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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Raumschiff Wohnzimmer“ – Die Mondlandung als Medienereignis der Superlative im Museum für Kommunikation

600 Millionen im Bann des Mondfernsehens

Von Hans-Bernd Heier

In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 setzte zum ersten Mal ein Mensch einen Fuß auf den Mond. Bis zu 600 Millionen Menschen auf der Erde sahen Neil Armstrong live im Fernsehen dabei zu, weitere hunderte Millionen verfolgten die Mission von Apollo 11 im Radio. Unvergessen die Worte des amerikanischen Astronauten, als er den staubigen Boden betrat und über das knarrende Funkgerät den Satz sprach, der um die Welt ging: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen – aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit“.

Eine Nürnberger Familie verfolgt gespannt die erste Mondlandung der US-Astronauten mit Apollo 11 auf dem Mond am 21.07.1969 © Nürnberger Nachrichten, Foto: © Wilhelm Bauer, veröff. am 22.7.1969.

Bis heute ist unklar, ob er sich diese Formulierung auf dem Flug überlegt hat oder ob im Vorfeld von anderen daran gearbeitet wurde. Manche schreiben den Satz dem Schriftsteller Norman Mailer zu.

Die Mondlandung war das erste global live im Fernsehen ausgestrahlte Ereignis und eine Leistungsschau des damals noch neuen Massenmediums. Für das Fernsehen war es die große Stunde. „Noch nie zuvor hatten so viele Menschen zwei Personen bei etwas zugeschaut“, bilanzierte später der Astronaut Buzz Aldrin, der 20 Minuten nach Neil Armstrong den Erdtrabanten betrat, um mit diesem gemeinsam die amerikanische Flagge zu hissen.

Plakat© Museum für Kommunikation Frankfurt; Fotograf: Sven Moschitz

Bis heute ist die erfolgreiche Apollo-Mission eines der größten Medienereignisse der Geschichte. Anlässlich des 50. Jubiläums der ersten bemannten Mondlandung, das 2019 weltweit  gefeiert wurde, zeigt das Museum für Kommunikation Frankfurt die Ausstellung „Raumschiff Wohnzimmer. Die Mondlandung als Medienereignis“. Die Präsentation spürt der Faszination für das Highlight der Weltraumfahrt in Ost und West nach und fragt nach den Wechselwirkungen zwischen Raumfahrt, Fernsehen und globaler kommunikativer Vernetzung.

In Nürnberg (s.o.) schaut die Bevölkerung im Fernsehen zu. Straßen waren ausgestorben, Fernseher liefen ohne Unterlass. „So sah es in der Nacht zum Montag in den meisten Nürnbeger Heimen aus: Die Familie sitzt im Schlafanzug vor dem Bildschirm, jede Einzelheit wird notiert.

Doch nicht allein die Zahl von 600 Millionen Zuschauern ist es, die das Spektakel zu einem einzigartigen macht: „Wie bei keinem anderen Medienereignis greifen hier Kommunikationstechnologie und kommunizierter Gegenstand ineinander“, sagt der in Erlangen lehrende Medienwissenschaftler Sven Grampp.

Das Riesen-Interesse an dem „Medienereignis der Superlative“, so Rainer Bobon, der die Schau inhaltlich vorbereitet hat, und das attraktiver werdende TV-Programm motivierten 1969 viele Menschen, nicht nur in Deutschland, sich erstmals ein Fernsehgerät anzuschaffen.

„Wir bleiben auf Sendung“; Foto: Hans-Bernd Heier

Die von Franziska Isensee in Anlehnung an das damals übliche eckige Design zeitgenössischer Fernsehergeräte gestaltete Schau mit Holz-Guckkästen ist in sieben Bereiche gegliedert. Den Anfang machen Schlaglichter auf sechs Medienereignisse des 20. Jahrhunderts, die durch die ausführliche internationale Berichterstattung weltweite Resonanz erfuhren wie die erste bemannte Mondlandung.

Mit der Erfindung des Teleskops zu Beginn des 17. Jahrhunderts schien der Erdtrabant zum Greifen nah. Tatsächlich erreichbar wurde der Mond jedoch erst durch die massive militärische Raketenforschung des 20. Jahrhunderts. Nachdem es bereits in der Weimarer Republik einen „Raketenrummel“ in Presse und Kino gegeben hatte, spielte sich das „Space Race“ der fünfziger und sechziger Jahre zu einem erheblichen Teil im Fernsehen ab. Vorreiter waren dabei die USA: Dort stand bereits Mitte der 1950er-Jahre in jedem zweiten Haushalt ein Fernsehgerät.

Für die auch im Weltraum konkurrierenden Supermächte USA und Sowjetunion bot das Medium in Zeiten des Kalten Krieges, wie die Ausstellungsstation „Wettlauf ins All“ zeigt, eine ideale Plattform zur Propagierung ihrer kosmischen Unternehmungen. Hier konnte das junge Medium seine größte Stärke, nämlich das Vermitteln von „Dabeisein“, über Kontinente hinweg ausspielen. Dazu bedurfte es auch der Fortschritte in der Raumfahrt. Die Begeisterung war groß, als der Satellit „Telstar“ 1962 die erste Live-Fernsehübertragung zwischen Amerika und Europa ermöglichte.

Grafiken zu den Apollo-Missionen 12 bis 18; Foto: Hans-Bernd Heier

Den Höhepunkt erreichte die Berichterstattung im „Mondfernsehen“, wie die Live-Übertragungen der ersten bemannten Mondlandung genannt wurden.

In der Bundesrepublik berichteten die ARD und das ZDF parallel, und das vom Abend des 20. Juli bis zum Abend des 21. Juli nahezu durchgehend. Um die Apollo-Mission, die zwischen Start und Landung kaum attraktive Live-Bilder bot, unterhaltsam und anschaulich zu präsentieren, setzten die Sender auf aufwendige Sonderstudios mit Schaubildern, Modellen und lebensgroßen Nachbauten der Landefähre.

 

Die mit Journalisten und Experten gut besetzten Studios mussten dabei nicht selten improvisieren, ganz besonders für die Stunden, als die Flugleitung bekanntgab, dass der „Moonwalk“ von Armstrong und Aldrin spontan vorgezogen werde – aber niemand genau wusste, wann es so weit sein würde. Die Entscheidung von WDR und ZDF: „Wir bleiben auf Sendung“. Auch die Mondlandungs-Rezeption in anderen Teilen der Welt kommt in der vielseitigen Schau im Kommunikationsmuseum nicht zu kurz.

In der DDR beispielsweise wurde die spektakuläre Landung auf dem Erdtrabanten nicht live übertragen. Weitere Stationen sind in der höchst informativen Schau den anderen Apollo-Missionen gewidmet, die bei weitem nicht so spektakulär waren, obwohl der Mondaufenthalt der gelandeten Astronauten länger dauerte.

Auch die seit Jahrzehnten nicht abreißenden Verschwörungstheorien rund um die Landung werden beleuchtet. Noch 2018 zweifelten 57 Prozent der Bevölkerung in Russland und über 5 Prozent in den USA daran, dass Menschen auf dem Erdtrabanten gelandet seien und hielten das für eine Inszenierung. Thematisiert werden ebenfalls die Aspekte Kunst, Kitsch und Kommerz um den Hype.

An der interaktiven Station können Besucher ihre Kenntnisse über die Raumfahrt vertiefen; Foto: Sven Moschitz

Die Vorstellung, zum Mond zu reisen, fasziniert die Menschheit seit jeher. Die Begeisterung für eine Reise ins All spiegelt sich in zahllosen Objekten wider, die bis ins späte 19. Jahrhundert zurückgehen, wie etwa in der frühen Ausgabe von Jules Vernes „Von der Erde zum Mond“ aus dem Jahr 1865.

In der Alltagskultur in Ost und West hatte die als unmittelbar bevorstehend erachtete Erschließung des Weltraums bereits seit der Nachkriegszeit einen festen Platz, beispielsweise beim Spielzeug und in Bilderbüchern für Kinder, in der populärwissenschaftlichen Literatur oder im Film. Auch diese Aspekte werden in der Ausstellung beleuchtet, ebenso die Erfahrungen von „Astro-Alex“, der fesselnd über seine Aufenthalte und Arbeit in der internationalen Raumstation ISS berichtet.

Die weltweite Raumfahrt-Begeisterung ließ sich der Kommerz nicht entgehen; Foto: Hans-Bernd Heier

Insgesamt sind rund 100 Exponate zu sehen, die überwiegend aus den Sammlungen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums in Feucht und des Historischen Archivs des WDR stammen. Zahlreiche Ausschnitte aus Spielfilmen und der Marathonübertragung des WDR liefern bewegte Bilder, die Hörstationen mit Originaltönen aus den fünfziger und sechziger Jahren und Zeitzeugenberichte spannend ergänzen.

„Raumschiff Wohnzimmer. Die Mondlandung als Medienereignis“ ist bis zum 10. Januar 2021 im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen. 

Weitere Informationen unter: www.mfk-frankfurt.de

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