit vielen markanten Bauten vertreten ist und die bauliche Entwicklung der Stadt wie kaum ein anderer kennt, hält die Vorstellungen der Denkmalschutz-Initiative auch aus diesem Grund für „völlig unrealistisch“. Und in der näheren Befassung sieht er – der noch 2017 in einem Interview mit FeuilletonFrankfurt die in einem Gutachten veranschlagte enorme Kostenhöhe von annähernd einer Milliarde Euro als „absurd“ bezeichnet hatte – die jetzt in einer weiteren Expertise ähnlich eingeschätzten Gesamtkosten als plausibel an: „Wenn beide der aufwändigen Gutachten zum Schluss kommen, dass ein Neubau vorzuziehen ist, dann wird es wohl so sein“.
Das lange Foyer der Doppelanlage; Foto: Petra Kammann
Allerdings, um die bestehenden Kerne von Schauspiel und Oper tut es ihm schon leid: „Beide Bühnen sind in ihrer Art perfekt, es würde sich lohnen, sie zu erhalten. Man könnte um sie herum das Haus neu bauen, an dem drei Architekten herumgebastelt haben“. Doch ist auch er, trotz dieses Bedauerns, mehr als angetan von dem Konzept, das Kulturdezernentin Ina Hartwig mehrfach zur Lieblingsoption erklärt hat, als sie im Juni vier Varianten vorstellte, welche zwei außerordentlich erfahrene Architektenbüros aus Hamburg – gmp und pfp – in enger Kooperation mit der Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen – ausgearbeitet haben und welche derzeit im Deutschen Architekturmuseum mitsamt der verschiedener Entwurfsstufen und optischer ‚Platzhalter’ (in Visualisierungen veranschaulichter Skizzen) zu studieren sind.
Es ist jene Variante, die vorsieht, das Schauspielhaus am alten Platz neu zu bauen und eine neue Oper an der Neuen Mainzer Straße zu errichten, eingepasst in ein Grundstück, auf dem derzeit ein langweiliger Bau der Sparkasse steht, in Form eines langgezogenen „U“.
Verschiedene Varianten werden im DAM präsentiert, Foto: Petra Kammann
Es ist schon bemerkenswert, wie diese Variante frühere Fronten ins Wanken gebracht hat. Auch bei der CDU gab es dafür Beifallsformeln wie „charmant“. Fraktionschef Nils Kößner formulierte es etwas weicher: Man sei für diese Option offen. Dass gleichwohl die Stabsstelle auf Wunsch der Partei beauftragt wurde, deren großen Wunschposten Osthafen auch noch anhand verschiedener Gesichtspunkte zu überprüfen, darf als eleganter Rückzug mit Gesichtswahrung gewertet werden. Denn Chancen hat dieser Zug in den Hafen in der bestehenden Regierungskoalition keine. Schließlich betonen auch die Grünen immer wieder, dass für sie die Bühnen in die Mitte der Stadt gehören, am besten in enger Platzierung am Willy-Brandt-Platz.
Doch die von Ina Hartwig mit dem Wortlogo Kulturmeile veredelte Idee, die Oper in einer gedachten Linie vom Jüdischen Museum bis zu einer Dependance des Weltkulturenmuseums am nördlichen Ende der Neuen Mainzer Straße und der Mündung bis zum Opernplatz unterzubringen und dabei die Frankfurter Ur-Charakteristik der Hochhäuser mit Einrichtungen der Kultur zu verbinden und damit der Innenstadt eine neue Wertigkeit zu verleihen, hat natürlich auch für die Grünen beträchtlichen Charme, zumal damit die Wallanlagen nicht angetastet werden müssten.
DAM-Direktor Peter Cachola-Schmal zeigt sich von der „Kulturmeile“ begeistert; Foto: Petra Kammann
„Total begeistert“ von der Kulturmeilen-Idee zeigte sich spontan der Direktor des Deutschen Architekturmuseums, Peter Cachola Schmal, im Interview mit dem HR. Und es will natürlich viel heißen, wenn Christoph Mäckler – der doch dem Gedanken viel abgewinnen kann, die beiden Bühnenkerne zu erhalten – angesichts des linearen Vortriebs in Richtung Norden zur Grundaussage kommt: „Die Idee von der Kulturmeile mit der vorgeschlagenen städtebaulichen Struktur ist ein wunderbares Konzept, das ich mir gut vorstellen kann“. Wie könnte man diese positive Perspektive noch steigern?
Neuer Vorschlag zur Nutzung der „Kulturmeile“ von Prof. Mäckler
Entsprechend hat er ein eigenständiges Projekt entwickelt, dass diese Idee mit der Opernplatzierung auf dem heutigen Sparkassengrundstück mit einer städtebaulichen Neuordnung des Areals der bisherigen Theaterdoppelanlage verbindet. Zu den Hauptpunkten gehört, die Hofstraße wieder, wie vor dem Krieg, zur Sackgasse zurückzubauen, über welche das Schauspielhaus von der Neuen Mainzer Straße für die Andienung zu erreichen wäre. Der Hauptgewinn wäre, damit die Wallanlagen bis zum Untermainkai verlängern zu können, unter Einschließung des Jüdischen Museums mit seinem neuen Anbau.
Für den Autoverkehr stellt sich der Architekt die Wiederherstellung der alten Beziehungen von der Münchener Straße und der Taunusanlage vor, um über den Untermainkai die Untermainbrücke in Richtung Sachsenhausen erreichen zu können und auch in direkter Verlängerung auf den Mainkai zu gelangen. Vom Ausschluss des Autoverkehrs, wie ihn die Grünen und gerade auch die SPD propagieren, hält er hingegen gar nichts: „Bei der städtebaulichen Gesamtplanung sollten die Straßen der Innenstadt aus vielfältigen Gründen unbedingt normale Verkehrsstraßen bleiben, in denen die unterschiedlichen Formen der Fortbewegung nebeneinander ihren Platz haben, vom Auto über das Fahrrad bis zum Zu-Fuß-Gehen“.
Diese Position gilt damit auch für die Neue Mainzer Straße, die manche – wie der Städteplaner Torsten Becker – in Verbindung mit der Oper ganz neu weitgehend autofrei gestalten wollen, mit Vorbildcharakter für die angrenzenden Innenstadtbezirke. Christoph Mäckler sieht in der derzeit von einigen Planern propagierten autofreien Innenstadt hingegen keinerlei Gewinn, sondern sagt eine klare negative Auswirkung voraus: „Ein rein ideologisch begründetes Herausdrängen der Autos würde unweigerlich zur Verödung des städtischen Lebens führen.“
Stadtplaner Torsten Becker, Foto: Petra Kammann
Ein weiteres wichtiges Merkmal seines Plans ist, den Willy-Brandt-Platz, der in der jetzigen Form „nicht gefasst“ sei, neu zu gestalten. Nach seiner Vorstellung würde vor dem Schauspielhaus ein Platz gewonnen, indem auf der westlichen Seite im rechten Winkel ein kleineres Abschlussgebäude errichtet wird, mit einer öffentlichen Nutzung wie beispielsweise einem Café. Der Fuß des jetzigen Bafin-Hochhauses – jetzt eine Art Panzersperre in einem öden Sockel des ehemaligen BfG- und dann EZB-Turms – würde mit einem Arkadengang zu einer urbanen, einladenden nördlichen Begrenzung des Platzes.
Weiter sieht der Plan als östlichen Platzrand ein kleineres Hochhaus vor, das mit einer Blockrandbebauung längs der Neuen Mianzer Straße verbunden ist, ebenfalls mit steinernen Arkaden zum Flanieren einladend. Und noch ein drittes Mal will Mäckler dieses gerade aus Italien bekannte städtische Element einsetzen: auf der Straßenseite des Neubaus der Oper. Insgesamt, so diese Grundidee, ergibt sich daraus eine viel attraktivere Situation für Fußgänger an der Neuen Mainzer Straße (der Ina Hartwig wegen des klammartigen Charakters ein „gewisses New-York-Feeling“ nachsagte).
Wer die Einzelheiten des Plans studiert, kommt schnell zum Urteil, dass er in sich schlüssig ist und die Einzelsituationen der Gebäude ebenso wie die Straßenbeziehungen wesentlich verbessert, gerade auch, weil die damit verbundenen Nutzungen integral gedacht sind; und weil klar erkennbare Verbindungen und stadträumliche Ordnungen und Begrenzungen die jetzige höchst diffuse Situation auflösen.
In einem Punkt, nicht zu übersehen, wirkt der Mäckler-Plan viel realistischer als jener, der von pfp-Architekten vorgestellt worden ist. Denn deren Operngrundriss ist im Lageplan kleiner ausgefallen als der des Schauspielhauses, obwohl doch immer wieder betont wurde und wird, dass die Oper wesentlich mehr Platz beansprucht. Bei Mäckler verschiebt sich die westliche Fassaden-Fluchtlinie der Oper merklich weiter in die Wallanlagen, ohne allerdings den Gesamt-Grüngewinn zu beeinträchtigen. Er wird – nicht zuletzt wegen der südlichen Verlängerung beim Jüdischen Museum – auf gut 5000 Quadratmeter veranschlagt.
Vorschlag pfp-Architekten für die Gestaltung der Kulturmeile mit einem schmalen Opernhaus
Noch ein weiterer Pluspunkt ist bei der vorgeschlagenen Lösung zu verzeichnen. Wegen der Verbreiterung des Opernhauses in der Ost-West-Linie lässt es sich in der Nord-Süd-Länge kappen, was ermöglicht, am südlichen Ende einen kleinen Platz zu schaffen mit dem Gegenüber des Japan-Turms, immer noch einem der reizvollsten Hochhäuser der Stadt. Und auch am nördlichen Abschluss der Oper wird so ein Zwischenraum gewonnen, der dem geplanten Sparkassen/Helaba-Turm zugute käme. In der pfp-Variante wäre er über das Sockelgeschoss direkt mit der Oper verbunden.
Apropos, Stichwort Hochhaus: Mäckler sieht keinerlei Problem darin, ein neues Hochhaus am südlichen Rand des Willy-Brandt-Platzes, neben einem Neubau des Schauspielhauses zu errichten. Im Gegenteil: Architektonisch könnte es zur Neufassung Platzes beitragen. Und wegen der absehbar stark steigenden Schulden der Stadt könne ein solches Investorenprojekt, so seine Überzeugung, auch einen beträchtlichen Beitrag zur Refinanzierung der hohen Kosten für das Bühnenvorhaben leisten.
Ein solches Refinanzierungsmodell war schon früh von der FDP-Fraktion ins Spiel gebracht worden. Und inzwischen ist auch die Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus auf diesen Zug mit dem für die Stadt nützlichen Rendite-Gedanken aufgesprungen. Sie hat sogar Ende Juni ein Modell mit einem überhohen, superschlanken Turm neben dem rekonstruierten Seeling-Bau vorgestellt. Allerdings, so betonte es Jürgen Aha von der Aktionsgemeinschaft in diesem Zusammenhang: „Lieber wäre uns eine Bebauung ohne ein Hochhaus“.
Ob eine solche Variante überhaupt eine Chance hätte, wo doch – so beispielsweise dezidiert und vehement von Ina Hartwig formuliert – vor einem „Ausverkauf des Willy-Brandt-Platzes“ gewarnt wird? Nun, das werden die weiteren Beratungen der Koalition ergeben, die gegen Ende Juli schon konkretere Konturen annehmen sollen. Was natürlich auch bedeuten kann, dass die Finanzierungsfrage ein noch höheres Gewicht gewinnen könnte als schon bisher – und Kompensationsgeschäfte über wertvolle Baurechte auch am Willy-Brandt-Platz nicht prinzipiell ausgeschlossen werden können. Zumal ein intelligent eingepasstes Hochhaus auch ein großer städtebaulicher Gewinn sein könnte (der Wegfall ideologischer Scheuklappen einmal vorausgesetzt).
Der Grundrahmen aber wird sich nicht mehr ändern. Es geht um die Abwägung folgender Varianten: Kulturmeile mit neuer Oper an der Neuen Mainzer Straße und einem Theaterneubau am bisherigen Standort; Neubau der Theaterdoppelanlage am bisherigen Platz; Neubau von Schauspielhaus und Oper in Gesicht-zu-Gesicht-Konstellation am Willy-Brandt-Platz (‚Spiegelvariante’); und eben Neubau von Theater und Oper am Osthafen (dafür spricht aus Sicht der CDU weiterhin, dass wegen eines Komplettumzugs in einem Rutsch jegliche Kosten für Zwischenlösungen entfielen).
Keine wesentlichen Veränderungen sind auch beim Zeitplan zu erwarten. Mit gut zehn Jahren ist zu rechnen, bis Oper und Schauspiel in die neuen Häuser einziehen können. Nach jetzigem Vorzugs-Stand wäre die Oper als erstes der Nutznießer neuer Räume, während das Schauspiel für einige Zeit eine Übergangsspielstätte (beispielsweise das Bockenheimer Depot oder das neu einzurichtende Kinder- und Jugendtheater im Gesellschaftshaus am Zoo) beziehen müsste, wenn Abriss und Neubau anstehen.
Eines ist wahrscheinlich: Die für die Frankfurter Stadtgesellschaft wichtige Frage nach Konzept, Finanzierung und städtebaulicher Einbindung des Gesamtvorhabens wird im Zuge der Kommunalwahlen des kommenden Frühjahrs keine kleine Rolle spielen. Erst danach können die Rahmendaten für den Bau mit allen Vorgaben für den dann erforderlichen Architektenwettbewerb ausgearbeitet werden, der wiederum – nach einer Entscheidung von Jury und der Stadt als Bauherren – eine erhebliche Zeitspanne für die gründliche Ausarbeitung der Ausführungspläne nach sich zieht. Vor 2024/2025 ist kaum an einen Baubeginn zu denken.
Ob sich bis dahin auch die aufgeregten Gemüter vor allem eines spezifischen Kulturmilieus wieder beruhigt haben, welche mit Kampfvokabeln wie Ausverkauf, Geschichtsvergessenheit und programmatischer/dramaturgischer Konzeptionslosigkeit operieren? Vermutlich schon. Denn einmal wird klarer werden, dass bestimmte Theaterepochen vom Spielverständnis geprägt sind, aber nicht an für sakrosankt erklärte Bauformen gebunden sind.
Zum anderen hat sich immer wieder gezeigt, dass Forderungen nach vermeintlich unbedingt notwendigen radikalen Änderungen des Theaterbetriebs eher zur Grundausstattung der theoretischen Beschäftigung gehörten, nicht aber zum sich immer wieder im Rahmen des Bestehenden reformierenden Theaterspielen selbst.
Wäre es anders, dann wäre tatsächlich der umherziehende Thespiskarren das allgemeine Ideal. Modellhaft beschworen wurde es beispielsweise im 1970 bei Fischer erschienen Band „Mobiler Spielraum – Theater der Zukunft“. Das Theater der Moderne sollte danach vor allem mobil sein, modular, offen, demokratisch (was immer das konkret bedeuten mochte). Viele Spielformen und Off-Stätten sind seither entstanden, in immer neuen Varianten und Konstellationen.
Doch das feste Theater (im Buch als „zum Bürgerlichen konvertiertes Schlosstheater“ klassifiziert) hat sich in den fünfzig Jahren seit der damaligen Umsturz-Programmatik nicht aufgelöst. Liegt es am Unwillen zur Reform? Oder daran, dass sich die seit der griechischen Komödie/Tragödie herausgebildete Grundform des Theaterspielens nicht geändert hat?
Die Diskussion darum wird weitergehen. Aber die Frage, welche Bauform ein Theater in zwanzig, dreißig Jahren braucht, wird wohl weiterhin nur so beantwortet werden können: mit hochgehaltenem nassen Zeigefinger im Wind.